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Point-and-Click-Adventures 2010: Ein Rückblick

Die Gemeinde der Fans von Point-and-Click-Adventures speziell für den PC ist riesig – und sie kann nie genug bekommen. Die Ansprüche an ein gutes Spiel sind dabei mit den Jahren stetig gestiegen: Die Rätsel müssen knackig und logisch sein, dabei bloß nicht zu leicht; wahlweise sind pointierter Humor, möglichst mit vielen Insiderwitzen des Genres, oder aber Spannung und Mystery gefragt; die Grafik muss ebenfalls top sein – gerne comichaft bunt, dann aber bitte absolut außergewöhnlich, oder aber realistisch und lebensecht. Das Jahr 2010 war, adventure-mäßig gesehen, ein gutes Jahr mit vielen Neuerscheinungen, darunter viele lang erwartete Titel.

Haben die Point-and-Click-Adventures 2010 den hohen Anforderungen der Fans genügt? Ein Rückblick:

Drei Große räumen ab: Abenteuer, Mystery und Piraten-Humor

Drei der ganz Großen haben es in 2010 geschafft, die Aufmerksamkeit und uneingeschränkte Vorfreude der Fans schon lange vor der Veröffentlichung auf sich zu ziehen: "Lost Horizon" aus dem Hause Koch Media, "Gray Matter", präsentiert von dtp Entertainment, und "Tales of Monkey Island", herausgebracht von Daedalic Entertainment. So unterschiedlich die drei Spieletitel auch sind, so großartig sind sie alle!

Mit "Lost Horizon" präsentierten die Macher im August 2010 ein waschechtes Rätsel-Adventure ganz im Stil der legendären Indiana-Jones-Reihe. Der Spieler schlüpfte in die Rolle des charmanten und schlitzohrigen Abenteurers Fenton Paddock und wurde damit geradewegs ins Jahr 1936 versetzt.
Fenton musste im Spiel eine Reihe höchst gefährlicher Aufgaben lösen, die ihn und seine hübsche Mitstreiterin von Hongkong über Marrakesch, Berlin, Indien und Tibet führte. Mit von der Partie: Nazi-Verbrecher, mysteriöse Artefakte, ungeheuerliche Geheimnisse - alles ganz nach dem Geschmack von Fans der alten Lucas-Arts-Titel. Das Spiel schaffte es, die Rätselqualität und den Humor der alten Adventure-Klassiker mit einer sehr überzeugenden Grafik und einer spannenden Story zu verbinden. Eine tiefe Verbeugung vor dem Abenteuer-Kino vergangener Jahrzehnte und ein großes Spielvergnügen!

Ganz anders war die Atmosphäre in "Gray Matter" (November 2010) geraten, dem vielleicht am hoffnungsvollsten erwarteten Titel 2010.
Hier wurde es gruselig und übersinnlich: In der Rolle der jungen Zauberkünstlerin Samantha Everett fand man sich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände im Haus des mysteriösen Neurowissenschaftlers Dr. David Styles wieder. Über dem Anwesen mit dem passenden Namen "Dread Hill House" schwebte der Schatten von Davids verstorbener Ehefrau. Sams Aufgabe war es, eine Reihe äußerst unheimlicher Ereignisse aufzuklären, die Vergangenheit von Dr. Styles aufzudecken und außerdem die Aufnahmeprüfung einer Gesellschaft von Illusionisten zu bestehen. "Gray Matter" überzeugte auf ganzer Linie durch die atmosphärisch dichte, düstere Stimmung, die komplexe Hintergrundgeschichte und eine tolle Grafik. Einziger Kritikpunkt war, dass die Handlung sehr linear voranschritt und man bestimmte Ereignisse gezielt auslösen musste, was nicht immer logisch war. Dennoch ein Spiel, das die hohen Erwartungen definitiv erfüllen konnte.

Dritter im Bunde der großen Adventure-Hoffnungsträger in 2010 war "Tales of Monkey Island" – wobei das Spiel eigentlich kein echter Newcomer war. Die insgesamt fünf Episoden, die hier auf einer DVD versammelt sind, waren bereits länger als englischsprachige Downloads im Web erschienen. Die magischen Worte "Monkey Island" verhießen für die Spielergemeinde natürlich auch in diesem fünften Teil Piraten, Piraten und noch mehr Piraten, Schätze, miese Spelunken, wahnwitzige Abenteuer, viel Humor und an erster Stelle den Lieblings-Antihelden Guybrush Threepwood, eine echte Legende der Adventure-Geschichte. Trotz gewöhnungsbedürftiger Steuerung – man musste tatsächlich die Tastatur benutzen! – und etwas eigenwilliger 3D-Grafik konnte auch "Tales of Monkey Island" überzeugen. Sehr starke Rätsel, gewohnt chaotischer Humor und eine haarsträubende Story: für Fans von Guybrush Threepwood definitiv eine Empfehlung, die sich nach ein wenig Eingewöhnungszeit gewohnt gut spielte.

