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 Stockmans Melodie

Autoren: Joao Tordo
Übersetzer: Barbara Mesquita
Verlag: Droemer

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Als erfolgreicher Jazz-Bassist geht Hugo nicht durch. Mit dreißig Jahren hat er nach einem verdümpelten Leben damit angefangen, das Kontrabassspielen zu lernen, und zwei Jahre später konnte er bei der einen oder anderen Combo mitspielen und sich einen (sehr) bescheidenen Lebensunterhalt verdienen. Dies geschah in Montreal, denn zu Hause in Lissabon hatte er es nicht mehr ausgehalten.

Nun ist er 43 Jahre alt, nicht wirklich weiter gekommen und von dem Gefühl beseelt, ein verkanntes Genie zu sein. Denn in ihm wohnt eine großartige Melodie, die er allerdings nie ausgearbeitet und schon gar nicht zu Papier gebracht oder aufgenommen hat.

Zusammen mit seinem "Nutella" genannten, auf Pump gekauften Kontrabass fliegt Hugo nach Lissabon, um dort ein Sabbatjahr zu verbringen. Seine Mutter versteht das nicht, weil eine Auszeit vom Nichtstun eigentlich doch nicht möglich ist. Hugo wohnt bei seiner Schwester und deren Familie.

Da die Schwester den perspektivlosen Bruder gern verkuppeln möchte, macht sie ihn mit einer Freundin bekannt. Diese nimmt Hugo mit in das Konzert des berühmten Jazzpianisten Luís Stockman, und Stockman spielt genau die Melodie, die Hugo seit langer Zeit im Kopf herumgeht. Hugo gerät außer sich und stellt Stockman zur Rede, der ein solches Stück aber gar nicht gespielt haben will. Beider Leben gerät zunehmend aus den Fugen.

Hugo wirkt eigentlich banal: jemand, der mit seinem Leben nichts anzufangen weiß und dann plötzlich nach einem Jazzkonzert beschließt, dass er Kontrabassist werden möchte. Er bringt es innerhalb von zwei Jahren auf ein ganz ordentliches Niveau, von dem er sich jedoch anschließend nicht lösen kann, und seine zweifellos vorhandene kompositorische Kreativität nutzt er nicht. Stattdessen frönt Hugo dem Alkoholismus und verdirbt es sich aufgrund seiner Unzuverlässigkeit mit allen Türöffnern, deren ein mittelmäßiger frei schaffender Instrumentalist so dringend bedarf.

Auch als er seiner Wahlheimat Montreal den Rücken kehrt und nach Lissabon zurückzieht, ergibt sich keine Wende zum Besseren – im Gegenteil: Hugo ist sicher, dass der kometenhaft aufgestiegene Star-Jazzpianist Luís Stockman in einem Konzert, das Hugo besucht, ein Stück von ihm, Hugo, spielt. Allerdings lässt sich das nicht beweisen, da Hugo es nie zu Papier gebracht oder anderweitig fixiert hat; es existierte nur in seinem Kopf.
Hugo bedrängt Stockman, der nicht begreift, was der unbedeutende Bassist von ihm will, der behauptet, das Stück nicht zu kennen und auch nicht gespielt zu haben. Und von dem Konzert gibt es keine Aufnahme.

Zunehmend besessen von der fixen Idee, Stockman habe ihn bestohlen, ihm das Einzige genommen, was er noch besitzt, und anderen verstörenden Gedanken, drängt Hugo voran bis zur Eskalation.
Soweit der erste Teil. Im zweiten Teil wird Stockmans Sicht dargelegt, und es zeigt sich, dass diese in keiner Weise entspannter ist als jene von Hugo.

João Tordo versteht es meisterhaft, seine Figuren zu zeichnen, von den Protagonisten bis hin zu Nebencharakteren wie Hugos Neffen oder Stockmans Freundin. Und während der Leser die "bodenständigen" Figuren sofort erfasst, sie ihm bekannt vorkommen, er sie vor sich sieht, bleiben gerade die beiden Protagonisten Hugo und Stockman, wiewohl sie mit klaren Strichen und durchaus farbig skizziert werden und der Betrachter vor allem in Hugos Gedanken und Beweggründe ständige Einsicht bekommt, beiden doch auf eine rätselhafte Weise ein Stück weit verschwommen, als bewegten sie sich im Nebel. Diese Darstellung der Figuren passt sehr gut zu der von Hugo vermuteten Art der Beziehung zwischen ihnen, auf die hier jedoch nicht eingegangen werden darf, da sonst die Lektüre an Spannung verlöre.

Sehr geschickt hat Tordo das Buch unterteilt – zum einen in die Geschichte von Hugo, zum anderen in die von einem Ich-Erzähler und Autor erzählte Fortsetzung, die sich mit Stockman befasst. Dieser Ich-Erzähler fungiert als Bindeglied, als Chronist und Analytiker.

Was am Ende bleibt, ist neben einer verstörenden und nachdenklich stimmenden, Fragen aufwerfenden und atmosphärisch äußerst dichten Geschichte mit sehr viel Tiefgang das Phantom einer Melodie, die der Leser allzu gern hören würde.

Einen Blick ins Buch bietet die Verlagsseite.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2016 | ISBN: 9783426281253 | Originaltitel: O Ano Sabático | Preis: 19,99 Euro | 253 Seiten | Sprache: Deutsch

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