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In der Gegenwart ist es eine bekannte Tatsache, dass die "Entnazifizierung" nach 1945 in Westdeutschland nicht sehr konsequent war. Insbesondere in der Justiz und in den Ministerien saßen bald wieder dieselben Personen, die auch im Dritten Reich "Recht" sprachen und das Land verwalteten. Dominik Rigoll stellt in seiner umfangreichen Studie "Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr" die inhaltliche und personelle Entwicklung der staatlichen Sicherheitsinstitutionen dar.
Auf über 500 Seiten erzählt das Buch, wie nach 1945 zunächst versucht wurde, die alten Eliten aus ihren Positionen zu drängen, doch ab 1949 der Trend sich umkehrte, alte Nazis und Mitläufer wieder in wichtige Ämter kamen und schließlich sogar die sogenannten 45er, überzeugte Demokraten, zumeist mit Diskriminierungserfahrungen im Dritten Reich, wieder aus der Verwaltung und den Gerichten verdrängten.
Im zweiten und dritten Abschnitt stellt Rigoll die Entwicklungen in den 1960er Jahren dar, an deren Ende die Politik und der Staat einer radikalen Kritik ausgesetzt waren angesichts der unverwirklichten Entnazifizierung. Der vierte und letzte Abschnitt behandelt schließlich den Radikalenerlass der sozialliberalen Koalition und seine Folgen.
Im Anhang finden sich ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister.
Dominik Rigolls Buch "Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr" ist eine detailliert recherchierte und gut durchdachte Studie, deren Lektüre viel zum Verständnis der ersten Jahrzehnte der Bonner Republik beiträgt.
Der Autor hat eine Vielzahl an Biographien und Fakten zusammen getragen und versteht es, sie auf erkenntnisreiche Art und Weise zu einem Gesamtbild zusammen zu fügen. So werden beispielsweise die Frontverläufe innerhalb der Gerichte und Ministerien durch die vielen verschiedenen Lebensläufen verständlich. Immer wieder weist Rigoll darauf hin, wie demokratisch gesinnte "45er" vor einer Renazifizierung warnen, während wieder eingesetzte Altnazis oder Mitläufer überhaupt kein Problembewusstsein zeigen. Im Namen des Antikommunismus werden so nach und nach Demokraten durch ein Bündnis aus Belasteten und unbelasteten Pragmatikern wie Adenauer verdrängt.
Bis zum Schluss des Buches bleibt Rigoll bei seiner Methode. So zeigt er beispielhaft an vom Radikalenerlass betroffenen Personen, wie sich diese Form des "Staatsschutzes" individuell und gesellschaftlich auswirkte. Diese Methode hat zwar zu einem 500-seitigen Wälzer geführt, in dem viele Namen erwähnt werden, aber die Lektüre lohnt sich in jedem Fall!
Fazit: Rigolls detaillierte und intelligente Studie trägt viel zum Verständnis der bundesrepublikanischen Geschichte bei und ist allen Interessierten trotz der umfangreichen Lektüre sehr zu empfehlen!