Unter den Teilbereichen der Paläontologie dürfte die menschliche Evolution der spannendste sein, zumindest ist sie derjenige, der auch den Laien am meisten interessiert. Denn wir können unsere Art, wie sie gegenwärtig in Erscheinung tritt, nur über ihre Vergangenheit wirklich verstehen lernen.
Das Wissen um die menschliche Evolution ist dank vieler neuer Fossilfunde und neuer Techniken in den letzten Jahrzehnten enorm angewachsen. Dieses Buch erläutert eingangs Darwins Thesen zur Evolution einschließlich der menschlichen und deren Rezeption, doch der Autor geht rasch zum aktuellen Stand der Forschung über; er beschreibt Sahelanthropus tchadensis, der vor sechs bis sieben Millionen Jahren lebte und als ältester bisher bekannter Hominide gilt, und flicht ihn in den Kontext der Primatenevolution ein, die eng mit dem Klima in Afrika verknüpft ist. Natürlich stellt der Autor auch die weiteren Hominidenarten vor, die sich lange Zeit nur in Afrika, ab Homo erectus schließlich beinahe weltweit tummelten, und präsentiert einen, gemessen an früheren Büchern zum Thema, erstaunlich unkomplizierten Stammbaum. Ein ausführliches Kapitel widmet sich der Entwicklung des aufrechten Ganges, ein weiteres der Befähigung zur Werkzeugherstellung. Auch der Menschwerdungsprozess selbst wird erörtert, mit all den Fragen und Definitionsproblemen, die der Begriff aufwirft. Interessant ist zudem die weitere Entwicklung des Homo sapiens, der offensichtlich in mehreren Wellen, von den klimatischen Bedingungen seiner Umwelt gelockt oder getrieben, seinen Ursprungskontinent Afrika verließ - lange, nachdem sich sein Verwandter, Homo erectus, bereits auf den Weg gemacht und in weiten Teilen Asiens etabliert hatte. Wurde die erste Welle, die in die Levante führte, noch zum Fehlschlag, so waren Homo sapiens? Ausbreitung bald darauf keine Grenzen mehr gesetzt. Er verdrängte aufgrund seiner besseren Anpassung seinen Vetter, den Neandertaler, und vermutlich ebenso den erst vor wenigen Jahren entdeckten, bis vor 18.000 Jahren auf einer indonesischen Insel beheimateten rätselhaften Zwergenmenschen Homo floresiensis, der vermutlich ein Homo-erectus-Abkömmling war.
Das letzte Kapitel bietet einen Ausblick auf künftig mögliche und wahrscheinliche Entwicklungen, denn die Evolution geht, wenn auch von uns weitgehend unbemerkt, weiter und wird niemals abgeschlossen sein.
Dieses Buch ist eine gelungene Einführung in die menschliche Evolution und bietet die Antwort auf die Frage "Woher kommen wir?", zumindest in der Form, wie der heutige Kenntnisstand dies zulässt. Viele Informationen über unsere Vorfahren lassen sich heute nicht nur mithilfe von Fossilien, sondern auch dank gründlicher DNA-Analysen und -Vergleiche gewinnen, und die daraus resultierenden Ergebnisse verweisen auf Afrika als den Ursprung nicht nur der Hominiden, sondern unserer eigenen Art Homo sapiens. Fossilfunde und biochemische Methoden stützen einander. Trotzdem werden viele Detailfragen auch und besonders heute äußerst kontrovers diskutiert. Der Autor stellt umstrittene moderne Meinungen vor und kommentiert sie möglichst objektiv, sodass der Leser einen Eindruck davon erhält, wie schwierig es ist, auf einem Gebiet eine "Lehrmeinung" zu entwickeln, das mit so wenigen Beweisen aufwarten kann wie die Paläoanthropologie. Mehrere eingebettete Seiten mit "Exkursen" vermitteln Wissen zu für den Paläoanthropologen relevanten Themen wie DNA, die Bedeutung der Forschung an Menschenaffen für Erkenntnisse über unsere Art und die Sprachentwicklung.
Zudem veranschaulichen zahlreiche Fotos von arttypischen Schädeln und Skeletten, von Werkzeugen und anderen Artefakten sowie Grafiken (einschließlich einiger Rekonstruktionen von Hominiden) und Stammbäume die Erklärungen; die Bilder sind von vorzüglicher Qualität, und die für ein Sachbuch geradezu spannenden Texte lassen sich aufgrund des unkomplizierten Stils angenehm lesen.
Aufgrund seiner sehr ansprechenden Aufmachung, seiner Allgemeinverständlichkeit, seines übersichtlichen Umfangs und des attraktiven Albumformats eignet sich dieses Buch auch vorzüglich als Geschenk, denn fast jeder stellt sich die Frage nach der Herkunft des Menschen - und die biologischen Antworten liefert nun einmal die Evolution und somit die Paläontologie.