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Nachdenklich betrachtete der König der reptilienhaften Xxcha die Lage. Erst vor kurzem hatten sich die kriegerischen Sardakk NOrr eine unverteidigte Kolonie seines Königreichs einverleibt und waren dadurch mit ihrer mächtigen Raumflotte in die Reichweite gekommen, eine groß angelegte Invasion auf den von ihm besetzten Kaiserplaneten zu starten. Auch intensive diplomatische Bemühungen innerhalb des galaktischen Rats hatten die Insektenwesen nur kurz aufhalten können - ein bewaffneter Konflikt in naher Zukunft schien unausweichlich. Sollten die Sardakk NOrr etwa ahnen, dass der König der Xxcha im Geheimen die permanente Besetzung des Kaiserplaneten mittels vieler Bodentruppen plante?
Die Händler der Emirate von Hacan hatten ihm zwar versichert, keinerlei kriegerische Absichten gegen die Xxcha zu hegen, eine ihrer Flotten war jedoch soeben in bedrohliche Nähe seines Heimatplaneten gekommen. Und was hatten die technologisch überlegenen Fischwesen der Universitäten von Jol-Nar vor? Soeben hatten sie die Konstruktion eines imposanten Kriegssterns fertig gestellt, so schlagkräftig wie eine ganze Raumflotte aus Kreuzern und Schlachtschiffen. Und, obwohl keine großen Krieger, hatten die Jol-Nar doch sicherlich vor, das furchterregende Vehikel auch einzusetzen. Der König hoffte nur, dass sie sich auf die Systeme der anderen Rassen konzentrieren würden. Denn er war nun kurz davor, genug Macht in der Galaxie erlangt zu haben, um den kaiserlichen Thron auf Mecatol Rex besteigen zu können. Nun galt es nur noch, die drohende Attacke der Sardakk NOrr abzuwehren, und die Schlacht um die Vorherrschaft im Universum würde sich schon bald entschieden haben ...Was sich hier anhört wie die Zusammenfassung einer Science-Fiction-Geschichte, könnte gut und gerne die Beschreibung einer Situation während einer Partie "Twilight Imperium" sein. 1997 war dieser Titel das erste Brettspielprodukt der heute sehr renommierten Firma Fantasy Flight Games, die sich in letzter Zeit vor allem durch exzellente Spiele wie "Der Eiserne Thron", "Descent" oder "Arkham Horror" profilieren konnte und eine der ersten Adressen ist, wenn es um epische Brettspiele mit exorbitanter Ausstattung geht, die vor allem für Hobby-Spieler gedacht sind. 2005 brachte Fantasy Flight Games die dritte Edition ihres Erstlingswerks heraus, die mit über 300 Plastikfiguren protzt und deren Struktur gegenüber den vorherigen Editionen durch den Autor Christian T. Petersen fast völlig umgekrempelt wurde.
Wie aus dem Intro bereits abzulesen ist, handelt es sich bei "Twilight Imperium" um ein intergalaktisches Wargame, in dem verschiedene Alienrassen sich um die Vorherrschaft in der Galaxie streiten. Diese wird durch die Spieler am Anfang einer Partie als ein großes Feld aus Hexfeldern konstruiert, die Planeten, Asteroidenfelder, Wurmlöcher oder den Kaiserplaneten Mecatol Rex beinhalten, welcher sich stets in der Mitte des Spielfelds und damit in der Mitte der Aufmerksamkeit befindet. Von ihren am Rand befindlichen Heimatsystemen aus versuchen die Spieler dann mit ihren Raumflotten neue Planeten zu erobern, die ihnen sowohl Ressourcen für den Bau neuer Schiffe als auch Einfluss bei politischen Fragen im galaktischen Rat bescheren. Bewaffneter Konflikt ist dabei unvermeidlich, wenn auch nicht immer nötig - aber irgendwann werden unter Garantie dicke Raumschlachten um strategisch wichtige Systeme ausgetragen, die recht simpel durch Würfeln entschieden werden. Je nachdem, ob man schwachbrüstige Träger mit vielen Jägern, dicke Schlachtkreuzer oder gar mächtige Kriegssterne in seiner Flotte hat, stehen die Chancen unterschiedlich, mit einem Würfelwurf auch zu treffen. "Twilight Imperium" funktioniert aber ganz und gar nicht nur auf der kriegerischen Ebene. Handel, Wissenschaft und Diplomatie sind ebenso wichtig. So kann man mit den anderen Rassen Handelsverträge abschließen und so wertvolle Handelsgüter erhalten oder gemeinsam im galaktischen Rat neue Gesetze beschließen, die die Regeln des Spiels teilweise völlig umkrempeln - ein idealer Weg für schwächere Spieler, die vorne liegenden Rassen zu behindern. So ist neben den dicken Flotten und Würfelglück beim Kampf auch viel Verhandlungsgeschick am Spieltisch gefragt, um die anderen Spieler von den eigenen Absichten zu überzeugen oder Kompromisse auszuhandeln.
