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Seit der Lehrer und Literaturliebhaber Simon Heywood entlassen wurde, verbringt er seine freie Zeit eigentlich nur damit, sich selbst zu Grunde zu richten: Er trinkt, er lauscht den Geräuschen, die aus den umliegenden Wohnungen zu ihm dringen, und vor allem trauert er seiner Freundin aus Studententagen hinterher. Anna hat er seit zehn Jahren nicht gesehen und doch ihren Verlust niemals überwunden und sie nie vergessen können. Erst die junge Prostituierte Angela, die sich in Simon verliebt, hilft ihm, sein Leben vielleicht neu zu richten. Und auch der Psychiater Alex Klima, der von Simons Vater angeheuert wurde, kümmert sich um den verzweifelten jungen Mann und wird langsam sein Freund. Sie beide begreifen, dass Simon die ferne Anna, die längst geheiratet hat und Mutter geworden ist, eigentlich nicht loslassen kann, und sind doch außer Stande, ihm zu helfen.
Dann, eines Tages, begeht Simon eine wahnwitzige Tat: Er entführt Annas kleinen Sohn Sam nach der Schule, was einen unvorhersehbaren Strudel von Ereignissen nach sich zieht. Nicht nur Simon und seine Freunde werden davon erfasst, sondern auch Anna und ihr Ehemann Joe sowie dessen Kollege Dennis Mitchell.
Der Roman "Sieben Seiten der Wahrheit" erzählt die Geschichte der Tat und des darauf folgenden Prozesses aus sieben verschiedenen Perspektiven. Nacheinander erzählen Simon selbst, Alex Klima, Angela, Anna, ihr Ehemann Joe, dessen Kollege und Freund Dennis Mitchell und schließlich Alex Klimas Tochter Rachael ihre Versionen der Ereignisse. Jeder von ihnen erzählt die Geschichte dabei ein bisschen weiter und gibt dem Leser neue Aspekte, Beweggründe und Gefühle mit auf den Weg.
Das Bemerkenswerte an diesem Roman ist also nicht unbedingt die eigentliche Handlung, sondern mehr das Kennenlernen dieser so ganz unterschiedlichen Charaktere. Der Autor Elliot Perlmann schafft es, sich in jede der Personen einzufühlen, die alle in irgendeiner Weise angeschlagen sind.
So kann der Leser sowohl den poetischen, verzweifelten Simon nachempfinden als auch den geschäftsträchtigen, chauvinistischen Börsenmakler Joe, der sich nur an seinen Gewinn, seine Karriere klammert und gar nicht weiß, wie er mit diesem plötzlichen Schrecken, der Entführung seines Sohnes, umgehen soll. Genauso lernt man jedoch auch die Prostituierte Angela kennen, die aus einem lieblosen Elternhaus floh und die Simon gerettet hat. Was sie Simon antut, tut sie aus Liebe, gleichzeitig ist das vielleicht am Ende noch sein Verderben. Der von Wut erfüllte Analytiker Dennis Mitchell, der seine ganze Existenz vor seinen Augen in Brüche gehen sieht und dafür nur einen Schuldigen sucht, kommt ebenso zu Wort wie Anna, die in ihrer Ehe mit Joe wie erstarrt ist und zu verzweifeln droht, als ihr der Sohn, ihr letzter Halt, plötzlich genommen wird.
Diese Charaktere verletzen sich gegenseitig, lieben sich, misstrauen und hassen einander, sie verkennen die Qualitäten und Gefühle der jeweils anderen und lernen sich kennen. Auf diese Weise verrät der Roman viel über menschliches Zusammenleben und Beziehungen.
An das eher langsame Erzähltempo und gleichzeitig an die starke Authentizität des Romans muss man sich erst gewöhnen, was sich jedoch lohnt. Er gewinnt seine Spannung weniger aus dem eigentlichen Handlungsablauf, sondern mehr aus den immer neuen Blickwinkeln, die aufgezeigt werden, und ist damit wirklich außergewöhnlich. Dabei ist jedoch nicht zu leugnen, dass sich das Ganze auf über 850 Seiten dann doch etwas in die Länge ziehen kann und man als Leser nach einer Weile eben einfach wissen will, was denn nun weiter mit Simon und Co. geschieht. Das hält sich jedoch auch in Grenzen, da der Autor es schafft, sich trotz der verschiedenen Blickwinkel kaum zu wiederholen, sondern den Faden der Geschichte eben mit jeder Perspektive weiterzuspinnen.
Alles in allem ist der Roman, gerade wenn man sich als Leser auch ein bisschen für Psychologie und zwischenmenschliche Beziehungen interessiert, absolut lesenswert. Elliot Perlmann schreibt außergewöhnlich einfühlsam und die Lektüre wird einen garantiert nicht mehr so schnell loslassen.