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 Landeplatz der Engel


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Zwei Jungen. Mirco, das ist der eine: Schulabbrecher und Kleinkrimineller. Fabian, das ist der andere: Aus guter Familie stammend, sofern ein eiskalter Vater und eine hilflose Mutter als gute Familie bezeichnet werden können; er leidet unter dem Tourette-Syndrom.
Das Tourette-Syndrom zeichnet Fabians Leben. Eigentlich fühlt er sich nur in seiner Stammdisko vor den Boxen im Stroboskop-Licht wohl. Ansonsten ist sein Leben öde und schwierig. Die vielen Zwänge, die mit Tourette verbunden sind, machen Fabian zu einem absoluten Außenseiter. Sein Vater lehnt ihn ab.
Als Mirco und Fabian sich treffen, geschieht dies unter den denkbar ungünstigsten Umständen. Mirco denkt, Fabian wolle seine Freundin anmachen und verprügelt ihn. Doch Mircos Freundin, Sandra, ist deswegen so sauer auf Mirco, dass sie ihn vor die Tür setzt. Fabian streitet sich zur gleichen Zeit mit seinem Vater. Da sein Vater immer am längeren Hebel sitzt, haut Fabian ab. Zufälligerweise treffen sich die beiden Jungen erneut. Was vorher zwischen den beiden problematisch war, verbindet sie jetzt mehr und mehr: Fabians Ticks und Mircos schnodderige Art.
Damit beginnt für die beiden eine Zeit, in der sie nicht nur auf der Flucht vor sich selbst und ihrer Vergangenheit sind, sondern auch mehr und mehr eine Freundschaft entdecken, die so seltsam und ungewöhnlich ist, dass sie nur langsam und zögerlich diesen Weg beschreiten können. Während Mirco lange braucht, um sich einzugestehen, dass Fabian der einzige Jugendliche ist, der immer ehrlich zu ihm ist, entdeckt Fabian, dass sein Tourette-Syndrom nicht nur eine Behinderung ist, sondern auch ein Merkmal, das ihn einzigartig und in dieser Einzigartigkeit liebenswert machen kann.
Doch Fabians Vater, Mircos ehemalige Kumpanen und eine Menge Leute, die weder einen jugendlichen Behinderten noch einen jugendlichen Kleinkriminellen akzeptieren können, zwingen die beiden zu einer abenteuerlichen Flucht.

Landeplatz der Engel ist ein ungewöhnlicher Roman. Obwohl er für Jugendliche geschrieben wurde, kommt er ohne eine durchgehende Geschichte aus, ohne ein großes Ziel und ohne einen dramatischen Showdown. Trotzdem ist die Geschichte von Fabian und Mirco extrem spannend, ja, man ist schließlich enttäuscht, wenn der Roman zu Ende ist. Denn eines gelingt dem Autoren neben der hohen Spannung vorzüglich: Die beiden so sperrigen und fremden Jungen wachsen dem Leser ans Herz.
Das ist aber nicht der einzige Vorzug dieses Buches. Die Sprache, die Reifenberg benutzt, ist so unerhört, wie man es für ein Jugendbuch nur sagen kann, fast experimentell, und doch deutlich und einfach. Reifenberg erzählt das Geschehen aus zwei Perspektiven: Einmal aus der Sicht Fabians, der all das, was geschieht, direkt und ungebremst erlebt, einmal aus der Sicht Mircos, der zurückblickt und auf seine unbeholfene Art das Geschehen kommentiert. Dabei muss sich der Leser mit Fabians Denkzwängen und seiner spröden Art anfreunden, seine Behinderung zu schildern. Mehr aber noch muss er Mircos pubertären Jargon akzeptieren, der gewalttätig, pornografisch, zynisch und - in seltenen Momenten - sehnsuchtsvoll ist. Diese Sprache, ein wenig auch der Inhalt des Buches, hat mich an Rushdies Mitternachtskinder und die Satanischen Verse erinnert.
Mir wäre im Traum nicht eingefallen, dass dies ein gutes Jugendbuch sein könnte, hätte ich den Inhalt vorher gekannt. Aber es ist ein hervorragendes Jugendbuch und der Autor hat ein ehrgeiziges Vorhaben grandios umgesetzt.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. Juli 2008 | ISBN: 9783522178600 | Preis: 13,90 Euro | 253 Seiten | Sprache: Deutsch

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