Auch die "Kleinen" wollen mitspielen!

Natürlich brachte 2010 nicht nur die oben genannten Kracher; auch eine Reihe kleinerer Produktionen kämpfte, mehr oder weniger erfolgreich, um die Gunst der verwöhnten Adventure-Zocker.

Mysteriös und nass wurde es im April 2010 in "Black Sails – Das Geisterschiff" (dtp Entertainment) - ein Spiel, das sich von der Umsetzung und auch vom Preis her irgendwo zwischen den "Großen" und den kleinen Spieletiteln bewegt.
Als junge Journalistin Anna, die es nach einem Unglück gemeinsam mit einem mürrischen Begleiter auf ein verlassenes Schiff verschlug, forschte man in der Vergangenheit und erkundete dabei ein unheimliches Schiff, inklusive geisterhafter Besatzung. "Black Sails" hinterließ einen durchwachsenen Eindruck – eine gute Story und recht gute Rätsel konnten sich nicht immer gegenüber der teilweise mittelmäßigen Grafik, der kurzen Spieldauer und dem etwas zu niedrigen Schwierigkeitsgrad durchsetzen.

Segel setzen hieß es dann auch im verdächtig ähnlich klingenden Titel
"Das Geheimnis des Geisterschiffs"
. Dagegen konnten die oben genannten "Black Sails" auf jeden Fall glänzen, denn "Das Geheimnis des Geisterschiffs" mischte in das Adventure-Prinzip einen großen, leider aber auch lieblosen Wimmelbild-Anteil, und das mit teils mieser Grafik und nerviger Dudelmusik. Schade, handelte es sich doch um den letzten Titel der bekannten Entwickler von "House of Tales", die mit Spielen wie "Overclocked" in der Vergangenheit einige Erfolge verbucht hatten. Ein eher maues Spiel, das aber immerhin für kleines Geld zu haben war.

Ungewöhnlich nach Point-and-Click-Maßstäben wurde es in "Darkness Within 2: Das dunkle Vermächtnis" (Koch Media), was viele Fans mit schlechten Kritiken quittierten. Zu Unrecht, denn das Spiel war eigentlich gut gemacht, atmosphärisch und spannend – nur eben gewöhnungsbedürftig, denn man bewegte sich im Stil eines First-Person-Shooters durch die unheimliche Szenerie, und das mit einem großen Anteil Tastatur-Steuerung. Durch die Augen des Kriminaldetektivs Howard Loreid erkundete man das unheimliche Städtchen Arkhamend - Lovecraft lässt grüßen! Wer dem Spiel eine Chance gab, konnte einige unterhaltsame und durchaus gruselige Stunden verbringen und eine große Verschwörung aufdecken.

Ausblick 2011: "Black Mirror III", "Haunted" und - endlich, vielleicht, doch nicht? - "Book of Unwritten Tales – Die Viehchroniken"

Das Jahr 2011 ist noch nicht besonders alt, doch bereits jetzt ist ein neues Adventure im Rennen um den Titel "Bestes Point-and-Click-Adventure des Jahres": Das bereits erschienene "Black Mirror III" (dtp Entertainment) ist ein ernstzunehmender Konkurrent für die Spiele, die noch kommen sollen.
Im dritten und wohl letzten Teil der äußerst erfolgreichen Horror-Serie geht es wieder rund in Willow Creek. Man schlüpft erneut in die Rolle von Protagonist Darren und muss sich direkt zu Beginn mit dem Vorwurf des mehrfachen Mordes und der Brandstiftung konfrontiert sehen, denn am Ende von Black Mirror II ging das Schloss in Flammen auf; die Handlung von Teil 3 setzt nur wenige Minuten später ein. Nun ist Darren erneut damit beschäftigt, den Fluch seines Vorfahren zu brechen – doch diesmal ist er selbst es, der vom Geist der bösen Gordons besessen ist. Gute Grafik, gute Rätsel, eine spannende Story, eine sehr natürliche Sprachausgabe und viele mysteriöse Geheimnisse: "Black Mirror III" überzeugt und hat im Vergleich mit Teil 2 definitiv die Nase vorn!

Weitere Titel, die für 2011 mit Spannung erwartet werden, sind auf jeden Fall "Haunted", "A Vampyre Story: Year One", "Alpha Polaris", "The Next Big Thing" und nicht zuletzt auch "Die Viehchroniken" – ein Ableger des genialen "The Book of Unwritten Tales". Angekündigt ist der Titel für Oktober 2011, doch das bleibt abzuwarten, wurde der Release ja schon mehrmals verschoben.




Weitere Adventure-Titel 2010, die in diesem Artikel nicht gesondert erwähnt wurden:

"Baphomets Fluch Trilogie" (mit Director's Cut von Teil 1)

"The Legend of Crystal Valley"

"Alchemia"

"Alter Ego"

"Drawn – Flucht aus der Dunkelheit"

"Hotel"

Christina Liebeck, 13.03.2011