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Thad Beaumont ist ein ziemlich guter Schriftsteller - zumindest reicht es, sich den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu verdienen. Doch mit seinen literarisch anspruchsvollen und von Kritikern hochgelobten Werken nimmt er nicht viel ein. Viel gewinnbringender sind da die Bücher voller Blut und Grausamkeiten, die er unter dem Pseudonym George Stark verkauft. Dieses Pseudonym arbeitet er bis ins Detail aus, gibt ihm eine Biographie und nennt es seine "dunkle Hälfte", denn obwohl er sich einen hohen Lebensstandard mit den Romanen ermöglichen kann und sie für ihn künstlerische Freiheit bedeuten, sind die darin zum Ausdruck gebrachten Fantasien düster und voller Brutalität.
Als er von einem jungen Mann erpresst wird, der mit diesem Wissen an die Öffentlichkeit gehen will und sich Vorteile davon verspricht, kann Thad es sich mittlerweile leisten, sein Pseudonym George Stark endlich im wahrsten Sinne des Wortes zu begraben. Thad lüftet das Geheimnis um seine heimliche zweite Schriftstellerkarriere selbst, und diese Offenbarung wird wie ein richtiges Begräbnis inszeniert, samt Pappgrabstein und Schaufel in der Hand für die Pressefotos. George Stark gehört also nun offiziell der Vergangenheit an.
Das improvisierte Grab ist am nächsten Tag seltsamerweise geöffnet; der Erdboden sieht allerdings nicht so aus, als habe jemand Starks nicht vorhandene, da imaginäre Leiche ausgebuddelt, sondern als habe sich etwas - jemand - aus der Erde an die Oberfläche gegraben. Mit diesem unheimlichen Vorfall beginnt eine Reihe von brutalen Morden, die Opfer stammen meist aus Thads Umfeld. Dieser ist entsetzt, als der örtliche Sheriff Alan Pangborn, ein guter Freund, ihn davon in Kenntnis setzt, dass an den Tatorten Thads Fingerabdrücke gefunden wurden. Thad, der sich das alles nicht erklären kann, dämmert schließlich ein furchterregender Gedanke: Kann es denn wirklich sein, dass sein Pseudonym George Stark durch mysteriöse Umstände ein Eigenleben entwickelt hat, auf der Erde wandelt und nun alle tötet, die an seiner Beerdigung beteiligt waren?
Der Schriftsteller soll Recht behalten - seine mörderische "dunkle Hälfte" bringt ihn und seine Familie in tödliche Gefahr. Thad soll weiter unter dem Namen George Stark schreiben, damit dieser weiterleben kann ... oder Thads Kinder und seine Frau müssen für seine Weigerung büßen.
"Stark - The Dark Half" ist vermutlich einer der Romane Kings, die am stärksten autobiographische Züge vorweisen. King selbst veröffentlichte zahlreiche Werke unter dem Pseudonym Richard Bachman; umgekehrt zum vorliegenden Buch aber hatte er selbst stets mehr Erfolg als sein Pseudonym, das er nach einigen Jahren ebenfalls einen imaginären Tod sterben ließ, als herauskam, wer hinter diesem Decknamen steckte. Die Todesursache dachte der Schriftsteller sich auch aus: Pseudonym-Krebs. Bachman bekam eine komplette Biographie, eine eigene Unterschrift, ein eigenes Leben.
All diese Aspekte spiegeln sich in "Stark" wider. Hier aber bekommt die Geschichte fantastische Züge: Aus dem fallen gelassenen Pseudonym entwickelt sich eine eigenständige Persönlichkeit, die untrennbar mit Thad verbunden und abhängig von ihm ist, ihr neu gewonnenes Leben aber um keinen Preis wieder aufgeben will. Diese Auferstehung ist furchteinflößend und spannend geschildert. Zwar ist dem Leser bereits sehr früh klar, was es mit den Morden auf sich hat; aber daher rührt die ständige Spannung, die sich einstellt, auch nicht. Viel ansprechender sind die Wege, die Thad und George getrennt gehen und die unausweichlich aufeinander zusteuern, um in einem Finale zu enden, bei dem die Horrorelemente den fantastischen Zügen weichen. Das mag nicht sehr konsequent sein, allerdings hat sich diese Entwicklung bereits mit zahlreichen Hinweisen in der Handlung abgezeichnet.
Thad Beaumont als zufriedener Schriftsteller, der unversehens in eine haarsträubende Horrorvorstellung gezogen wird, ist ein gut ausgearbeiteter Charakter, mit dem der Leser gerne leidet. Seine liebenswerte Art und seine Gutmütigkeit bekommen immer deutlichere Risse, je weiter Stark in sein wohlbehütetes Leben eindringt. Geschickt und Stück für Stück lässt King die beiden Kontrahenten, die einstmals ein Ganzes waren, ihren Krieg führen.
Wie es typisch für den Autor ist, ist "Stark" toll geschrieben; stilistisch wählt King einen Mittelweg zwischen Horrorbüchern wie "The Shining" und Romanen mit eher fantastischen Zügen wie "The Green Mile". Einerseits sind die Morde bis ins blutige Detail beschrieben und warten mit so mancher Ekelszene auf, andererseits wird auf diesen Teil des Erzählten weit weniger Wert gelegt als bei anderen Büchern dieses Genres. Ein tolles Buch zum Gruseln, bei dem Fantasien ein erschreckendes Eigenleben entwickeln und den Leser unweigerlich in ihren Bann ziehen.
Anmerkung: Die Buchausgabe der vorliegenden Rezension ist nur noch gebraucht erhältlich. Angaben zu ASIN und Preis sowie der Amazon-Link beziehen sich auf die aktuelle Auflage.