Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Donatien Alphonse François de Sade, verarmter französischer Landadliger des 18. Jahrhunderts, ist ein Verführer und Unhold, der seinesgleichen sucht. Ungehemmt nimmt er sich eine Frau nach der anderen - Konkubinen, Huren, Bettlerinnen -, und lässt nichts unversucht, um seine doch recht extremen sexuellen Gelüste zu erfüllen. Beinahe ein Drittel seines Lebens verbringt er in verschiedenen Kerkern als Strafe für seine Verbrechen: Er schlägt und peitscht junge Mädchen, er verabreicht ihnen halluzinogene Drogen, um sie gefügig zu machen, er schändet und verletzt sie, wobei er die Autorität und die Unantastbarkeit, die ihm sein Stand und seine entfernte Verwandtschaft mit dem König bringen, nach Belieben ausnutzt.
Später verfasst der Marquis de Sade, nicht nur im wörtlichen Sinne die Verkörperung des Sadismus, Werke wie "Die 120 Tage von Sodom" oder "Die Philosophie im Boudoir", in denen er nicht nur seine extremsten Ausmalungen dessen, wozu Menschen fähig sein können, sondern auch seine eigenen philosophischen Ansichten verarbeitet.
Die 21-jährige Renée-Pélagie de Montreuil trifft den jungen Marquis erst zwei Tage, bevor die beiden, wie ihre Familien es per Vertrag bestimmt haben, miteinander verheiratet werden. Das zurückhaltende Mädchen verliebt sich haltlos in den ihr an Erfahrung und Durchsetzungskraft deutlich überlegenen jungen Mann. Wogegen er ihre Ehe jedoch eher als leidige Notwendigkeit zu betrachten scheint, die ihn nicht im mindesten daran hindert, seinen vielfältigen und kostspieligen Vergnügungen nachzugehen, von denen ein großer Teil wohl besser im Dunkeln bleiben sollte.
Doch die junge Ehefrau, die die zentrale Rolle in diesem Roman spielt, lernt durchaus auch, sich durchzusetzen und ihren Platz an der Seite des Marquis zu finden. Sie bahnt sich ihren eigenen Weg in seine dunkle Welt und ist entschlossen, ihn zu lieben, egal was kommt.
Dafür gibt sie bereitwillig nicht nur ihr soziales Ansehen auf, sondern auch die Bande zu ihrer Familie. Sie schützt ihn und verteidigt ihn, räumt hinter ihm auf und eilt zu ihm, wenn er in Haft sitzt. Doch was erhält sie dafür im Gegenzug? Ist ein Mann wie der Marquis de Sade, der sich mit so vielen Frauen vergnügt, überhaupt in der Lage, eine einzige zu lieben? Nicht nur die Zeitgenossen der Marquise, die am Rande im Roman auftauchen, sondern auch der Leser fragt sich immer mehr, wie sie es schafft, es mit diesem Mann auszuhalten. Warum bleibt sie bei ihm, all die Jahre hindurch, wo eine mit ihrer Herkunft und ihrer Schönheit doch woanders hätte glücklich sein können?
"Die Marquise de Sade" ist ein durchaus fesselnder Bericht einer extremen Ehe. Dabei verwebt die Autorin gekonnt sachliche, biographische Elemente mit sinnlichen Beschreibungen. Sie fühlt sich in ihre Protagonistin, die Marquise, ein und legt deren Empfindungen und Sicht der Ereignisse offen. Es ist schon faszinierend, wie das zunächst schüchterne, von ihrer herrischen Mutter bestimmte Mädchen sich nach und nach zu behaupten lernt, wie sie für ihren Mann durch die Hölle geht und sich trotzdem von nichts und niemandem von seiner Seite abbringen lässt.
Teilweise ist diese Mischung aus Fakten und Fiktion jedoch auch etwas verwirrend: Was nun ist belegt und was dient nur der farbenfrohen Ausschmückung? Teilweise scheint sich die Autorin auch etwas in ihren oft weit ausschweifenden und poetischen Beschreibungen zu verlieren. Dann gibt es auf der anderen Seite unerwartete Zeitsprünge und Raffungen der Geschehnisse, die wohl auch der Spannung und Lesbarkeit dienen sollen. Teils erscheinen sie gerechtfertigt und teils eben nicht.
Insgesamt ist "Die Marquise de Sade" jedoch eine interessante und recht außergewöhnliche Biographie, die anregend und meist spannend zu lesen ist und Einblick in das Leben einer bisher wohl recht unbeachteten Persönlichkeit bietet.