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Der deutsche Regionalkrimi

In aktuellen Statistiken des Buchhandels ist nachzulesen, dass der Krimi der Deutschen zweitliebstes Literaturfach nach den klassischen belletristischen Romanen ist. Fast ein Viertel der jährlich auf dem deutschen Buchmarkt erscheinenden Bücher sind der Kriminalliteratur zuzuordnen - Thriller, Detektivgeschichten, Krimis. Jedoch kommt von dieser Masse an Büchern ein verschwindend geringer Teil aus deutschen Landen. Tatsächlich wird der absolute Großteil der spannenden Lektüre aus dem englischsprachigen Raum importiert und übersetzt.

Bei dem geringen Anteil an deutscher Kriminalliteratur auf dem Markt nimmt der Regionalkrimi eine dominierende Stellung ein. Wenn der deutsche Krimileser also eigentlich ohnehin ausländische Bücher bevorzugt, was ist es dann, das gerade den Regionalkrimi so erfolgreich macht?

Regionales plus Mord gleich Regionalkrimi?

Zunächst muss einmal definiert werden, was für Ingredienzien in einem so genannten Regionalkrimi enthalten sind, denn nicht jeder Kriminalroman, der in einer benannten Stadt oder Region spielt, zählt automatisch zu dieser bestimmten Gattung.

Schon im Namen steckt ein erster Hinweis. Nicht nur, dass die Region bekannt sein muss, in der die Geschichte spielt, sie muss auch ihre Besonderheiten, ihren Charme oder ihre rauen Seiten präsentieren. Wie tief der Autor dabei auf diese Dinge eingeht, ist unterschiedlich. Für gewöhnlich werden regionale Dialekte in die Dialoge eingearbeitet, real existierende Straßen, Dörfer und Landstriche benannt, tatsächlich bestehende Probleme dieser Region erwähnt oder gar in die Handlung integriert und zu einem Hauptthema gemacht, wichtig können auch Vergangenheit oder Zukunft der jeweiligen Region sein.

Was viele Leser im Besonderen anspricht, ist die Tatsache, sich und ihre jeweilige Heimat wieder zu erkennen und sich meist fernab der großstädtischen Anonymität bewegen zu können. Den Namen einer bekannten Straße lesen, einen vertrauten Ort durch die Beschreibung identifizieren, vielleicht sogar die Eigenheiten der Leute einer Region entdecken, das sind die klassischen Elemente, die eine Verbundenheit zwischen Roman und Leser herstellen. Die eigene Region Schwarz auf Weiß und fern eines objektiven Sachbuches vorzufinden, stellt für viele Leser einen wichtigen Grund dar, Regionalkrimis anderen Krimis den Vorzug zu geben.

Aber nicht nur die Heimat liebende Leseratten greifen zu "ihren" Regionalkrimis; nicht selten kommt es vor, in solchen Romanen eine neue Leidenschaft für bisher fremde Regionen zu entdecken. Das Kennenlernen neuer Landstriche und Gebiete im weiten Deutschland ist ebenso spannend wie die Neuentdeckung der bekannten oder ins Auge gefassten Urlaubsregion.

Die Geburt eines neuen Subgenres in der Krimilandschaft

Weitläufigen Expertenmeinungen nach, unter anderem Reinhard Jahn, seines Zeichens Mitglied des Syndikats (dabei handelt es sich um eine Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur) und anerkannter Kenner der Kriminalromanszene, finden die ersten Regionalkrimis ihren Ursprung im Rheinischen und im Ruhrgebiet. In den achtziger Jahren kam diese Untergattung, die zu diesem Zeitpunkt noch keine war, auf den deutschen Markt, und es dauerte nicht lange, bis auch andere Regionen zum Schauplatz von Verbrechen, Mord und Totschlag wurden. Nach und nach kristallisierten sich Autoren und Serien heraus, die diesem Subgenre Substanz gaben und es wachsen ließen. Allerdings gab es gewiss auch schon zuvor in Büchern Aspekte, die sich per Definition in den Regionalkrimi einordnen ließen; aus der Entwicklung der Krimis lässt sich jedoch schließen, dass in den Achtzigern die richtungsweisenden Komponenten deutlicher herausgearbeitet und klarer formuliert waren und so das Subgenre begründen konnten.

Im Folgenden sollen zwei Beispiele stellvertretend für Regionalkrimis vorgestellt werden - zum einen eine bereits etablierte und beliebte Serie aus der Eifel und zum anderen eine erst im Aufbau befindliche Regionalkrimi-Reihe aus dem Saarland.

