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Steffen Möller wächst als Sohn eines Theologieprofessors in Wuppertal auf. Sein Vater hört begeistert Bach-Kantaten, was dem Sohn die Freude an klassischer Vokalmusik verleidet; Klavierstunden bleiben recht erfolglos und werden schließlich zugunsten des Kontrabasses abgebrochen, auf dem der Heranwachsende auch nicht gerade brilliert.
Unter diesen Umständen scheint es erstaunlich, dass Möller als Dreizehnjähriger eine Art Erweckung zur Klassik erfährt, dass er von da an alles daran setzt, gute Aufnahmen von klassischer Musik zu erwerben. Die Sache hat jedoch einen Haken: Wer sich in seinem Alter – und so wird es die nächsten Jahrzehnte bleiben – als Klassik-Fan "outet", gar entsprechende Konzerte besucht, wird zum Außenseiter. Er passt nicht zur Jugend der 80er-Jahre, und er passt auch nicht zur jungen Spaßgesellschaft der 90er.
Um sich vom Elternhaus abzugrenzen und auch, um seinen Klassik-Tick besser zu kaschieren, engagiert sich Möller zunächst eher halbherzig in der linksautonomen Szene. Schließlich studiert er in Wuppertal und Berlin Philosophie, kommt zunehmend begeistert mit Heavy Metal in Berührung, versucht sich als Kabarettist und gelangt mehr zufällig nach Polen.
Dort bleibt er sieben Jahre lang, als Deutschlektor und –lehrer, dann auch als Darsteller in einer "Daily Soap", als mäßig erfolgreicher Fernsehmoderator und Kabarettist. Und immer begleitet ihn die Klassik, meist verschämt verleugnet. Manchmal kommt es zu überraschenden Begegnungen mit anderen Klassik-Liebhabern, und oft lernt Möller unvermutet hinzu.
Ein Pfarrerssohn aus Wuppertal schreibt über die Mühe des Klassik-Liebhabers, seine Passion vor seinen Mitmenschen zu verbergen. Er "outet" sich als Klassik-Hörer.
Wer seiner Generation entstammt und selbst am liebsten Klassik hört, weiß, dass Möller recht hat: Mochte man seinerzeit als Teenager Klassik und ließ sich dabei auch noch ertappen, so war man ein- für allemal "uncool" und gehörte nicht dazu.
Auf unterhaltsame Weise, mit viel Humor und Eigenironie, erzählt der Pfarrerssohn seinen Werdegang, sinniert darüber, wie er zum Klassikhörer berufen wurde, und erläutert, wie sich seine Leidenschaft allmählich ausdifferenzierte, auch hin zu Stockhausen und anderen Komponisten zeitgenössischer E-Musik – mit gelegentlichen Exkursen in die so genannte U-Musik, etwa jener von Nirvana, auf die er durch den "Hype" um Kurt Cobains Tod stieß. Erlebnisse in den Klassikabteilungen von Kaufhäusern, allmählich entstehende zwischenmenschliche Beziehungen zu den dortigen Verkäufern, Zufallsbekanntschaften mit anderen Klassikfreunden, aus denen sich viel lernen ließ, aber auch völlig unvorhergesehene Entdeckungen von Interpreten über CDs zeigen auf, wie spannend es sein kann, der verfemten Gemeinschaft der Klassikfans anzugehören. Eine Reihe von Fotos, die zumeist Komponisten zeigen, ergänzt den Text, der in Kapitel nach Lebensstationen eingeteilt ist.
Insgesamt wirkt das Buch informativ, unterhaltsam und durchaus reizvoll, aber immer wieder stören unnötige Längen und vollmundige Ankündigungen von Einschnitten, die dann doch irgendwie banal ausfallen. Viele Details aus dieser Autobiografie eines zwar alles andere als gewöhnlichen, jedoch auch nicht herausragenden Mannes hätte man besser zugunsten eines griffigeren Buchs mit mehr Biss weggekürzt. Die durchaus vorhandene, spannungsgeladene Kombination aus Witz und Information leidet an einer Art Verdünnungseffekt.
Insgesamt also gerade für Klassik-Liebende eine attraktive Lektüre, die allerdings passagenweise Durchhaltevermögen erfordert. Das Buch belohnt durch interessante Einblicke und die Vermittlung eines Gefühls von Solidarität, von Zugehörigkeit zu einem Geheimbund von Eingeweihten in eine geheimnisvolle, fremde Welt.