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Weihnachten - das Fest der Liebe? Alles Friede, Freude, Eierkuchen? Ganz so gediegen geht es im wahren Leben nicht immer zu, erst recht natürlich nicht im Krimi.
Die Herausgeberin hat für diese Anthologie elf Kurzgeschichten gesammelt, in denen Weihnachten eine Rolle spielt, und natürlich geht es mehr oder weniger kriminell darin zu. In der ersten Geschichte bildet der Diebstahl eines Frauenherzens den zentralen Straftatbestand, in der zweiten gerät eine Domina in Schwierigkeiten, die sich zugunsten einer soliden Ehe aus dem Geschäft zurückgezogen hat, was aber einige ihrer "Sklaven" nicht akzeptieren wollen. Und eine Art Schnitzeljagd in München mit einem Handtaschenräuber nimmt eine verblüffende Wendung. Wenn dann noch an Weihnachten ein Polizist einen Weihnachtsbaum klaut, um seine Ehe zu retten, wird es richtig skurril.
Es gibt aber auch zumindest einen klassischen "Whodunnit" in dieser Anthologie, einen eigentlich klaren Selbstmord, bei dem, wie sich dann herausstellt, doch ordentlich nachgeholfen wurde. Eine andere Geschichte bezieht mystische Elemente ein, was natürlich gerade an Weihnachten legitim ist.
Bei den beteiligten Autorinnen und Autoren handelt es sich um Nina George, Ingrid Noll, Anne Chaplet, Burkhard P. Bierschenck, Sabine Thomas, Volker Klüpfl und Michael Kobr, Angela Esser, Gabi Neumayer, Ralf Kramp, Michael Rossié sowie Kim Småge.
Mit Anthologien verhält es sich ähnlich wie mit Pralinenpackungen. Manche der darin enthaltenen Pralinensorten mag man lieber, manche weniger, und ab und an wird eine ausgemustert. Welchen Anklang die verschiedenen Pralinen beziehungsweise Geschichten finden, hängt überwiegend vom Geschmack des Konsumenten ab.
Weihnachten provoziert. Die oft nur vorgetäuschte Harmonie fordert Sarkasmus, Überzeichnung und Ironie geradezu heraus, und schwarzer Humor findet sich in dieser Anthologie zuhauf. In einigen Geschichten wiederum wird die romantische Seite von Weihnachten heraufbeschworen, zum Beispiel in der genannten Geschichte vom Herzensdieb oder in jener, in der einem Weihnachtseinkaufsmuffel das Auto unter ziemlich eigenartigen Umständen gestohlen, vielmehr entführt wird, und deren Auflösung zwar vielleicht nicht völlig unerwartet kommt, jedoch durch ihren pastelligen Anstrich verblüfft.
Sämtliche Geschichten sind gut bis sehr gut konzipiert und erzählt. Weshalb dann eine Zwei-Sterne-Wertung?
Bei den meisten Geschichten handelt es sich um aparte, durchaus auch spannende, bisweilen klamaukartige Erzählungen, in denen Weihnachten wie erwartet vorkommt und außerdem eine Schelmerei oder ein Polizist. Sie haben Unterhaltungswert, aber höchstens zwei, drei von ihnen fesseln den Leser so, wie das von einem Krimi zu erwarten ist: Der Anteil "richtiger" Kurzkrimis in der Anthologie erscheint einfach zu gering und wird echte Krimifans enttäuschen. Ob aus Nostalgie oder einer Hemmung heraus, an Weihnachten Mörder ordentlich aktiv werden zu lassen, haben die Autoren ziemlich weich gespülte Krimis verfasst und die Definition "Krimi" schon fast ungebührlich gedehnt. Natürlich kann ein Krimi auch witzige und skurrile Elemente enthalten, aber sollen diese wirklich dominieren?
Wer also packende Kriminalgeschichten erwartet, dürfte von dieser Anthologie eher enttäuscht sein. Leser, die schräg-originelle Unterhaltung mit Plätzchenduft und einem gewissen Krimitouch suchen, können auf die Wertung gern ein bis zwei Sterne aufschlagen: Wie bereits erwähnt, sind die Geschichten alles andere als schlecht.