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Ärgern Sie sich mal wieder über "die Politik"? Finden Sie, dass die groß angekündigten Wirtschaftsreformen nichts taugen? Dass die militärische Intervention im Irak dringend hätte unterbleiben sollen? Oder hätten Sie als militärischer Oberbefehlshaber sehr viel schneller für Frieden in der Region gesorgt?
"Supreme Ruler 2020" ist der ultimative Traum aller verhinderter Weltenlenker. Denn hier übernimmt der Spieler die komplette Macht über einen Staat - über Wirtschaft, Politik, Diplomatie, Handel, Spionage und Militär. Er steuert alle nur denkbaren Entwicklungen seines Musterstaats, entlässt seine Minister, krempelt die Innenpolitik um, schmiedet neue Bündnisse, sorgt für einen "Regime Change" im Nachbarland oder schickt U-Boote rund um den Erdball, um einen aufmüpfigen Diktator einzuschüchtern. "Supreme Ruler" ermöglicht all dies und noch mehr. Denn dieses Spiel, produziert von den Battlegoat Studios, ist ein Strategiemonster und die ultimative Herausforderung in Sachen Micromanagement.
Angesiedelt ist die Handlung in einem fiktiven Jahr 2020. Die großen Staaten sind weltweit zerfallen und haben einer ganzen Reihe kleinerer Nachfolgestaaten Platz gemacht. Diktaturen, Demokratien, Monarchien und sozialistische Arbeiterstaaten belauern sich gegenseitig; die diplomatische Situation ist nach mehreren Kriegen äußerst belastet, jederzeit kann das Pulverfass erneut hochgehen.
Nach dem Spielstart findet man sich auf einer weltumfassenden 3D-Karte wieder, die an eine Satellitenaufnahme erinnert. Grafisch wirkt diese eher schlicht, die geografischen Details sind eher abstrakt wiedergegeben; allerdings kann man stufenlos in die Karte hineinzoomen, was übrigens auch auf älteren Rechnern problemlos funktioniert. Der gewählte Staat verfügt über mehrere Städte und Industrieanlagen; Schienen zeigen die wichtigsten Verkehrsverbindungen an.
Über ein kreisförmiges Interface lassen sich die verschiedenen Ministerien ansteuern. In diesem wird über das Schicksal des Staates entschieden, in einer überbordenden Detailfülle. So lassen sich unter anderem die Ausgaben für Familienförderung, Sozialhilfe und Gesundheitswesen festlegen; der Forschungsminister beauftragt die Entwicklung neuer Technologien; Steuern werden für die verschiedenen Einkommensklassen herauf- und heruntergesetzt; Staatsanleihen werden gezeichnet, Export und Import gesteuert. Im Spionagemenü schleust man seine Agenten in das Nachbarland ein oder programmiert Satelliten, um den Gegner zu beobachten. Das alles läuft nicht in Runden, sondern in Echtzeit ab, so wie in vergleichbaren Spielen wie "Europa Universalis".
Der Bau von Industrieanlagen und Kasernen erfolgt per Mausklick auf der Hauptkarte. Diese ist von unsichtbaren (ab einblendbaren) Hexfeldern überzogen, und auf jedem lassen sich die unterschiedlichsten Einrichtungen anlegen. Zu beachten sind dabei Bodenschätze, Energieversorgung, Infrastruktur und besondere Faktoren wie der Tourismuswert - nicht jede Anlage macht an jedem Ort Sinn. Über das Kartenmenü lassen sich die einzelnen Faktoren ein- und ausblenden. Vor allem Kasernenanlage sind bedeutsam, denn in "Supreme Ruler 2020" gibt es flexible Grenzen, die von den Truppen nur dann verteidigt werden können, wenn diese klug stationiert sind. Denn bricht tatsächlich ein Krieg aus - was sehr wahrscheinlich ist - handeln die Panzer, Flugzeuge und Infantristen weitgehend autonom. Der Spieler steuert die Einheiten vor allem über Hotspots und Initativbefehle. Zwar kann er die KI ausschalten und auch alle Truppen selbst anweisen, doch dies wird schnell zur Frickelarbeit, da stets mehrere Klicks notwendig sind, um einen Befehl zu präzisieren. Nicht so schön ist, dass sich die Einheiten bei hohem Initativewert oft den Befehlen widersetzen und sich störrisch zeigen. Auch die Luftbrigaden handeln nicht immer so, wie sie sollen. Insgesamt ist die Spielmechanik wenig intuitiv, die Untermenüs verschachtelt und aufgebläht. Micromanagement in allen Ehren, aber das hätte besser gelöst werden können.
