Es ist schon ein Weilchen her, seitdem die ebenso produktive wie sympathische Autorin und Journalistin Claudia Kern ein auf drei Teile angelegtes Fantasy-Epos versprach. Und wer Frau Kerns bisherige Arbeiten - und deren zumeist hervorragende Qualität - kennt, der darf ruhig die Ansprüche etwas höher schrauben. Oder hat sich das Warten womöglich doch nicht gelohnt?

Es ist ein besonderer Tag für Ana, die einzige Tochter des Fürsten von Somerstorm. Schließlich steht ihr siebzehnter Geburtstag bevor, der gebührend zelebriert werden soll. Artisten, Gaukler und fahrendes Volk sind aus diesem Grunde von überall her eingetroffen, um mit ihren Darbietungen zu unterhalten und die Feier zu etwas Unvergesslichem zu machen.

Und Unvergesslich soll Anas Geburtstag auch werden, jedoch anders, als es sich die einzige Fürstentochter vorgestellt hat. Geheimnisvolle Gestaltwandler namens "Nachtschatten" - animalische Kreaturen, die ihr wahres Äußeres unter einer menschlich anmutenden Tarnung verborgen halten - stürmen Burg Somerstorm und richten ein blutiges Massaker an. Lediglich Ana gelingt, dank der Hilfe ihres Leibwächters Jonan, die Flucht. Im Glauben daran, dass die Nachtschatten ihre gesamte Familie getötet haben, beginnt nun für Ana eine Odyssee durch die Regionen des Landes Westfall, geprägt von ständigen Gefahren und dem Schatten des aufziehenden Krieges.

Was Ana jedoch nicht weiß, ist, dass es am Hofe der Somerstorms noch einen weiteren Überlebenden gegeben hat: Gerit, Anas Bruder. Nach wochenlangem Verstecken vor den nun herrschenden Nachtschatten wird der Fürstensohn schließlich doch entdeckt und fristet nun ein sklavenähnliches Dasein. Dabei kommt er nicht nur den Plänen der Nachtschatten auf die Schliche, sondern entdeckt auch Widersprüche in deren Vorhaben. Offensichtlich sind die Gestaltwandler gar nicht so barbarisch und blutrünstig wie angenommen. Oder ist das lediglich ein Trick, um Gerit auf die Seite des Feindes zu locken?

Gänzlich andere Sorgen plagen indes Anas Verlobten Rickard, seines Zeichens Sohn des Fürsten von Westfall, dem nichts lieber wäre, als Burg Somerstorm umgehend zu stürmen und der Vorherrschaft der Nachtschatten ein Ende zu bereiten - wären da nicht die Vorbehalte seines Vaters. Auch die Suche nach seiner Verlobten fällt in andere Hände - nämlich in die des jungen, verkrüppelten Gelehrten Craymorus, der sich ebenfalls bereits nach kurzer Zeit mit scheinbar unüberwindbaren Problemen konfrontiert sieht.

Währenddessen bereiten die Nachtschatten ihre erste Schlacht vor ...

Das Schöne an "Sturm" ist sicherlich die Tatsache, dass Claudia Kern Fantasy abgeliefert hat, die selbst all jenen gefallen dürfte, die ansonsten wenig oder gar nichts mit dem Genre haben anfangen können. Überraschend schmutzig und blutig kommt der erste Teil der Trilogie rüber, ein stellenweise geradezu erfrischender Unterschied zu den Werken der Konkurrenz, die nicht selten durch Pomp und typische Klischees auffallen, denn durch wahrlich originelle Ideen. Und was besagten letzten Punkt betrifft, so mangelt es in "Sturm" nicht an Überraschungen und unvorhergesehen Wendungen. Besonders die mysteriösen Nachtschatten schlagen in dieser Hinsicht ein ums andere Mal Haken und machen es unmöglich, sie als typische Bösewichter in eine Schublade zu stecken. Was sich jedoch während der Lektüre deutlich hervorhebt, ist die Tatsache, dass Kern offenbar noch einiges mit ihnen vorhat ...

Um noch mal auf die obige Frage zurückzukommen - das Warten hat sich definitiv gelohnt; mehr noch als das! "Sturm" ist zu einem Auftakt nach Maß geworden: spannend, einfallsreich und großartig geschrieben. Schade nur, dass zwischen Band 1 und der Fortsetzung geschlagene sechs Monate Wartezeit liegen ...