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Peter und Lydia wollen in Schweden einen ruhigen, möglichst langweiligen, stillen Sommer verbringen. Zunächst mieten sich die beiden einen netten Fremdenführer und suchen mit dessen Hilfe nach einer passenden Bleibe. Tagelang bereisen sie die nähere und zunehmend fernere Umgebung nach einem passenden Hotel oder Landgasthof. Doch immer wieder schrecken sie vor den Touristenströmen, dem städtischen Charakter oder der fehlenden Idylle zurück.
Da führt sie der nette Schwede zu einem verlassenen Eckchen Schwedens an dem ein Märchenschloss - zwischen See, Wald und Wiesen unvermutet auftauchend - ihre Herzen gewinnt. Das aus roten Steinen gemauerte kleine Schloss gefällt Peter und Lydia, die er liebevoll "seine Prinzessin" nennt, auf Anhieb. Und zu ihrem Erstaunen vermietet die Besitzerin eine kleine Dachwohnung in dem nur selten von Touristen besuchten Gemäuer für wenig Geld an das nicht verheiratete junge Paar.
Peter, Fritz, Kurt oder wie auch immer die Prinzessin ihren Geliebten zu nennen pflegt, richtet sich auf ruhige Tage ein und auch Lydia gefallen die stille Landschaft, der malerische See, die touristenfreie Gegend. Doch drei Dinge stören - Gott sei Dank - nach wenigen Tagen ihr Idyll.
Erstens reist Peters Freund Karlchen für neun Tage an. Der aber ist ein so lieber Kerl, mit dem man jeden nur erdenklichen Unsinn machen kann, dass es für Peter und Lydia die helle Freude ist, ihn dabei zu haben.
Zweitens reist kurz nach Karlchens betrüblicher Abreise Billie an. Die Freundin von Lydia erweist sich als sehr liebe, wunderschöne Blondine, die "das Herz am rechten Fleck hat" und den beiden Verliebten die Tage versüßt. Sogar eine "Nacht zu Dritt" liegt im Bereich des Möglichen.
Drittens begegnen Peter und Lydia zufällig den Kindern des nahen Kinderheims. Die Leiterin, Frau Adriani, erweist sich als despotischer, kinderquälender Drachen. Besonders hat sie es auf "das Kind" - nur so wird das kleine Mädchen im Kinderheim von allen, auch den "Mithäftlingen", genannt - abgesehen.
Sichtlich niedergeschlagen, völlig verstört und kaum zu einer Gefühlsregung mehr fähig, schockiert die Kleine das Pärchen. Sie beschließen, dem Kind zu helfen. Doch die teuflische Leiterin lässt keinerlei Kontakt zu. Sie hat die Fürsorge übertragen bekommen und kostet ihre Machtstellung so ungeniert wie rechtlich korrekt aus.
1931 erschien Tucholskys scheinbar so unbeschwerter Sommerroman "Schloss Gripsholm". Er wurde ein riesiger Erfolg, der bis heute andauert. Neben zahlreichen Nachdrucken und Verfilmungen gibt es auch mehrere Versuche, ihn als Hörbuch zu vermarkten und dem Hörer näher zu bringen.
Im April 2007 erschien eine vier CDs umfassende, zweihundertneunundfünfzig Minuten lange Variante bei "Diogenes Hörbuch". Die leise, beschwingte, gelegentlich aber auch ernste und traurige Geschichte wird von Heike Makatsch vorgetragen. Dabei gilt es mehrere Klippen zu umschiffen. Nicht nur, dass diese Geschichte sehr bruchstückhaft, zahlreiche Halbsätze umfassend erzählt wird. Immer wieder streut Tucholsky auch verschiedenste Idiome ein, die es oft sehr schwer machen, dem Fluss der Ereignisse zu folgen. Auch die häufigen Wortspiele, Aphorismen und Andeutungen auf politische Verhältnisse sind chiffriert und verdeckt in die lockeren Sätze eingewebt.
Doch Heike Makatsch erweist sich als exzellente Sprecherin. Ihr gelingen die leichten wie die diffizileren Passagen sehr gut und es wird mit zunehmender Dauer des Hörbuches immer mehr ein Genuss ihr akustisch zu folgen.
Die anfangs oft unverständliche, kompliziert wirkende Geschichte kommt erst nach eineinhalb Stunden in Fahrt und steigert sich zu einem spannenden, lustigen und anregenden Roman.
Die Mischung aus Sommergeschichte, Liebesroman, politischer Satire und ernster Schilderung der gesellschaftlichen Verhältnisse macht Spaß, ist anregend und spannend zugleich. Zwar kommt die Allegorie auf die Weimarer Zeit, auf den politischen Ungeist in Deutschland der 30er Jahre zu kurz und die verschiedenen Auslassungen im Hinblick auf die Buchvorlage setzen der Geschichte gelegentlich heftig zu, doch bleibt es ein zeitloser, wundervoller Reigen an Einfällen, Geschehnissen und Schilderungen, der in punkto Wortwitz, Eloquenz und Warmherzigkeit auch heute noch unerreicht ist.
Fazit: Dieser Sommerroman, gelesen von Heike Makatsch, ist ein Geheimtipp. Er ist locker, nett, nachdenklich und ungemein amüsant. Gelegentliche Probleme, hervorgerufen durch Idiome, Kürzungen und den komplexen Aufbau der Geschichte, kann man in Anbetracht des Gebotenen verschmerzen.