Selbstreflexivität im Computerspiel - was genau ist darunter zu verstehen? Ebenso wie im Film oder Buch kommt es auch in diesem neueren Medium vor, dass es sich selbst thematisiert, persifliert, analysiert und in den Mittelpunkt rückt. Da treten Programmierer selbst als Personen auf (zum Beispiel Sid Meyer als Berater in "Civilization 3"), Easter Eggs zeigen die Namen der Beteiligten, oder es wird über Produktionsfirmen und -bedingungen gewitzelt ... in-game! In diesen Fällen wird der magische Bann, die Immersion eines Computerspiels gebrochen, und zugleich handelt es sich um alte Techniken der Selbstreflexivität, die schon im alten Rom Menschen dazu brachte, sich und ihre Arbeit zu verewigen.
Bernhard Rapp hat ein hochinteressantes und spannendes Thema für seine Dissertation gewählt, die nun in gedruckter Form im Verlag Werner Hülsbusch vorliegt und die soziologische Bedeutung von Computerspielen zeigt (und die Wichtigkeit der Game Studies unterstreicht). Er beginnt mit einer Begriffsklärung und grenzt unter anderem die Selbstreflexivität von der Selbstreferentialität ab. In weiteren Kapiteln gibt er den aktuellen Stand der Forschung wieder und nennt auch die wichtigsten Kontroversen innerhalb der Game Studies, soweit sie das - zugegeben exotische - Thema seiner Arbeit berühren. Im Hauptteil folgt die Untersuchung einzelner Computerspiele und Spielsituationen, wobei Rapp auch die unterschiedlichen Formen des Selbstbezugs voneinander unterscheidet und sie deutet. Denn natürlich lässt sich eine Handvoll humorvoller Anspielungen auf das Spiel selbst in "Monkey Island" nicht vergleichen mit Spielen wie "Little Computer People", wo man als Spieler mit den "Bewohnern" eines Computers interagiert und somit das Spielen selbst zum Thema wird; oder in "Uplink", wo man einen Hacker spielt und Screen und Spieloberfläche identisch sind. Im fünften Kapitel werden dann die Funktionen solcher selbstreflexiver Strategien gedeutet, sowohl in spielinterner als auch spielexterner Hinsicht. Dieser Abschnitt ist dann auch das Herz der Dissertation, in der Rapp einige wichtige Aussagen trifft und die Selbstreflexivität als Mechanismus des kollektiven Erinnerns interpretiert.
Etwas angeklatscht wirkt der Schlussteil, in dem Rapp einen Vergleich zwischen Film und Computerspiel wagt und die Selbstreflexivität von "Goldmember" (Mike Myers) und "Monkey Island 4" gegeneinander abwägt. Davon abgesehen ist seine Untersuchung spannend zu lesen, zeigt sie doch vor allem eines: Die Grundbedürfnisse der Menschheit, über sich und ihr Tun zu reflektieren, sich zu verewigen, selbst zu loben oder auch zu belächeln, ändern sich auch im elektronischen Zeitalter nicht.