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Dank einer immer besseren Technik, superschnellen Prozessoren in handelsüblichen Homecomputern und einer voranschreitenden Digitalisierung des Filmmarkts ist es inzwischen auch für den Laien möglich, relativ kostengünstig professionelle Filme zu produzieren. Der "Hobbyfilmer" ist eben nicht mehr der belächelnswerte Nachbar von nebenan, der mit der VHS-Kamera die Hochzeit seines Sohnemanns filmt und am Schnittplatz der Volkshochschule stümperhaft zusammenschnippelt. Mit den heutigen Digitalkameras lassen sich erstaunliche Resultate erzielen, und Schnittprogramme wie Avid oder Adobe Premiere ermöglichen eine professionelle Bild- und Tonnachbearbeitung. Selbst etablierte Regisseure wie Danny Boyle ("28 days later") oder David Lynch ("Inland Empire") produzieren Kinofilme mit diesen Mitteln; oder anders gesprochen: noch nie war es für Hobbyfilmer so leicht wie heute, Filme in Kinoqualität zu produzieren.
Was aber unterscheidet das mies ausgeleuchtete Homevideo von Onkel Fritz von einem raffinierten Kurzfilm, mit dem sich der nächste Festivalpreis absahnen lässt? Das Wissen um den Einsatz dieser nun allgegenwärtigen Technik. In exakt diese Bresche schlägt das voluminöse Filmhandbuch "Video Digital" aus dem Verlag Markt + Technik. Es richtet sich an den Semiprofi - an den etwas ambitionierteren Hobbyfilmer, der bereits etwas Vorwissen um Film- und Schnitttechnik mitbringt, aber gerne die Feinheiten erlernen möchte. Der Autor Simon Gabathuler führt auf knapp 700 Seiten in die Materie ein, erklärt Film-, Licht- und Tontechnik, weist auf die neusten Entwicklungen der digitalen Filmtechnik hin und stellt die bedeutendsten Kameras und andere Geräte für den Hobbyfilmer vor. Zugleich legt er Grundlagen für die Planung und Organisation eines Drehs: Fragen der Vorproduktion und des Hauptdrehs, die Standards des Drehbuchverfassens, Grundlagen und Besonderheiten der Videotechnik (mit all ihren Einschränkungen und Vorteilen). Auch der Schnitt und die Nachbearbeitung kommen nicht zu kurz, und in einem lesenswerten "Profi-Kapitel" finden sich hilfreiche Tipps und Adressen.
Der üppige Anhang stellt schließlich das Programm "Avid Liquid" vor, das als Demoversion auf DVD beiliegt. Avid Liquid ist zweifellos eines der besten Schnittprogramme für den semiprofessionellen Gebrauch; die Testversion ist allerdings ein ziemlicher Reinfall, da sie hässliche Wasserzeichen mitten ins Filmbild projiziert. Nicht jeder Hobbyfilmer wird allerdings die 1000 (!!) für die Vollversion lockermachen wollen und etwas preisgünstigere Produkte wie etwa Pinnacle Media Studio bevorzugen. Erfreulicherweise beschränkt sich Simon Gabathuler nicht darauf, nur "Avid Liqid" zu promoten, sondern stellt auch andere Schnittprogramme vor.
Alles in allem wird Markt + Technik seinem Ruf, hochwertige Ratgeber herauszugeben, auch in diesem Fall gerecht. Das Buch ist angenehm geschrieben, gut aufgebaut und zeichnet die großen Linien der semiprofessionellen Filmproduktion nach, ohne auch exotische Themen zu vernachlässigen. Absolute Neulinge könnten etwas überfordert sein, aber für all jene, die schon einmal erste Gehversuche mit der Kamera gemacht haben, ist dies wohl der empfehlenswerteste Ratgeber: inhaltlich absolut up-to-date, sehr gut geschrieben, übersichtlich und bis ins Detail liebevoll verfasst. Ein Muss für jeden angehenden Filmer, der höhere Ansprüche hat, als nur die Silberne Hochzeit seiner Eltern abzukurbeln ...