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Mit dem Tod von Mr. Dashwood ändert sich das Leben von Elinor und Marianne schlagartig. Dem Gesetz folgeleistend, war er gezwungen, seinem Sohn John aus erster Ehe das Gut Norland Park zu vererben und hinterlässt seiner zweiten Frau und ihren drei Töchtern lediglich einen kaum nennenswerten Teil seines finanziellen Vermögens. Um nicht länger von der Gunst des Erben abhängig zu sein, verlassen die Dashwood-Frauen bald darauf das Anwesen und finden in einem kleinen Cottage eines Verwandten ein neues Zuhause. Der Abschied lastet besonders stark auf Elinors Gemüt, muss sie sich nun von Edward trennen, der seit kurzer Zeit in Norland Park ein und aus geht und die ersten Gefühle der Zuneigung in ihr zu keimen beginnen. Trotz des Umzugs nach Devonshire reißt der Kontakt zwischen ihnen jedoch nicht ab. Als Edward ihr einige Zeit später einen Besuch in dem neuen Heim abstattet, verliert Elinor dennoch jede Hoffnung. Denn Edward scheint an mehr als einer Freundschaft nicht interessiert zu sein. Doch ganz ihrem besonnenen Wesen entsprechend, behält sie ihren Kummer für sich.
Auch Marianne sieht sich von ihren Gefühlen in Beschlag genommen, wenngleich diese eher von Impulsivität und Leidenschaft geprägt sind. In Willoughby, dem gutaussehenden und stürmischen Lebemann, glaubt sie, ihren Seelenverwandten gefunden zu haben und verliebt sich bald in ihn. Auch er zeigt sich sichtlich von ihr angetan und weicht kaum noch von ihrer Seite. Zwar entgeht Marianne nicht, dass der ältere und zurückhaltende Oberst Brandon ebenfalls ein Auge auf sie geworfen hat, doch verblasst dieser gegen die schillernde Gestalt ihres Liebsten. Die Zeit der Unbeschwertheit erfährt jedoch ein jähes Ende, als Willoughby sich überstürzt und ohne den Grund seiner Abreise zu nennen auf den Weg nach London macht. Marianne, die an diesem Tag mit einem Heiratsantrag rechnete, verfällt daraufhin in tiefes Selbstmitleid. Einzig die Einladung der Nachbarin Mrs. Jennigs, diese nach London zu begleiten, gibt ihr Hoffnung und so begeben sich Marianne und Elinor ebenfalls auf die Reise. Doch schon bald lüften sich die Geheimnisse um die Männer im Leben der Schwestern und lassen zwei junge Frauen mit unerfüllten Sehnsüchten und gebrochenen Herzen zurück.
Jane Austen gilt als eine der größten und bedeutendsten Autoren der angelsächsischen Literatur und wurde nicht selten von Literaturkritikern mit
William Shakespeare in einem Atemzug genannt. "Sense and Sensibility" wurde im Jahre 1811 veröffentlicht und erschien als Austens Debütwerk. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Elinor und Marianne Dashwood. Die ungleichen Schwestern gehören der höheren bürgerlichen Schicht an und verkörpern das damalige Frauenbild junger lediger Damen, deren finanzielle Absicherung und gesellschaftliche Anerkennung ausschließlich durch die Heirat mit einem respektablen Mann guten Standes gesichert war. Die Autorin beschreibt ausführlich und wortgewandt den Zwiespalt beider Hauptfiguren, diese gesellschaftliche Verpflichtung zu erfüllen und gleichzeitig eine emotionale und glückliche Ehe einzugehen. Obgleich die Rahmenhandlung auf den ersten Blick einem gewöhnlichen Liebesroman ähnelt, so zeichnet sich dieses Werk durch die detailreiche Darstellung der Charaktere, deren Gefühlsleben und nicht zuletzt durch eine versteckte Gesellschaftskritik aus, die sich jedoch hinter den teils überzeichneten Figuren und einem feinen humoristischen Unterton auf den ersten Blick gut zu verstecken weiß. Der Zuhörer begleitet die Protagonisten auf ihrem Weg der Selbstfindung und trifft dabei auf die unterschiedlichsten Charaktere, deren Geschichten und gesellschaftlichen Verstrickungen. Die Bekanntschaften und Annäherungen mit potentiellen Heiratskandidaten stehen dabei stets im Vordergrund und treiben sowohl die Handlung als auch das Gefühlsleben der Schwestern, und letztlich der gesamten Familie Dashwood, an. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich trotz aller Widrigkeiten und emotionaler Turbulenzen am Ende doch alles zum Guten wendet und die emotionalen Mühen der jungen Frauen entlohnt werden.
Die schriftstellerische Leistung der Autorin ist in Anbetracht ihrer literarischen Bedeutung und im zeitlichen Kontext des beginnenden 19. Jahrhunderts ohne Zweifel außergewöhnlich und herausragend. Dennoch scheinen sich der Inhalt und die poetische Sprache kaum als Grundlage für ein modern erscheinendes Hörbuch zu eignen, was einem unbedarften Käufer durch die graphische Gestaltung des Covers suggeriert wird. Die inneren Konflikte, Gedanken und Dialoge der Figuren nehmen beachtlichen Raum ein und strapazieren phasenweise enorm die Konzentration des Zuhörers. Kennt man die Absichten der Autorin und das damalige Gesellschaftsdenken nicht, entsteht schnell der Eindruck, dass es sich bei den Hauptfiguren lediglich um unausgelastete Frauen handelt, die kaum Sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen wissen und keine Minute am Tag vergehen lassen, in denen sie sich nicht mit sich oder den Beweggründen anderer, vorzugsweise jedoch denen des männlichen Geschlechts, auseinandersetzen. Die Nöte und Ängste, mit denen sich die Angehörigen dieser Gesellschaftsschicht konfrontiert sahen, würden heute wohl eher als Luxussorgen deklariert und treffend als Jammern auf hohem Niveau bezeichnet werden. Wen dieser Umstand jedoch nicht abschreckt, wird sicher von der Geschichte der Dashwood-Schwestern begeistert sein und in den Genuss einer emotionalen Berg- und Talfahrt kommen.
Eva Mattes liest "Verstand und Gefühl" mit ruhiger und gelassener Stimme, deren Klangfarbe und Sprachrhythmus die Atmosphäre des Romans stimmig einfängt und konstant aufrecht erhält. Die ungekürzte Einlesung als Sonderedition des Argon-Verlags ist daher in jedem Fall dem, unter dem Namen "Sinn und Sinnlichkeit" erschienenen, Hörbuch aus der Brigitte-Reihe "Starke Stimmen" vorzuziehen. Letzterem liegt zwar ebenfalls das Originalwerk "Sense and Sensibility" zugrunde, erhielt jedoch aufgrund des mangelnden Talents der Einleserin Sibel Kekilli durchweg schlechte Kritiken und ähnelt daher eher einer Amateurproduktion.