Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Australien! Was heutzutage ein fernes, aber gut erkundetes Reiseziel ist, begann seine moderne Geschichte im 18. Jahrhundert als Strafkolonie. Für Menschen, die dorthin deportiert wurde, war es eine lange, gefährliche Reise, die nicht alle von ihnen überleben würden. Welche Strapazen auf sie warteten und welche Hindernisse es im Vorfeld dieser Reise zu überwinden galt, erzählt Autor Laurent-Frédéric Bollée in seiner epischen Graphic Novel "Terra Australis". Beginnend mit den ersten Plänen zur Besiedlung des Kontinents durch Europäer begleitet er die Häftlinge und Seeleute auf ihrem Weg in die neue Welt.
"Terra Australis", in diesen Worten schwingt etwas Geheimnisvolles, selbst heute noch, da wohl jeder dabei an den australischen Kontinent denkt. Die Bezeichnung gab es allerdings schon, bevor das uns heute bekannte Australien entdeckt wurde. Lange Zeit dachten die Menschen, die "Terra Australis" wäre eine riesige Landmasse auf der südlichen Halbkugel, die eine Art Gegengewicht zu den bekannten Kontinenten auf der nördlichen Hälfte der Erde bildet. Kein Wunder, dass dieses unbekannte Land für alle Kolonialmächte interessant war, verhieß es doch Reichtum und Macht. Immer wieder stachen Schiffe in See, um neue Länder zu entdecken und für die jeweiligen Herrscher in Besitz zu nehmen und viele von ihnen brachten die Kunde von einem neuen, gefährlichen Land von ihren Reisen mit, doch die ungeheure Entfernung und die Gefahren einer solchen Reise ließen die englische Krone zögern, sich auf ein solches Unterfangen einzulassen.
Laurent-Frédéric Bollées Graphic Novel beginnt zu genau diesem Zeitpunkt. James Cook ist in der australischen Bucht Botany Bay eingelaufen und hat seine Erkenntnisse der englischen Krone mitgeteilt. Wer aber will die ferne Kolonie besiedeln, wo es doch nach allem Ermessen eine Reise ohne Wiederkehr ist? Da reift in den Verantwortlichen ein ebenso abenteuerlicher wie ungeheurer Gedanke. Australien soll zur Strafkolonie werden, die englischen Gefängnisse entlasten und das Heimatland dadurch von Kriminellen befreien. Eine erste Flotte mit elf Schiffen und sage und schreibe 1500 Verurteilten wird sich bald auf den Weg machen.
Eine solche Geschichte zu erzählen braucht Zeit, Autor Bollée investierte fünf Jahre seines Lebens und die haben sich gelohnt. Zusammen mit Zeichner Philippe Nicloux präsentiert er in "Terra Australis" eine umfangreiche Graphic Novel, in der die unglaublich harten Lebensbedingungen und die Entbehrungen, welche die Häftlinge erleiden mussten, geschildert werden. Dies alles kommt in den Panels mit schwarzweißen, detailreichen Bildern eindrucksvoll zur Geltung. Philippe Nicloux zeichnet harte Bilder von Menschen, die am unteren Ende der Gesellschaft angekommen sind und die nur selten Gnade erwarten oder zeigen dürfen. Es ist sein großer Verdienst, dass es auf 508 Seiten nicht nur spannend bleibt, sondern auch immer wieder Überraschendes zu sehen gibt.
Autor und Zeichner erzählen dabei einzelne, beispielhafte Schicksale, an denen die möglichen Lebenswege der Menschen zur damaligen Zeit deutlich werden. Ob es der Waisenjunge John Hudson ist, der aus Hunger und Verzweiflung zum Dieb wird, oder der Schwarze, Black Caesar, der als ehemaliger Sklave nach England kommt, nur um festzustellen, dass es für ihn auch dort keine Zukunft gibt. Sie alle landen in Newgate, diesem berüchtigten, ständig überfüllten Gefängnis, ohne Aussicht auf Gnade.
Tausendfünfhundert Leute, das sind ebenso viele Schicksale und es ist bei einer solchen Masse an Menschen unmöglich, mit jedem mitzufühlen. Indem Bollée und Nicloux jedoch einzelne Figuren aus der Masse herausheben, machen sie es dem Leser möglich, Anteil zu nehmen, für die Deportierten zu hoffen und mit ihnen zu leiden. Der Verlag bezeichnet "Terra Australis" als Bollées Opus magnum, sein bedeutendstes Werk, und er hat damit Recht. Diese Graphic Novel geht unter die Haut und bleibt im Gedächtnis. Dies ist in der Tat mehr als bloße Unterhaltung, es ist Comickunst vom Feinsten. Chapeau!
Einen Einblick in die Graphic Novel gibt es auf der Verlagsseite.