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Kommissarin Cornelia Feisst jagt den brutalen Serienmörder, den die Presse nur "Vampir" nennt. Durch eine anonyme E-Mail erhält sie den Tipp, dass der Vampir sich in einer Gothic-Disco herumtreiben würde, um dort ein weiteres Opfer zu suchen, dem er mit einer Stahlklaue den Hals aufschlitzen kann, um anschließend sein Blut zu trinken. Im "Trash" macht Conny die Bekanntschaft von Vlad, einem geheimnisvollen Fremden, der ihr den Tipp hat zukommen lassen. Tatsächlich spürt Conny den Killer auf und kann sein Opfer sogar im letzten Augenblick retten, doch der Vampir entkommt und Conny muss sich vor ihren Vorgesetzten für ihren Alleingang verantworten. Kurz darauf schlägt Connys Chef Alarm, auf ihrem Computer ist eine neue E-Mail von ihrem Informanten eingetroffen. Unter der Bedingung, dass Conny mitkommt, verrät er der Polizei, wo der Serienmörder wohnt. Der Vampir ist ein junger Mann, keine zwanzig Jahre alt, namens Aisler. Während das SEK die Wohnung Aislers stürmt, sieht Conny im Überwachungswagen einen Schatten an der Außenwand des Wohnblocks herunterkriechen. Der Vampir hält seine Häscher zum Narren und begibt sich in die Tiefgarage, wo Cornelia Feisst im Überwachungswagen das Geschehen verfolgt. Aisler hat es scheinbar nur auf sie abgesehen. In den weit verzeigten Kellern des Wohnblocks kommt es zum Kampf zwischen Conny und dem Vampir. Dank ihres mysteriösen Helfers gelingt es ihr tatsächlich das Monster zu töten. Zunächst glaubt sie, dass damit alles ausgestanden ist, doch dann verschwindet die Leiche von Aisler und ihr Vorgesetzter verdächtigt Conny mehr und mehr der Mittäterschaft. Nur ihr Kollege Trausch hält zu ihr, doch kann er sie vor jemandem retten, der von den Toten auferstanden ist?
Mit diesem Buch widmet sich der bedeutendste Schriftsteller der deutschen Phantastik-Literatur, Wolfgang Hohlbein, zur Abwechslung mal dem unverfälschten, düsteren Horror-Genre. Bereits in seinem Roman "Dunkel" ließ er die blutsaugenden Gespenster umgehen, doch laut Klappentext ist "Unheil" sein bis dato düsterstes Werk. Dieser Eindruck wird durch die absolut geniale Aufmachung noch verstärkt. Metallisches Schwarz, dunkles, blutiges Rot und eine dämonisch verzerrte Vampirfratze bereiten den Leser auf die kommenden 638 Seiten vor. Das Motiv lehnt sich sicherlich nicht ganz zufällig an das Logo von Bram Stokers Dracula an. Die beiden Wölfe an den Seiten wurden indes gegen die roten Ornamente vertauscht und das Antlitz des Vampirs leicht verändert. Aber in seinen Grundzügen ist das Design deutlich zu erkennen. Sehr vampirisch geht es indes auf den ersten Seiten nicht zu, einmal abgesehen davon, dass die Kommissarin in der Gothic-Szene ermittelt und der Serienkiller "Vampir" genannt wird. Schon nach wenigen Seiten merkt man den Zeilen die Vorliebe Hohlbeins für ausgiebige Charakterisierungen und Ambientebeschreibungen an. Die Gothic-Disco "Trash" wird minutiös dargestellt und sollte auch dem phantasielosesten Konsumenten plastisch vor Augen stehen. Die Figur des Vlad wird wohl nicht umsonst von einem der Grufties als Robert-Craven-Verschnitt bezeichnet. Der Held aus Hohlbeins Hexer-Romanen wird nämlich genau so beschrieben und selbst der obligatorische Stockdegen fehlt nicht. Ansonsten wird auch schon mal dem einen oder anderen Klischee gefrönt. Cornelia Feisst ist eine attraktive, ehrgeizige Polizistin, die ein wenig desillusioniert ist, nicht nur weil sie von ihrem Vorgesetzten geschnitten wird (der natürlich ein echtes Arschloch ist), sondern auch, weil das erste Opfer des Vampirs die Tochter ihrer besten Freundin war.
