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 Zone Tschernobyl I


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Andrej Krementschouk hat schon mit seinen ersten Fotografiebänden gezeigt, dass ihn außergewöhnliche Orte und Menschen anziehen – wobei "außergewöhnlich" nicht etwa "exotisch", "extravagant" und "prominent meint, eher im Gegenteil. Krementschouks Buch über Tschernobyl scheint vor diesem Hintergrund nur konsequent. Über zwanzig Jahre nach dem verheerenden Reaktorunglück in dem ukrainischen Städtchen hat der Fotograf die Sperrzone um den Reaktor mehrmals besucht, fotografisch dokumentiert und interpretiert. Dass der daraus entstandene Band 25 Jahre "nach Tschernobyl" erscheinen würde, war sicher geplant, dass dem Erscheinen die Katastrophe von Fukushima kurz vorausgehen würde, ließ sich nicht absehen. Es handelt sich bei diesem Buch um einen von zwei Begleitbänden zu einer Wanderausstellung der Heinrich-Böll-Stiftung und des Morat-Instituts, "Die Straße der Enthusiasten".
Der Name des Fotografen und der Titel des Buchs werden auf dem Buchrücken genannt. Am Ende des Bandes findet sich ein Impressum, das Titelblatt ist erst nach einer ganzen Reihe von Fotos angesiedelt. Abgesehen davon gibt es keinerlei Text im Buch, nur Fotos. Ganzseitig, meist eines pro Doppelseite, bisweilen zwei, das hängt vom Motiv ab.

Verblüffend vielseitig präsentiert sich die Motivwelt in diesem Buch. Menschen – meist alte, die in ihre angestammte Heimat zurückgekehrt sind und gern in Kauf nehmen, im Gegenzug eine kürzere Lebenserwartung zu haben -, Haustiere, Gebäude, überwiegend einfache bis von Armut geprägte Interieurs; vor allem aber zeigt Krementschouk die Natur, die sich vernachlässigte Gebiete zurückholt, Straßen aufbricht, Zäune und Häuser überwuchert, scheinbar idyllisch.
Bescheidene, arme Menschen leben in der früheren Todeszone, eine klassisch ländliche Ukraine auf den ersten Blick, nur ein Foto mit einem kleinen Mädchen sticht heraus, das vor einem modernen PC sitzt und über einem Spiel grübelt, die Maus sachkundig in der Hand.

Krementschouk ist kein Künstler mit einem Hang zum Plakativen. In seinen Fotos herrschen die leisen Töne vor, bleibt viel Raum zur Interpretation, steckt viel, was man nur bei längerer Betrachtung entdecken kann. Im ersten Moment wirken die Fotos schlicht, fast zufällig. Erst danach tun sich die Details auf, erschließt sich der durchdachte und zielstrebige Bildaufbau, erkennt man, wie geschickt mit der Blende gearbeitet, wie das Licht genutzt wurde.
Der Fotograf zeigt ein scheinbares oder auch echtes Idyll – eine Frage des Standpunktes. Eine gewisse Beklemmung wird indes in den meisten Bildern spürbar, unbeschwerte Lebensfreude hingegen nur vereinzelt, wohl aber betrachtet man immer wieder Stationen auf dem Weg dorthin. Verklärende Romantik findet man nicht in Krementschouks Portfolio, dennoch bleibt der Eindruck: Tschernobyl ist nicht tot, sondern ein Vierteljahrhundert nach dem Reaktorunglück nach wie vor (oder: wieder) eine Heimat, ein Ort, an dem man leben und ein bescheidenes kleines Glück genießen kann, ein Ort harter Arbeit und der Feierabendmuße, ein Ort, an dem Menschen und Natur ihre Ansprüche neu miteinander aushandeln.

Da auch das Layout und die Druckqualität überzeugen, kann dieses Buch dem Fotografieinteressierten vorbehaltlos empfohlen werden, aber auch allen, die einen Eindruck fernab der Statistiken vom heutigen Tschernobyl erhalten möchten.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 12. April 2011 | ISBN: 9783868282009 | Preis: 58,00 Euro | 96 Seiten | Sprache: Deutsch, Englisch

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