In einer Runde suchen sich die Spieler zunächst eine von acht Strategiekarten aus, die sie zu bestimmten Aktionen befähigen, wie etwa des kostenlosen Erhalts einer neuen Technologie oder des Eröffnens neuer Handelsbeziehungen. Danach werden in einer langen Aktionsphase Flotten bewegt, Schiffe gebaut, Schlachten ausgetragen und die vorher genommenen Strategiekarten eingesetzt. Dies funktioniert ähnlich wie in "Puerto Rico" so, dass der Besitzer der Karte den primären Bonus erhält, während alle anderen Spieler eine schwächere sekundäre Eigenschaft der entsprechenden Karte durchführen können. Die Bewegung auf dem Spielbrett ist äußerst elegant durch sogenannte Command Counter gelöst, einer speziellen Ressource, die Spielern in jeder Runde zur Verfügung steht. Wenn man ein Hexfeld mittels eines Command Counters "aktiviert", legt man diesen auf das System und kann dann beliebig viele Schiffe, die in Reichweite sind, dort hinziehen. Sollten Feinde anwesend sein, wird daraufhin gekämpft, sollte das System dem Spieler bereits gehört haben, darf er dort bauen. Der Command Counter auf dem Feld zeigt dann an, dass die dort befindlichen Schiffe diese Runde nicht mehr bewegt werden können. Eine großartige Lösung für das Problem unübersichtlicher Wargames, wenn man nicht mehr weiß, welche Armeen bereits bewegt wurden und welche nicht. Außerdem sind die Command Counter eine weitere, knappe Ressource, deren Management beherrscht sein will.
In einer abschließenden Statusphase können die Spieler dann Siegpunkte erringen, indem sie ausliegende Zielkarten erfüllen, wie beispielsweise die Vorgabe, eine bestimmte Zahl von Planeten zu erobern, Technologien erforscht zu haben oder Handelsgüter auszugeben. Einfachere Ziele sind meist einen Siegpunkt wert, spätere Aufgaben sind ungleich schwieriger, bringen aber auch mehr. Außerdem hat jeder zu Beginn der Partie ein geheimes Ziel bekommen, das er unabhängig von den anderen verfolgt. Sobald ein Spieler zehn Siegpunkte erreicht, gewinnt er das Spiel sofort.
Dank des Systems der Command Counter spielt sich "Twilight Imperium" relativ schnell. Meistens führt ein Spieler nur eine Strategiekarte aus oder aktiviert ein System, dann ist der nächste dran. Dennoch ist dies alles andere als ein kurzes Spiel. "Twilight Imperium" ist kein Titel, den man mal eben so an einem Spieleabend rauskramt - "Twilight Imperium"
ist der Spieleabend ... und der nächste Tag wahrscheinlich auch noch. Das Spiel ist zwar auf sieben bis zehn Runden begrenzt, für eine durchschnittliche Partie muss man jedoch fünf bis sechs Stunden veranschlagen. Das sind dann allerdings auch sechs rundum befriedigende Stunden, voller Spannung, knallharter Verhandlungen und heftiger Konflikte in einem tollen Szenario, das über zahlreiche Hintergrundtexte detailliert ausgearbeitet ist. Deswegen ist "Twilight Imperium" ein richtiges Erlebnis, bei dem man irgendwann wirklich meint, die Geschicke einer Alienrasse auf dem Weg zum Ruhm zu steuern. Die Spielzeit macht es bereits klar: Dies ist kein Spiel für Gelegenheitsspieler, sondern nur für Freaks, die auch bereit sind, dermaßen viel Zeit für so einen Titel zu investieren. Dabei gibt sich "Twilight Imperium" gar nicht mal einsteigerunfreundlich, die Mechanismen des Spiels sind nicht sehr schwer zu begreifen, anfangs erschlägt einen nur die schiere Masse an Möglichkeiten. Angefangen bei den völlig unterschiedlich zu spielenden Rassen über die verschiedenen Raumschiffe, die Technologien und die Politikkarten bis hin zu den über 100 Aktionskarten mit verschiedensten Effekten braucht man so einige Partien, bis man erkannt hat, was in diesem Spiel überhaupt alles möglich ist. Genau das macht "Twilight Imperium" freilich so vielseitig und lässt keine Partie so aussehen wie die andere. Einige optionale Erweiterungen sind in der Schachtel gleich noch mit inbegriffen - Wahnsinn!
Vom Thema über die grafisch umwerfende Umsetzung, die eingängige Spielmechanik und das angemessene Verhältnis zwischen Glück und Strategie stimmt in "Twilight Imperium" einfach alles. Einziger Wermutstropfen ist dabei, dass der Heidelberger Spielverlag keine deutsche Version dieses Titels plant. Netterweise bietet der Verlag jedoch eine sporadische
Übersetzung der Spielregeln an, Fans haben allerdings bereits
bessere Versionen erstellt und sogar
sämtliche Kartentexte übersetzt, wodurch das Spiel auch dann problemlos zu spielen ist, wenn man des Englischen nicht so sehr mächtig ist. Eine weitere Kritik an der dritten Edition von "Twilight Imperium" war von Seiten der Fans zurecht die extrem starke imperiale Strategiekarte, die einem Spieler sofort zwei Siegpunkte gibt, was in einer vorhersehbaren Weitergabe der Karte von Person zu Person in jeder neuen Runde resultiert und sich vor allem dann negativ äußert, wenn einem Spieler die Karte versagt wird und er im Rennen um den Thron dadurch völlig abgeschlagen wird. Unter letztgenanntem Link befindet sich jedoch auch eine Variante, die diese Karte abschwächt und zu einem wesentlich interessanteren Spielverlauf führt.
Für Fans von Science-Fiction und Wargames gibt es kein besseres Spiel als "Twilight Imperium". Wer einen Kreis passionierter Spieler aufbringen kann und schon immer mal seinen eigenen Krieg der Sterne anzetteln wollte, der wird um diesen Titel nicht herumkommen. Dann wird man sich schon bald in Situationen wiederfinden, die der des Xxcha-Königs gar nicht so unähnlich sind und ihre ganz eigene Geschichte erzählen.