Bei der Umschreibung der Szenen, in denen Conny dem Vampir Aisler begegnet, beweist der Autor, weshalb er zu den großen Schriftstellern deutscher Unterhaltungsliteratur zählt. Gleichwohl Aisler und seine Anhänger sehr jung sind, zum Teil sogar minderjährig, wirken sie äußerst bedrohlich und gefährlich. Hier spiegelt sich auch der Zeitgeist perfekt wider. In einer Zeit, wo Gewalt unter Jugendlichen eskaliert und brutale Videos "in" sind, in denen wehrlose Opfer zusammengeschlagen werden, offenbart dieser Roman eine erschreckende Aktualität. Darüber hinaus wählte Hohlbein wohlweißlich Schauplätze, welche die modernen Stätten des Grauens darstellen. Cornelia jagt den Vampir nicht auf Friedhöfen, alten Herrenhäusern oder düsteren Wäldern, sondern muss in lärmenden Szene-Discotheken, heruntergekommenen Wohnungen und riesigen, anonymen Kelleranlagen um ihr Leben kämpfen. Diese Spannungsspitzen liegen bedauerlicherweise weit auseinander und man kann nicht behaupten, dass einen der Roman die kompletten 600 Seiten hindurch fesselt. Zwischendurch zieht sich die Handlung beträchtlich durch seitenfüllende Dialoge, die sich im Prinzip immer um dasselbe Thema drehen. Cornelia sitzt erschöpft und verletzt vor ihrem Chef Eichholz und muss Rede und Antwort stehen, während Trausch den besorgten und hilfreichen Kollegen mimt. Anschließend hadert die Protagonistin wieder mit dem Schicksal, um kurz darauf wieder Besuch von Vlad zu kriegen, der die Handlung schlussendlich durch neue Hinweise vorantreiben muss. Der mysteriöse Fremde transformiert leider auch viel zu oft zur Deus ex Machina. Auch das Finale kommt nicht ohne Längen aus und dem Roman hätten zirka 200 Seiten weniger gut zu Gesicht gestanden.
Das Vampirthema an sich wird nur am Rande tangiert und wer eine klassische Geschichte über die Mythen der blutsaugenden Untoten erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Den Großteil des Roman bleiben Leser und Heldin im Ungewissen, ob sie es mit einem Killer mit übermenschlichen Kräften zu tun haben, oder ob einem die Fantasie von Cornelia Feisst nicht doch einen Streich spielt.
In seinen Beschreibungen und Gleichnissen outet sich der Verfasser zudem als versierter Filmkenner, der sich in diesem Roman gerne auf Science-Fiction-Klassiker wie "Alien", "Krieg der Welten" oder "1984" bezieht.
Ein wenig störend sind manchmal auch die Druckfehler, die für so ein edles Hardcover zu oft auftreten, ebenso wie stilistische Patzer, die selbst vom Lektorat übersehen wurden.
Ein Beispiel findet man zum einen auf Seite 300:
"Wie fast alles an ihm war seine Hand außergewöhnlich kräftig und wirkte brutal, aber sie war nicht mehr ganz vollständig."
Halb vollständig gibt es allerdings nicht, so dass dieses "ganz" ebenso überflüssig ist wie auf Seite 337: "Er lachte ganz leise".
Auf Seite 422 lautet ein Satz wie folgt:
"Er machte ein trauriges Gesicht, während er das sagte, aber irgendwie brachte er es trotzdem fertig, es so klingen zu lassen, als wäre es ganz allein ihre Schuld."
Auch hier ist das Wörtchen "ganz" unangebracht.
Fazit:
Wahrlich, ein düsteres Werk über einen brutalen Serienmörder. Klassische Vampire sucht der Leser vergeblich, dafür wird ihm eine gut durchdachte Geschichte über einen fanatischen Killer serviert, die an der einen oder anderen Stelle zu überraschen weiß, leider aber auch deutliche Längen und Schwächen im dramaturgischen Ablauf aufweist. Weniger wäre hier mehr gewesen und mit 200 Seiten weniger wäre das Buch sicherlich zu einem echten Pageturner geworden.