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Zu behaupten, Howard Phillips Lovecraft hätte seine und die nachfolgenden Generationen von Schriftstellern des Phantastischen und Unheimlichen stark beeinflusst, käme der wohl größten Untertreibung der letzten Jahrhunderte gleich. Doch nicht jeder Kniefall vor dem "Einsiedler von Providence" und seinem unsterblichen Mythos um die
Großen Alten wird diesem gerecht. Die breite Palette an Werken, in denen Lovecrafts Einfluss unverkennbar mitschwingt, reicht von billigster Imitation über ansprechende Neuinterpretationen des Cthulhu-Mythos bis hin zu eigenständigen Werken, welche neben Spannung und konsequenter Plotentfaltung auch einen souveränen Cthulhu-Parcours zu ihren Vorzügen zählen. Richard L. Tierneys "Im Haus der Kröte" ist unbestritten in letztere Kategorie einzureihen.
Der US-amerikanische Abenteurer James Kerrick finanziert sein Leben mit wertvollen archäologischen Funden, welche er illegal außer Landes schaffen lässt und an dubiose Sammler verkauft. Im Auftrag des undurchsichtigen, aber hinsichtlich des Honorars überaus großzügigen Janus Cornelius Wassermann spürt er mysteriöse, scheinbar nicht von Menschenhand geschaffene Relikte in den Ruinen einer versunkenen Stadt im mexikanischen Urwald auf. Wassermann, der sich als Okkultist aus Überzeugung entpuppt, lädt den Schatzsucher aufgrund des erfolgreichen Ausgangs dieser Expedition auf seinen düsteren Landsitz nahe von Kerricks Geburtsort ein und versucht, ihn für nicht weiter definierte Geschäfte zu gewinnen. Schon bald merkt Kerrick, dass nicht nur Wassermann und sein Anwesen eine unheimliche Aura umgibt, denn die gesamte Kleinstadt scheint von einer mysteriösen Macht durchflutet, welche ihren Brennpunkt im Herrenhaus seines rätselhaften Gastgebers findet. Zusammen mit der Tochter seiner einstigen Jugendliebe macht er sich auf die Suche nach Antworten und gerät zwischen die Fronten finsterer Kulte, welchen einen sinistren Plan unvorstellbaren Ausmaßes verfolgen - und in welchem Kerrick eine gewichtige Rolle zuzukommen scheint …
Im Dezember 2004 erschien dieser Roman in deutscher Erstaufgabe in Frank Festas überaus beliebter Reihe "H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens". Eine begrenzte Auflage ließ jedoch nicht alle Interessierten in den Genuss von Tierneys fantastischem Thriller gelangen. Gottlob - ja, man kann es guten Gewissens so ausdrücken - hat der Festa-Verlag dieses Werk nicht in der Versenkung verschwinden lassen und ihm stattdessen einen Platz in der Reihe seiner Horror-Taschenbücher zugesprochen, wo sich der Autor hinter "Im Haus der Kröte" angesichts von Namen wie Dan Simmons, F. Paul Wilson und Graham Masterton in guter Gesellschaft befindet. Dass es Tierneys Roman verdient hat, neu aufgelegt zu werden, hat schon die Erstauflage im schmucken Hardcover bewiesen. All jene Liebhaber des Lovecraftesken, welchen die Lektüre des Buches - aus welchen Gründen auch immer - versagt geblieben ist, dürfen sich nun auf die Taschenbuchausgabe freuen und ihr Portemonnaie zücken.
Der Autor verzichtet darauf, auf den Zug einfallsloser Imitationen aufzuspringen und den Buchmarkt mit einer weiteren augenscheinlich lesenswerten Verbeugung vor H. P. Lovecraft unnötig zu belasten. Stattdessen darf sich der Leser auf einen durch und durch gelungenen Thriller freuen, der mit den Versatzstücken des Cthulhu-Mythos nicht nur hervorragend umzugehen weiß, sondern sie auch zu einem eigenständigen Mosaik zusammensetzt. So bedient sich Tierney gewiss des lovecraftschen Motiv- und Kreatureninventars, verneigt sich aber auch vor anderen bedeutenden Schriftstellern wie Edgar Allen Poe, Robert W. Chambers und Arthur Machen. Tierney ruht sich hierbei keineswegs auf Lovecrafts Lorbeeren aus, denn er ergänzt besagtes Mosaik, welches den mythischen Hintergrund seines Romans bildet, um zahlreiche weitere Aspekte, wie etwa die Mythologie vieler mesoamerikanischer Hochkulturen, beispielsweise jene der Azteken, Mayas oder Olmeken. Gewürzt wird das Ganze mit einem deftigen Schuss Okkultismus, Astrologie, New Age und ähnlich gearteten esoterischen Ideologien, ohne dass sich Tierney allerdings in ellenlangen Beschreibungen diversen mystischen Mumpitzes ergeht oder vom Pfad des fantastischen Thriller auf jenen des esoterischen Almanachs überwechselt. Zusätzlich bedient sich der Autor am Inventar historisch verbürgter Gestalten und Ereignisse und flechtet sie gekonnt in den Plot ein.
Die Handlung selbst ist exzellent konzipiert, die Spannung baut sich von der ersten Seite an auf, ohne ihre Fesseln im weiteren Verlauf des Romans auch nur einmal zu lockern, geschweige denn zu lösen. Einen nicht unwichtigen Beitrag hierfür liefert Tierneys Stil, welcher ein zwanzigseitiges Kapitel nicht selten in einem fließenden Erzählduktus allzu schnell am Leser vorbeiziehen lässt. Die Hintergründe der Protagonisten und ihrer unheimlichen Gegenspieler sind gut herausgearbeitet, lediglich die gigantische Verschwörung wirkt - sind ihre kosmischen Ausmaße erst einmal aufgedeckt - stellenweise doch etwas zu hoch angesetzt, wenn es darum geht, den Leser über die Rolle Wassermanns und der abscheulichen Grauen Eminenz hinter ihm aufzuklären. Auch gewinnt der Leser durch den Stil Tierneys zeitweilen den Eindruck, der Protagonist Kerrick wehre sich zu wenig gegen die rational nicht erklärbare Natur dieser Verschwörung, was jedoch nicht der Fall ist.
Auch der Verlag hat seine Hausaufgaben gemacht: Lektorat und Layout haben ihre Sache gut gemacht, das Covermotiv springt dem interessierten Leser ins Auge und spricht für den unheimlichen Grundtenor lovecraftesker Natur. Die deutsche Übersetzung von Martin Baresch scheint gelungen, dafür spricht zumindest der schon erwähnte flüssige Lesestrom; sollten böse Zungen doch etwas an Bareschs Übertragung auszusetzen haben, so kann dies nur bedeuten, dass sich die Lektüre des englischen Originals umso mehr lohnt. Zusätzlich belohnt der Festa-Verlag den Käufer mit einer siebenseitigen Leseprobe zu Graham Mastertons "Die Opferung" im Anhang.
Fazit: Mit "Im Haus der Kröte" legt Richard L. Tierney einen fesselnden fantastischen Thriller und eine gelungene Hommage an H. P. Lovecraft vor. Das Haus Festa hat gut daran getan, einer Neuauflage grünes Licht zu geben. Wer bisher noch nicht in den Genuss des Buches gekommen ist, sollte dies möglichst bald ändern - und sich nebenbei den Namen Tierneys für mögliche weitere lovecraftschen Leckerbissen vormerken.