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Viele Mädchen träumen von einem Leben als Model und Nickie Callahan hat es geschafft und ist in eben diesem Traumberuf erfolgreich. Doch gerade als Model besitzt man ein eher schnelles Verfallsdatum, das bekommt auch Nickie gnadenlos zu spüren. Sie wohnt in einer schönen Wohnung in New York City, trägt herrlich bezaubernde Kleider und hat sich einen Batzen Geld gespart. Nur leider ist ihre kometenhafte Karriere schon wieder vorbei und dabei ist sie noch nicht einmal dreißig.
Doch statt sich davon entmutigen zu lassen, beschließt Nickie, einfach wieder mit dem Studium anzufangen. In ihrer Heimat Knolls in Tennessee möchte sie einen kompletten Neuanfang wagen. Gleichzeitig erhält sie so die Möglichkeit, sich um ihre Freundin Mimi zu kümmern, die gerade von ihrem Mann verlassen worden ist. Beide Frauen beschließen, zusammen zu ziehen und sich so gegenseitig Kraft zu spenden, immerhin sind sie trotz der weiten Entfernung immer noch Freundinnen geblieben, also dürfte das funktionieren.
Zwischen Mimi und Nickie klappt das Zusammenleben dann auch wirklich wunderbar, aber es gibt dennoch einen Schatten, der sich über sie legt. In dem verschlafenen Collegestädtchen wurde eine Studentin vergewaltigt und bald ist sie nicht mehr das einzige Opfer. Doch der Serienvergewaltiger ist schwer zu fassen, da er keinerlei Spuren hinterlässt. Nicki ist entsetzt und bald auch zu allem entschlossen, denn auch sie wird zum Opfer dieses Mannes, der bald darauf auch zum ersten Mal tötet. Fest entschlossen macht sich das ehemalige Model daran, weiteren Frauen diese Erfahrung zu ersparen.
"Stummer Zorn" ist ein sehr untypisches Buch von Charlaine Harris. Für den Leser ist es nicht einfach, sich von seinen gewohnten Vorstellungen zu lösen und in dieser sehr realistischen Geschichte Fuß zu fassen. Dann jedoch muss man sagen, dass dieser Roman eine sehr eindringliche und fesselnde Geschichte erzählt, die dem Leser mehr mitteilt als das, was auf den Seiten steht. Die Autorin versteht es sehr geschickt, die Taten und die Reaktionen der Vergewaltigungsopfer darzustellen, so dass man von der Handlung überzeugt wird. Auch die Hauptperson, die selbstbewusste Nickie Callahan, ist treffend gewählt, da gerade ihre Figur den gefühlsmäßigen Absturz nach der Vergewaltigung, die Unsicherheit, die fragenden Blicke, sehr detailliert und realitätsnah fühlt und erfährt.
Interessant ist ebenfalls der unbewusste Vergleich zwischen dem Raubüberfall, den Nicki in New York als Augenzeuge betrachtet, und den Vergewaltigungen in der Kleinstadt, da beide Gewalttaten aufgrund der unterschiedlichen Orten eine komplett andere Wirkung auf den Leser haben. Hauptsächlich dürfte dieses Buch für weibliche Leser geschrieben worden sein, da die Geschichte sich sehr eng um die Gefühlswelt der Hauptfigur dreht und darum, wie ihr es gelingt, nach der Tat wieder langsam in die Realität und ein normales Leben zurückzukehren. Ein sehr ernstes Thema, das auch bei der Suche nach dem Täter realistisch bleibt und nicht in wilde Rachefantasien abdriftet.
Ein unerwartet ernsthaftes und sehr überzeugendes Buch über Vergewaltigung und deren Bewältigung, das, dank der netten Hauptfiguren, nie in trostlose Ernsthaftigkeit abdriftet.