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Bis zu vier Baumeister machen sich an die schwierige Aufgabe, eine toskanische Villa immer höher zu bauen, wobei sie sich jedoch an den tragenden Säulen des Hauses bedienen und so eine immer wackligere Konstruktion schaffen. Wenn das mal gutgeht!
Ziel des Spiels ist es, sich beim Bau der Villa Paletti am cleversten positioniert zu haben, wenn der Bau einstürzt oder nicht mehr fortgeführt werden kann.
Anfangs stehen die fünf Säulen jedes Spielers noch durcheinander auf dem Fundament, und die erste Ebene wird locker auf diesen Säulenwald gesetzt. Nun sind die Spieler der Reihe nach dran, eine der Säulen ihrer Farbe unter der ersten Plattform der Villa hervor zu holen und sie oben abzusetzen. Jeder Spieler hat dabei Säulen in drei verschiedenen Breiten und verschiedenen Punktzahlen, wobei jeder versucht, seine besten Säulen zuerst nach oben zu bringen.
Sollte sich ein Spieler nicht dazu imstande sehen, eine seiner Säulen von unten zu nehmen und oben drauf zu setzen, ohne dass die Villa einstürzt, darf er vorschlagen, die nächste Ebene oben aufzulegen. Ist ein anderer Spieler anderer Meinung, darf er selbst versuchen, eine Säule des zweifelnden Spielers nach oben zu befördern, ohne die Villa zusammenstürzen zu lassen. Schafft er es, wird diese Säule aus dem Spiel entfernt.
So türmt sich die Villa Ebene für Ebene immer höher auf. Wer die meisten Punkte in Form von Säulen auf der aktuell obersten Ebene hat, bekommt das Baumeistersiegel und gewinnt das Spiel sofort, sollte die Villa einkrachen. Das Baumeistersiegel zeigt die Farbe des Spielers, der vor dem aktuell besten die meisten Punkte hatte. Er gewinnt, wenn derjenige mit dem Baumeistersiegel die Villa zum Einsturz bringt.
Dass dieses Spiel unglaublicherweise gegen den Strategie-Kracher "Puerto Rico" den Kampf um die begehrte Auszeichnung "Spiel des Jahres 2002" gewonnen hat, liegt vor allem an seiner Einfachheit.
Eine Säule von unten nehmen und sie oben abstellen - das sollte eigentlich jeder verstehen. Die wenigen Zusatzregeln mit dem Baumeistersiegel, den Punkten und dem Protestieren gegen das Aufsetzen einer neuen Ebene sind ebenfalls ratzfatz gelernt, die Spielanleitung zeigt sich dabei lückenfrei.
Das eigentliche Bauen der Villa will jedoch gelernt sein. Kracht man bei den ersten Spielen garantiert noch bei der zweiten oder dritten Ebene zusammen, lernt man Spiel für Spiel, wie die Statik dieses wackligen Konstrukts funktioniert, welche Säule klappen werden und welche nicht. Ab der vierten Partie sollte es dann schon funktionieren, eine Villa mit allen fünf Stockwerken bauen zu können.
Bald ist man auch fleißig dabei, den Konkurrenten die teuren Säulen zu verbauen, aber viel mehr lernen und anwenden kann man in "Villa Paletti" nicht.
Man mag es auf den ersten Blick kaum erkennen, aber die Bauteile in "Villa Paletti" sind Präzisionsarbeit. Die Höhenunterschiede zwischen einzelnen Säulen betragen häufig nur Millimeter oder Bruchteile von Millimetern, die sich im Spiel dennoch deutlich auswirken, stehen doch einige Säulen frei, während andere tragend sind. Die einzelnen Ebenen sind schließlich gar keine, sind sie doch fein gewölbt und setzen damit an völlig unterschiedlichen Stellen Schwerpunkte für die Säulen.
Die Teile in "Villa Paletti" sind jedenfalls äußerst clever und schön solide gefertigt. Die Säulen sind sehr schlicht, aber etwas anderes würde die Spielbalance auch nur beeinträchtigen. Dafür sehen die Plattformen aus wie überdimensionierte Farbkleckse, was einerseits zum chaotischen Look der Villa beiträgt und andererseits das Spiel unberechenbarer macht.
Die Anleitung letztendlich ist bunt, kurz und gut bebildert. Außerdem liegt dem Spiel ein unabdinglicher Haken zum Herausziehen schwer zu erreichender Säulen bei.
Fazit:
Auch "Villa Paletti" mag zunächst den Eindruck machen, als wäre es eher ein Kinderspiel oder eine etwas hübscher aussehende "Jenga"-Variante. Beides falsch. Man braucht schon ein Gefühl für Statik und ein gutes Auge dafür, wo die Schwerpunkte und die tragenden Säulen dieser wackligen Konstruktion sind, um es - im wahrsten Sinne des Wortes - hoch hinaus zu bringen. Das Turmspiel "Jenga" kopiert "Villa Paletti" deswegen nicht, weil einerseits die Konstruktion eine völlig andere ist, andererseits die verschiedenen Säulen und die Punktewertung Taktik ins Spiel bringen.
Doch, und hier kommt der große Kritikpunkt von "Villa Paletti" - niemand nutzt diese Taktik aus! Das Spiel wird von den Teilnehmern viel lieber kooperativ denn konkurrierend gespielt. Man verbaut zwar dem einen oder anderen mal eine Säule oder legt die nächste Ebene ein bisschen fieser oben drauf als nötig wäre und achtet generell darauf, seine teuren Säulen nach oben zu bringen, aber ein wirkliches Gefühl von "Ich habe gewonnen!" stellt sich zum Schluss nicht ein. Eher ist der Spieler der Doofe beziehungsweise der Verlierer, der den Bau hat einstürzen lassen. Das Baumeistersiegel und die Frage nach dem Gewinner ist dann eigentlich egal und wird von allen nur mit einem Achselzucken abgetan, was vielleicht auch daran liegen mag, dass eine Partie sehr kurz dauert.
Im Versuch, gleichzeitig zu konkurrieren und die Villa so hoch wie möglich zu bauen, ist "Villa Paletti" jedoch tatsächlich ein guter Spaß und vor allem extrem spannend. Wenn man sich mit zitternden Händen daran wagt, eine obere Plattform hochzuheben und eine der letzten Säulen darunter hervor zu holen, ohne das Gebäude kippen zu lassen, sind Schweißausbrüche und absolute Stille an allen Fronten angesagt, stets gefolgt von einem tiefen Durchatmen oder einem lauten Aufschrei, je nachdem, wie die Aktion endete. Vor allem für Familien ist "Villa Paletti" daher für ein paar Abende ein großer Spaß - aber leider nicht länger, denn hat man einmal die Villa bis zum obersten Stockwerk und darüber hinaus aufgerichtet, was nach vier oder mehr Partien einwandfrei gelingen sollte, ist es mit der Faszination schnell vorbei, denn das Gewinnen im Spiel ist vor allem bei vier Spielern zu sehr dem Zufall überlassen. Bei zwei Spielern mag das vielleicht anders aussehen, aber wenn man die Spannung dieser Konstruktion mit keiner vor Ehrfurcht erstarrenden Runde teilen kann, macht es auch keinen so großen Spaß mehr.