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Zu den schicksalhaftesten Epochen der Kunstgeschichte gehört zweifellos die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Maler der Moderne verzweifelt und oftmals von bitterer materieller Not verfolgt um Anerkennung rangen.
Der kanadische Autor Ross King versetzt den Leser in das Paris der frühen 1860er Jahre. Im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. herrscht eine strenge Zensur, die sich auch auf die Kunst erstreckt. Historienmaler sind angesehen; unter ihnen brilliert vor allem Ernest Meissonier, der jedes Requisit, jede Bewegung und Pose möglichst originalgetreu darstellt und daher umfangreiche, höchst aufwändige Studien durchführt und zahlreiche Modelle anfertigt, ehe er die eigentliche Arbeit an seinen Bildern beginnt.
Meissonier nähert sich dem Zenit seines Ruhmes, als mit Edouard Manet ein Maler auftritt, der ganz andere Ziele verfolgt als diejenigen, die von der die Kunst beherrschenden Ecole des Beaux-Arts vorgegeben werden. Er stellt nicht vergangenen Ruhm dar, und seine Bilder sollen den Betrachter nicht moralisch bilden, sondern sie spiegeln die Wirklichkeit seiner Zeit wider. Daher sind seine Modelle auch keine perfekten Schönheiten.
Während Meissonier Ruhm, Ehre und enorme Geldsummen einheimst, werden Manets Werke von der erzkonservativen Jury viele Jahre entweder gar nicht für den "Pariser Salon", eine überaus wichtige Kunstausstellung, zugelassen, oder sie ernten vernichtende Kritiken und böse Häme. Vielen anderen Künstlern, die in eine ähnliche Richtung streben, darunter Monet, Renoir, Degas, Bazille und Cézanne, ergeht es nicht besser. Allmählich wird Manet zu ihrem Anführer, freilich ohne viel zu erreichen. Dann bricht der deutsch-französische Krieg aus, anschließend kommt es zum Bürgerkrieg, zu den Wirren der Pariser Kommune und schließlich zur Republik, in deren Kunstszene sich allerdings rasch die alten Juroren wieder profilieren. Doch mittlerweile kommt man an den "neuen" Künstlern nicht mehr vorbei, zumal ihre Werke im Ausland viel Zuspruch finden. Die Bezeichnung "Impressionisten", die sie sich zulegen, ist ursprünglich ein Spottname der Presse als Reaktion auf eine Ausstellung der Verfemten. Spätestens Mitte der 1870er Jahre beginnt das Publikum jedoch, die moderne Malerei zu akzeptieren.
Meissonier wird unmittelbar nach seinem Tod vergessen. Manet, zu seinen Lebzeiten zumeist verspottet und verrissen, erlangt zusammen mit den Impressionisten einen Ruhm, der bereits zwei Jahrhundertwenden überdauert hat, und dessen Ende nicht abzusehen ist.
Hauptsächlich sind es also zwei teils miteinander verflochtene Lebensläufe, die einander in diesem Buch gegenübergestellt werden: der des Ernest Meissonier, der mit aparten Szenen aus dem 18. Jahrhundert und Darstellungen von Napoleons Heldentaten ein Vermögen verdiente, und der des Edouard Manet, dessen Berufsleben fast ausschließlich von bitteren Enttäuschungen gekennzeichnet war. In einem wunderbaren Erzählstil, sehr spannend und anhand von vielen nützlichen Hintergrundinformationen lässt der Autor den Leser am Leben im turbulenten Paris dreier Jahrzehnte fast schon unmittelbar teilhaben. Anschaulicher kann man die Geburtswehen der modernen französischen Malerei sicher nicht darstellen. Die Verzweiflung der jungen Maler, die sich bei den bornierten meinungsbildenden Oberen der Ecole des Beaux-Arts jahrzehntelang vergeblich um eine Chance zur Anerkennung ihrer "Richtung" bemühten, und die Einflüsse der Gräuel von Krieg und Bürgerkrieg werden dem Leser ebenso verständlich wie die hochinteressanten Beziehungen, Freundschaften wie Feindschaften, der Maler untereinander und mit Künstlern anderer Métiers, darunter Dichter und Schriftsteller wie Baudelaire und Zola. Vorzüglich stellt der Autor zudem die Arbeitstechniken der Protagonisten vor, wobei der scheinbaren, vom damaligen Publikum angeprangerten "Schlampigkeit" Manets der Perfektionismus Meissoniers gegenübersteht, der sich sogar Bahnschienen im Garten verlegen ließ, um den Galopp der Pferde intensiv studieren zu können. Bemerkenswerterweise setzte sich Meissonier trotzdem jahrelang für die modernen, jüngeren Kollegen ein, wenn auch erfolglos.
Das Buch enthält einen Teil mit farbigen Abbildungen der bedeutsamsten besprochenen Werke sowie etliche Schwarzweißabbildungen, darunter weitere wichtige Bilder und Skizzen zu einigen Werken sowie Fotos der Personen, die im Buch eine bedeutende Rolle spielen.
Abbildungen einiger weiterer Kunstwerke wären allerdings wünschenswert, zumal der umstrittenen, die sich häufig nicht einmal in umfangreichen Bildbänden zum Impressionismus finden (dem Manet allerdings auch nicht klar zugeordnet werden kann).
Aufgrund der kenntnisreichen, anschaulichen und sensiblen Darstellung ist das Buch sehr zu empfehlen, zumal es sich, ohne seinen Sachbuchcharakter je einzubüßen, spannend wie ein historischer Roman liest. Es eignet sich daher auch nicht nur für Kunstliebhaber, sondern ebenso für Lesende, die sich für Geschichte und außergewöhnliche Persönlichkeiten interessieren.