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Was machen die Berliner über Weihnachten? Ist Göteborg wirklich so schön, wie es aussieht? Und welche Postkarten schreibt man – als Berlinerin – aus München?
Lea Streisand schreibt und liest und was sie zu schreiben weiß und vorzulesen hat, ist dann oft die folie à deux. Die Autorin führt in ihren Kurzgeschichten die alltäglich anstehenden Probleme zu immer wieder überraschenden Wendungen. Wie etwa erklärt man seinem neuen Freund, dass man 'die Tage' hat und wie sich das anfühlt und dass man allen Grund zur schlechten Laune hat? Die Ich-Erzählerin weiß sich jedenfalls ins rechte Licht zu rücken. Und apropos rechtes Licht: Da ist auch dieser andere Freund, in einer anderer Kurzgeschichte, der beim abendlichen Warten Stress mit einem kleinen, leicht hyperaktiven Neonazi hat. Da die Ich-Erzählerin mit ihrem Freund ebenfalls Stress hat, erfindet sie eine besonders einfallsreiche Entsorgung brauner Propaganda.
Göteborg ist schön, so schön wie es aussieht. Es ist vollgestopft mit Sushi-Buden. Fische entdeckt man dort – in Göteborg - auch, nur leider nicht die gewünschten, nämlich die wirklich essbaren. In den weiteren Geschichten geht es um Fußball, um Call-Center-Agenten und um Sylvester. Die Ich-Erzählerin entdeckt einen ihrer Professoren in einer ungewöhnlichen Stellung, lässt sich in einer Kneipe über die ungerechte Dominanz von Frauen aufklären und bringt ein Mädchen aus der Eifel fast zum Weinen.
Und dann ist da auch noch die Geschichte, die der CD ihren Namen gegeben hat: Wahnsinn in Gesellschaft. In dieser setzt sich die Ich-Erzählerin mit der Müdigkeit in Bibliotheken auseinander, bis ihr – nicht ganz zufällig! – ein junger Mann auffällt, der auslöst, dass die Müdigkeit durch wilde Phantasien ersetzt wird. Blicke fliegen hin und her, was die anwesende Freundin der Ich-Erzählerin geduldig zur Kenntnis nimmt. Doch dann passiert etwas, das diese knisternde Stimmung ins völlige Gegenteil verkehrt, zur Schadenfreude des Zuhörers. Was, das soll nicht verraten werden.
Lea Streisands Geschichten sind etwas ganz Besonders. Der Humor, der ihnen eigen ist, tränkt sie durch und durch, macht sie zu einem Vergnügen, das auch beim vierten und fünften Anhören nicht endet. Es ist kein lauter Humor, jedenfalls meistens nicht. Und trotzdem ist man ständig am Kichern und Giggeln. Freunde, denen man eine Geschichte vorspielt, wollen eine zweite hören und dann eine dritte und schließlich muss man sein Hab und Gut dagegen verteidigen, dass die Freunde es nicht einfach mitgehen lassen und so zu Ex-Freunden werden.
Streisand liest ihre Geschichten gekonnt und gekonnt dramatisch, trotzdem aber mit ruhiger und klarer Stimme. Sie berlinert, wenn die Geschichte es verlangt. Sie begeistert durch ihre leicht rauchige, vor verhaltener Erotik vibrierende Stimme.
Alleine wegen der Geschichte "Wahnsinn in Gesellschaft" ist dieses Hörbuch den Kauf wert. Selten habe ich etwas Komischeres gehört, das so spannungsreich eingeleitet wurde und so geschickt alle Erwartungen des Hörers über den Haufen wirft.
Den CDs sind jeweils Videos beigefügt, die Lea Streisand beim Lesen zeigen. Auch das ist ein herrliches Erlebnis (obwohl in natura noch besser).
Wundervolle Erzählungen also, mit einem wundervollen, hintergründigen Humor, gelesen von einer wundervollen Stimme: Das darf sich niemand entgehen lassen.
Fazit: Kaufen, und nach Berlin kommen und Lea Streisand live hören.