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Als Elphaba als erstes Kind eines bigotten Pastors und seiner leichtlebigen Frau geboren wird, ist der Schock groß: Das Baby kommt mit einer grünen Haut zur Welt. So etwas hat man selbst im magischen Oz noch nicht erlebt. Überhaupt ist Elphaba sehr seltsam und entwickelt erst ein gewisses Sozialverhalten, als ihre Schwester Nessarosse mit einer Behinderung geboren wird, die Elphabas Hautfarbe eher trivial wirken lässt. Eine herzliche, gesellige junge Frau wird aus dem Mädchen dennoch nicht.
Auch auf dem College ist Elphaba zunächst eine Eigenbrötlerin. Interessanterweise ist es die Tatsache, dass sie dazu gezwungen wird, mit der ebenso schönen wie flatterhaften Galinda ein Zimmer zu teilen, die sie schließlich etwas offener werden lässt. Die beiden ungleichen Studentinnen freunden sich trotz aller augenscheinlichen Gegensätze miteinander an und werden bald zum Mittelpunkt einer Gruppe junger Leute, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Widerstand gegen die politische Richtung zu leisten, die der Zauberer von Oz eingeschlagen hat: Denk- und sprachbegabten "TIEREN, die in Oz von jeher Ansehen genossen haben, werden mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Dabei machen sie sich jedoch nicht nur Freunde und bald schon sieht sich Elphaba gezwungen, zusammen mit Galinda in die Smaragdstadt zu reisen, um dem Zauberer von Oz die Meinung zu geigen. Dieses Vorhaben verändert beide Frauen für immer. Während Galinda ans College zurückkehrt, taucht Elphaba in den Untergrund ab und sucht verzweifelt und überzeugt Wege, das Mächteverhältnis in Oz zu verändern. Zwar findet sie in den darauffolgenden Jahren die Liebe ihres Lebens, ihre eigensinnige Haltung bringen ihr jedoch auch einen Spitznamen ein, der sie selbst zu einer Berühmtheit macht. Aus Elphaba wird "die Böse Hexe des Westens".
Wer "Wicked im Bücherregal entdeckt, dem drängen sich gedanklich gleich zwei große Werke der Unterhaltungsindustrie auf: Zunächst einmal ist da "Der Zauberer von Oz, der Jugendbuchklassiker, der vor über einhundert Jahren erstmals veröffentlicht wurde, in unseren Breitengraden jedoch vor allem durch die Verfilmung mit Judy Garland als Dorothy bekannt wurde. Außerdem ist da das vielfach preisgekrönte Musical "Wicked - die Hexen von Oz, welches seit Herbst vergangenen Jahres auch in Deutschland aufgeführt wird.
Gregory Maguires Roman diente ja auch als Vorlage für ebenjenes Musical, wenn die Handlungsstränge teilweise jedoch für die Broadway-Bühne etwas abgewandelt wurden. Dreizehn Jahre nach seiner Veröffentlichung in den Vereinigten Staaten hat sich mit Klett-Cotta endlich auch ein deutscher Verlag dazu entschieden, den Roman hierzulande zu publizieren.
Wie auch in einigen seiner anderen Bücher hat Gregory Maguire sich entschieden, der zentralen Antagonistin eines berühmten Klassikers einen neuen, menschlicheren Hintergrund zuzudeuten. So verleiht er in "Das Tulpenhaus beispielsweise Aschenputtels hässlicher Stiefschwester eine eigene Stimme. In "Wicked geht es um den Menschen, der hinlänglich als die eindrucksvolle, aber eindimensionale "Böse Hexe des Westens bekannt wurde. Der Autor erschafft ihr eine eigene Lebens- und Leidensgeschichte - und auf einmal erstrahlen die Ereignisse aus dem "Zauberer von Oz in ganz anderem Licht.
Der Leser lernt jedoch nicht nur Elphaba kennen, sondern auch viele andere bekannte Figuren aus dem Jugendbuchklassiker ebenso wie interessante neue Charaktere. Dabei ist der Roman alles andere als trivial: Das zentrale Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht, ist wohl "wer wird von wem beherrscht - und warum. Dies, das Recht auf die eigene Selbstbestimmung sowie die Frage danach, ob ein Zweck immer die Mittel heiligt, sind die Punkte, mit denen sowohl Elphaba als auch die Leser immer wieder konfrontiert werden.
Maguieres Stil liest sich trotz dieser ernsten Thematik flüssig und kurzweilig. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass er die Moral der Geschichte nicht mit der Bratpfanne in seine Leser einprügeln will, sondern in den Vordergrund das Schicksal von Elphaba stellt.
Überraschend ist in diesem Zusammenhang, dass der Autor wenig vom Innenleben seiner Figuren erzählt. Statt ihre Gedankengänge auszuwalzen, beschreibt er die Handlungen der Charaktere und überlässt es dem Leser, eigene Schlüsse zu ziehen und zu interpretieren.
Dadurch gelingt es ihm, eine sowohl interessante als auch gehaltvolle Geschichte zu erzählen, die zum Nachdenken anregt, ohne sich zu verkünsteln. Natürlich hätte er dafür nicht die Hintergrundgeschichte von Baums Oz-Romanen aufgreifen müssen. Die Handlung passt jedoch wunderbar in die teilweise absurde Welt der geheimnisvollen Smaragdstadt und verleiht seiner Botschaft einen ansprechenden Flair.
Wer sich schon immer gefragt hat, was es mit den rubinroten Schuhen auf sich hat, warum die böse Hexe des Westens geflügelte Affen befehligt, wie "Glinda zu ihrem Namen kam und weshalb die Gelbe Ziegelstraße wirklich gebaut wurde, der findet in "Wicked einleuchtende Antworten. Der Roman hat es verdient, eine breite Leserschaft auch unter jenen zu finden, die die ursprünglichen Oz-Romane nicht kennen oder nicht vom Musical-Fieber heimgesucht werden. Bleibt zu hoffen, dass "Wicked nicht der letzte Roman des Autors ist, der einen deutschen Verlag findet.