Håkan Nesser, Ian Rankin und Jeffery Deaver sind durch ihre Kriminalromane international berühmt geworden. Auf der hier besprochenen CD findet man Lesungen je einer ihrer Kurzgeschichten.

Den Anfang macht Håkan Nessers Geschichte "Erledigung einer Sache". Der Protagonist fährt in ein abgelegenes Seniorenheim, um den letzten Wunsch seiner Mutter zu erfüllen und mit seinem Vater zu sprechen, den er nie kennen gelernt hat, weil der Vater sich aufgrund eines Verdachts, den er gegen die Mutter hegte, von ihr schon früh getrennt hat. Als der Sohn sich zu einer Besprechung mit dem Arzt begibt, der seinen Vater betreut, ahnt er nicht, dass er eine Katastrophe heraufbeschwört.
Die zweite Geschichte stammt aus Ian Rankins Feder und ist betitelt "Frank und frei". Es geht darin um einen Obdachlosen, der die Gespräche der Menschen in seiner Umgebung belauscht und anhand von solchen Gesprächsfetzen Verschwörungstheorien entwickelt, die er dann jenen Zeitgenossen ausführlich schildert, die nicht rechtzeitig Reißaus nehmen können. Als eines seiner "Opfer" sich die neuste krude Idee anhören muss, will es diese als groben Unfug abtun. Doch dann kommt es zu einem Vorfall, der den Zuhörer nachdenklich stimmt und nötigt, zu überlegen, was Frank, der Tramp, wirklich gehört haben könnte.
In Jeffery Deavers Geschichte "Der Verdacht" steigert sich ein Ehemann in Verdächtigungen gegenüber seiner Frau hinein. Er glaubt, Indizien für ihre Untreue gefunden zu haben, und entwickelt eine regelrechte Paranoia. Der Leser wundert sich nicht, als es schließlich zu einer sehr dramatischen Szene kommt.

Viele ausgezeichnete Romanschriftsteller tun sich mit dem Verfassen von guter Kurzprosa schwer. Das gilt auch für Krimiautoren, nicht zuletzt für mindestens zwei der an diesem Hörbuch beteiligten Romanciers.
Håkan Nessers Geschichte reicht zwar nicht ganz an seine Romane heran, doch sie ist geschickt konzipiert, hat Spannung, interessant gezeichnete Charaktere, vorzüglich dargestellte Stimmungen und unerwartete Wendungen zu bieten. Nicht zuletzt kommt es zu einem wirklich dramatischen und überraschenden Abschluss. Dieser Kurzkrimi ist von sehr guter Qualität.
Ian Rankins Geschichte wirkt zwar recht apart, doch an Nessers Klasse kann sie nicht anknüpfen. Spannung kommt zu spät auf, die Charaktere sind im Grunde nicht sonderlich interessant, und es passiert einfach viel zu wenig. Die Auflösung überrascht nicht. Höchstens bezüglich der Stimmung kann die Geschichte einigermaßen punkten. Schlecht ist sie nicht, sie verdient das Prädikat "nette Unterhaltung".
Jeffery Deaver, Meister des Psychothrillers, hat in seiner Geschichte rundum zu dick aufgetragen. Der Hörer bräuchte nicht einmal den halben Aufwand, um sich der pathologischen Eifersucht des Protagonisten bewusst zu werden - die allzu ausführliche Darstellung der Entwicklung langweilt. Selbst die eine spannende Szene wird durch ein Übermaß an Pathos verdorben. Die Wendung am Ende ahnt der Hörer voraus. Schade um eine gute Idee, die ungeschickt umgesetzt wurde.
Nebst Håkan Nessers Kurzkrimi gehören zu den positiven Aspekten des Hörbuchs die Sprecher Dietmar Bär, Hannes Jaenicke und Dietmar Wunder, die aus Nessers gelungener Vorlage einen sehr packenden Vortrag machen beziehungsweise die beiden weniger geglückten Geschichten so gut wie möglich retten.
Die CD ist mit einem kleinen, aber attraktiv aufgemachten Booklet ausgestattet und hochwertig verpackt.
Insgesamt also ganz und gar kein schlechtes Hörbuch, aber selbst für überzeugte Fans der Autoren Rankin und Deaver wohl auch nicht unbedingt der "Reißer".