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Akte, insbesondere weibliche Akte, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches. Als Paula Modersohn-Becker 1906 ein fast lebensgroßes, sorgfältig inszeniertes Portrait einer nackten Frau anfertigte, betrat sie dennoch Neuland, denn das Modell war ... sie selbst. Mit ihrem Selbstakt kam sie sogar den männlichen Kollegen zuvor, die ihn erst wenige Jahre später für sich zu entdecken begannen.
Das hier besprochene Buch fungiert als Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Museen Böttcherstraße (Paula Modersohn-Becker Museum) in Bremen, die bis zum 2. Februar 2014 läuft.
An die Danksagung schließt sich ein Essay von Verena Borgmann an, die in die Thematik der Ausstellung einführt und für den weiblichen Selbstakt und seine Motivation sensibilisiert – gehört doch viel Mut dazu, den eigenen alternden Körper hüllenlos zu präsentieren.
Detaillierter geht der darauf folgende Essay von Renate Berger, betitelt "Im Modus der Enthüllung", auf die Künstlerinnen ein, die sich selbst nackt darstellen, auf die zu überwindenden Schamgrenzen und vieles mehr – unter anderem auch auf die Rezeption weiblicher Akte und das daraus resultierende Frauenbild und ebenso auf Frauen, zum Beispiel aus den Reihen der Suffragetten, die gegen dieses Frauenbild aufstanden.
Im umfangreichen Katalogteil werden nebst Modersohn-Becker zahlreiche weitere Künstlerinnen und ihre Selbstakte in Wort und Bild präsentiert, die aufzuzählen hier zu weit führen würde. Der Anhang enthält unter anderem ein detailliertes Werkverzeichnis mit Angaben zu Künstlerin, Titel, Entstehungsjahr, Materialien und Maßen, dem Besitzer sowie Katalognummer und -seite.
Dank den Essays, die zu lesen sich unbedingt lohnt, kann sich der Leser ganz auf die ausgestellten beziehungsweise im Buch präsentierten Werke einstellen. Auch bieten die Begleittexte zu jeder Künstlerin eine Fülle an interessanten und wichtigen Informationen zum Verständnis der Bilder und Fotografien - einige der Künstlerinnen sind Fotografinnen, zum Beispiel Francesca Woodman und Hannah Wilke. Diese Informationen enthalten Grundsätzliches zu Vita, Werk und Motivation der jeweiligen Frau, gehen jedoch ebenso auf die gezeigten Gemälde und Fotos ein.
Portraits der Künstlerinnen außer den Exponaten findet man im Buch nicht, der Blick des Lesers und Betrachters wird somit nicht durch eine idealisierte Abbildung beeinflusst und sieht die Frauen lediglich so, wie sie gesehen werden wollten. In einigen Fällen ist kleinformatig das Bild eines anderen Künstlers mit abgedruckt, das für den Selbstakt beziehungsweise dessen Inszenierung und Thema als Vorbild diente.
Die Künstlerinnen gehen mit der eigenen Nacktheit schonungslos um, die Akte wirken alles andere als idealisiert, teils provokativ, teils scheu, als handle es sich um einen Versuchsballon, teils zitieren, interpretieren oder karikieren sie berühmte Vorlagen. Dadurch, dass sie selbst die Bilder komponiert haben, entsteht natürlich ein ganz anderer Eindruck als bei anderen Werken, für die ein Maler oder Fotograf lediglich ein Modell nach seinen Vorstellungen platziert: der weibliche Blick unterscheidet sich massiv vom männlichen, und der Blick auf den eigenen Körper stellt noch einmal eine besondere Kategorie dar.
Gestaltung und Materialqualität sind, wie man es vom Verlag gewohnt ist, ausgezeichnet. Am Platz wurde nicht gespart, sodass alle Bilder angemessen präsentiert werden.
Somit ein bestens gelungenes Werk zu einer sehenswerten Ausstellung und einem bemerkenswerten Thema.
Ein Blick ins Buch wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.