Eine Stärke hingegen - und zugleich Herz von "Supreme Ruler 2020" - ist das Diplomatiefenster. Hier kann man mit jedem Staat der Erde nahezu JEDEN Vertrag aushandeln, der sich denken lässt. Die Staaten tauschen Forschung gegen Exporte, schließen Friedens- und Beistandspakte und wechseln warme Worte und Warnungen. Die Möglichkeiten sind enorm. Nach einigen Spieljahren entstehen komplexe Bündnisgeflechte, die die Spieldynamik entscheidend verändern.
Die Komplexität ist es schließlich auch, die "Supreme Ruler 2020" ein Bein stellt. Der Zugang ist verwirrend, auch das Tutorial kann ihn nicht völlig auffangen; und selbst, wenn man die Grundmechanismen erlernt hat, bleiben manche Zusammenhänge unklar oder wirken sogar unausgereift. Hier dürften ein paar Patches Wunder wirken. Die Spielmotivation entwickelt sich zudem nicht über die Missionen oder länderspezifischen Besonderheiten, sondern muß selbst erarbeitet werden. Wer dazu bereit ist, entdeckt schnell den Reiz dieser Spielperle. Wie wäre es zum Beispiel, eine halsstarrige Diktatur in eine anerkannte Demokratie zu verwandeln, ohne vom Militär weggeputscht zu werden? Oder wie wäre es, sich als Präsident eines Zwergstaats mit den UN anzulegen und geschickt ein paar mächtige Blöcke gegeneinander ausspielen? Oder man macht sein gewähltes Land autark, widersteht den feindlichen Industriegiganten, die auf Rohstoffe lauern, dominiert den Weltmarkt und treibt einen Gegner durch Boykotte in den Ruin. Oder man bricht einen neuen Weltkrieg vom Zaun ... alles ist möglich.
Das Zukunftsszenario verschenkt allerdings etwas Potential, da die politischen Verhältnisse durchweg fiktiv sind. Eine zerfallene USA, ein wieder kommunistisches Russland und ein erneut geteiltes Deutschland erschweren es, sich in dieses Szenario einzufinden. Zum Glück wird die Vorgeschichte im gut aufgemachten Handbuch erzählt und sollte dort auch unbedingt gelesen werden.
Mit dem Kauf der Koch-Media-Box erhält der Spieler übrigens auch einen Code für den Download-Service Gamersgate. Mit diesem kann er das Spiel auch jederzeit von Gamersgate neu herunterladen - er hat neben der CD-Rom also auch eine stets verfügbare virtuelle Kopie. Dieses Modell ist wegweisend und ein dickes Plus; Publisher Paradox Interactiv zeigt sich hier kundenfreundlich.
Alles in allem kann man "Supreme Ruler 2020" nur eingefleischten Hardcorestrategen empfehlen, die keine Angst davor haben, sich in ein Spiel hereinzuarbeiten. Diese allerdings werden das Spiel lieben und über die grafischen und technischen Schwächen hinwegsehen. Denn unter der etwas fasrigen Schale steckt eine wahre Perle, die sich schnell zum Geheimtipp unter Strategiezockern entwickeln dürfte. Alle anderen sollten die exzellente Demoversion anspielen, die auf der Battlegoat-Seite (
http://www.battlegoat.com/) zu finden ist - und darin Italien wiedervereinigen. Viel Spass dabei!