Inkognito der Wahlheimat gehuldigt - der Eifelkrimi

Er heißt Siggi Baumeister. Er ist Reporter. Und er ist der Held der Eifelkrimis von Jacques Berndorf, der mit richtigem Namen Michael Preute heißt und überhaupt nicht aus der Eifel stammt. Der gebürtige Duisburger hat allerdings die Eifel zu seiner Wahlheimat erkoren, in der er seinen Protagonisten Verbrechen aufdecken lässt. Und nicht ganz zufällig lautet der Nachname seines Pseudonyms "Berndorf" - handelt es sich dabei doch um den Namen des Ortes, in dem Preute sich niedergelassen hat.

Mehr als ein Dutzend Fälle hat Preute seinen Helden Siggi Baumeister seit 1989 schon bearbeiten lassen. Ob Mord, Raub, mysteriöse Brände mit Todesopfern oder scheinbarer Selbstmord, nichts fällt nicht in das Repertoire des Journalisten, der in der Eifel recherchiert, Spuren verfolgt und unangenehme Fragen stellt. Sogar einige Fälle im "Ausland" - Bonn und Genf beispielsweise - musste Baumeister schon lösen. Korrekterweise zählen diese Romane jedoch nicht in die Eifel-Reihe, die bereits am Titel zu erkennen ist: Jeder Krimi der Reihe beinhaltet im Titel das Wort "Eifel".
Preutes Eifelkrimis erfreuen sich großer Beliebtheit und wurden teilweise bereits als Hörbücher herausgebracht, "Eifel-Schnee" wurde sogar für das Fernsehen unter dem Titel "Brennendes Schweigen" verfilmt. Jedoch interessieren sich die Leser offenbar nicht nur für seine Romane, sondern auch für den Schriftsteller selbst, und so existieren mehrere Werke, die sich mit Jacques Berndorf respektive Michael Preute und seiner Eifel-Reihe beschäftigen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass Preute 1996 mit dem Eifel-Literaturpreis für sein Gesamtwerk und 2003 dem Ehrenglauser für seine Verdienste für die deutschsprachige Kriminalliteratur ausgezeichnet wurde.

Saarvoir assassiner - die saarländische Kunst des Mordens

Im Saarland als einem der kleinsten Bundesländer sind natürlich längst nicht dieselben räumlichen Ausmaße wie in der Eifel oder dem Gebiet um Köln gegeben, und auch die reine Menge der theoretisch "ermordbaren" Opfer und die der Verdächtigen ist wesentlich geringer als in anderen Ballungszentren des Regionalkrimis. Dennoch macht ein Name Anstalten, sich in der südwestlichen Krimilandschaft Deutschlands zu etablieren: Martin Conrath. Als gebürtiger Saarländer lässt er seinen Kriminalhauptkommissar Martin Bremer natürlich in der Heimat agieren und Mordfälle lösen.

Mit erst zwei Romanen, "Stahlglatt" aus dem Jahr 2004 und "Das schwarze Grab" von 2005, steckt Martin Bremer allerdings noch in den Ermittlungskinderschuhen. Im zweiten Buch, "Das schwarze Grab", findet der Leser nicht nur saarländische Orte und saarländische Mundart in Dialogen vor, sondern auch aktuelle Probleme, die das Bundesland plagen, nämlich die Problematik des Bergbaus und die daraus resultierende Situation von Bergarbeitern und Bergbaugegnern.

Die Figur Martin Bremer als ermittelnder Kommissar orientiert sich an dem Bild des klassischen Detektiv-Einzelgängers, der forsch und konsequent seinen Weg einschlägt und im Kampf gegen das Verbrechen keine Angst zeigt. Ihm zur Seite stehen sein Kollege Weber, Staatsanwalt Bellorz und sein Freund Zettler, Journalist bei der regionalen Tageszeitung; hinzu kommen einige weitere Mitarbeiter der Saarbrücker Polizei.

Weitere ländliche Verbrechen in Planung

Aufgrund seiner wachsenden Beliebtheit gibt es natürlich auch genug Beispiele für inhaltlich und stilistisch schwache Vertreter der Regionalkrimis, nicht jeder Roman dieser Gattung erreicht den qualitativen Durchschnitt der Kriminalliteratur. Das soll den Regionalkrimi in keiner Weise abwerten, denn seine Stärken liegen in den Aspekten, die den Lesern wichtig sind und über so manche Schwäche hinwegsehen lassen: Verbundenheit zur jeweiligen Region, die Probleme oder die Geschichte dieser Region, eine gewisse Vertrautheit des Lesers zu Schauplätzen und Lokalkolorit, das Entdecken der eigenen Heimat oder eines interessanten Landstrichs in Deutschland. Der Regionalkrimi jedenfalls wird so schnell nicht aussterben und eher weiter anwachsen.

Tina Klinkner