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Der namenlose Ich-Erzähler schildert hier in vierzehn Geschichten seine liebe Verwandtschaft. Diese Verwandtschaft allerdings lebt nicht auf dem Mars, sondern im Nordhessischen. Man darf meinen, das sei nicht so verschieden.
Die ersten beiden Geschichten
In Zügen und
Sansibar führen den Leser zu einem äußerst langweiligen Großonkel und einer widerspenstigen Großtante, die jeweils sehr eigene Vorstellungen vom Ziel ihres Lebens haben. Während der Großonkel davon träumt, dass er sein eintöniges, belangloses Leben in eine gewichtige Nachkriegsbiographie gießt, wandert die Großtante nach Sansibar aus und schreibt von dort aus über ihren Rechtsanwalt hämische Briefe. Doch beide Geschichten enden in einem komisch-traurigen Schlenker, der hier nicht vorweggenommen werden soll.
Es gibt andere Geschichten in diesem Buch, die nachdenklicher gestimmt sind,
Gezeichnetes Leben gehört zu ihnen, oder
Falsche Früchte. In
Gezeichnetes Leben finden die Urenkel heraus, dass der idealisierte Urgroßvater zur Zeit des Dritten Reiches eine Jüdin erschossen hat; sie verweben das auf kindlich-naive Art mit den Malkünsten des Verstorbenen.
Indirekte Rede handelt von dem Bruder des Erzählers, der ein kleines, sehr privates Heimatmuseum pflegt und zu einer alten Restaurantrechnung eine unerhörte Geschichte erzählen kann.
Eine andere Geschichte,
Die Kaufunger Sintflut, dreht sich um die Restaurierung der Dorfkirche, nachdem ein nasser Sommer die Inneneinrichtung ruiniert hat. Dabei macht der Vater des Erzählers beim Abklopfen des Putzes eine erstaunliche, gespensterhafte Entdeckung.
Ein so leicht geschriebenes Buch, einen so schlichten Ton findet man selten in der deutschen Literatur. Und so beiläufig dieses Buch daherkommt, hinterlässt es doch eine angenehme Schwere. Die Geschichten enden überraschend, haben einen Hintersinn, der deutlich, aber auch deutlich ohne moralischen Zeigefinger daherkommt.
Selbst Themen wie das Dritte Reich oder ein durch fanatische Religiosität motivierter Mord werden so geschildert, dass der Leser nicht zu einer bestimmten Meinung gedrängt wird. Hier schafft Imbsweiler durch eine gute Charakterisierung seiner Figuren mehr als jedes feingeschliffen-korrekte Bekenntnis leisten kann.
Nach zwei guten Kriminalromanen und einer brillanten politischen Satire überrascht Imbsweiler einmal mehr durch seine Wandlungsfähigkeit. Scheinbar selbstverständlich springt er in ein neues Genre, ohne einen Quant Qualität einzubüßen. Er ist leiser, die Ironie verhaltener als in den anderen Büchern, aber genau so unterhaltsam.
Dieses Buch jedenfalls gehört ohne Zweifel zu den ganz großen deutschen Kurzgeschichtensammlungen des letzten Jahrzehnts.