Laura "Lo" Blacklock hat es endlich geschafft. Die Reisejournalistin darf in Vertretung ihrer Chefin an einer Luxuskreuzfahrt durch die norwegischen Fjorde teilnehmen. Kurz vor Antritt der Reise und in ihrer Anwesenheit wird allerdings in ihre Wohnung eingebrochen, und zusammen mit ihrer mühsam bekämpften Angststörung hat dieses Erlebnis sie immer noch im Griff, als sie an Bord versucht, sich für ihre Arbeit zu wappnen.

Und schon in der ersten Nacht auf dem kleinen, erlesenen Schiff geschieht etwas, das sie den Rest der Reise über und darüber hinaus verfolgen wird: Lo hört einen Schrei von der Kabine nebenan, mit deren Bewohnerin sie vor einigen Stunden kurz gesprochen hat, und dann ein Platschen, als ob etwas Schweres – ein Körper – ins Wasser fiele.
Sie verständigt den Sicherheitsdienst des Schiffes, doch dieser nimmt ihre Beobachtungen nicht ernst, zumal Kabine 10 völlig leer ist und dort offensichtlich auch niemand logiert hat. Lo insistiert und versucht auf eigene Faust herauszufinden, was sich in dieser Nacht abgespielt hat, doch damit wird sie für jemanden an Bord ein Dorn im Auge.

Lo muss um ihr Leben fürchten – und das ausgerechnet auf der Luxuskreuzfahrt, an der sie als Journalistin teilnehmen soll und auf die sie sich so sehr gefreut hat. Sie würde beschwören, dass sie gleich in der ersten Nacht Ohrenzeugin eines Mordes in der Nachbarkabine geworden ist, doch ein Indiz nach dem anderen verschwindet auf ominöse Weise. Verschwunden bleibt auch die Frau, die Lo kurz nach ihrem Einzug in ihre eigene Kabine nebenan gesehen hat. Nicht nur das: Diese Frau scheint gar nicht existiert zu haben. Und keiner glaubt Lo. Dafür erhält sie eine unverblümte Drohung.

Zwar handelt es sich bei der "Woman in Cabin 10" zugrunde liegenden Idee nicht unbedingt um etwas Neues – zu einem kleinen Luxuskreuzfahrtschiff etwa hat kürzlich erst Mary Higgins Clark geschrieben, die sich möglicherweise wiederum an Agatha Christies "Mord im Orient-Express" orientierte.
Es gelingt Ruth Ware dennoch, diese Idee eigenwillig und fesselnd umzusetzen. Dadurch, dass der Kreis der Verdächtigen dank dem kleinen Schiff überschaubar bleibt und die Charaktere gut gezeichnet sind – und obwohl Lo, die als Ich-Erzählerin auftritt, nicht unbedingt eine Sympathieträgerin ist -, macht es dem Leser Spaß, zu versuchen, selbst hinter das Rätsel zu kommen. Das dürfte allerdings kaum jemandem gelingen, denn es ergeben sich einige packende Wendungen. Als kleiner Minuspunkt erweist sich, dass die eine oder andere dieser Wendungen infolge von Handlungen seitens Lo zustande kommt, die ziemlich dumm sind. Na gut, schieben wir es auf das Schlafdefizit, dem Lo schon seit Tagen ausgesetzt ist, und schier unglaubliche von ihr vertilgte Mengen Alkohol.
Ruth Ware versteht es, die Stimmungen und Spannungen an Bord sehr intensiv darzustellen. So fühlt sich der Leser fast als unmittelbarer Zeuge. Lo macht es ihm nicht leicht. Sie handelt, wie erwähnt, oft unüberlegt und in einer Weise, die sie Sympathien verlieren lässt. Dennoch wirkt die Frau authentisch, gerade auch, wenn sie sich bemüht, nicht hysterisch zu werden.

Als gute Wahl erweist sich zudem der zweite, eingebettete Handlungsstrang, der sich über E-Mails und Foreneinträge von Los Freund entwickelt. Er ist zeitlich größtenteils nach dem Haupt-Handlungsstrang angesiedelt und erzählt von der Verzweiflung darüber, dass Lo nicht zu erreichen sei, von der Auffindung einer weiblichen Leiche im Meer vor Norwegen und der resultierenden schrecklichen Ungewissheit – das nun eben zu Zeitpunkten, an denen Lo durchaus unversehrt, doch ungesund wissbegierig an Bord umherstreift. Die Auflösung erweist sich als recht weit hergeholt, aber nicht unmöglich oder komplett unglaubwürdig.

Definitiv bietet der Krimi einige Stunden sehr spannender Unterhaltung – und genau das soll er ja.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.