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Fünf Zeugen. Nur fünf Menschen haben gesehen, wie der alte Mann überfahren wurde: ein Mann vom Obststand gegenüber. Ein Mofafahrer, der sehr nah hinter dem Unfallflucht gehenden Täter herfuhr, eine Krankenschwester von der anderen Straßenseite, ein Straßenkehrer und eine Frau, die aus der Gegenrichtung mit ihrem Auto abgefahren kam. Und das inmitten des dichten Gedränges der Vorweihnachtszeit mitten auf einer Einkaufsstraße in Mexiko-City. Eigentlich kein Fall, um den sich Kommissar Reyes länger als einige Minuten kümmern muss. In derselben Nacht haben fünfzig Autofahrer Unfallflucht begangen und zwölf Menschen kamen dabei zu Tode.
Doch der Kommissar ist für seine Ahnungen bekannt, ja berühmt. Irgendetwas stimmt nicht. Irgendein Detail, eine der Zeugenaussagen, etwas, das dem Kommissar unbewusst aufgefallen ist, lässt ihn die Akten nicht ablegen. Er erbittet vom Gerichtsmediziner weitere Untersuchungen und verlangt eine genauere Autopsie. Und kaum ist Reyes in der Pathologie, wird der Arzt fündig. Voller Entsetzen blicken die beiden Männer auf den Toten hinab und Reyes kommt zu dem Schluss, dass er sich den Tatort und die Zeugen doch etwas genauer ansehen muss.
Unter dem Pseudonym Arne Dahl wurde der schwedische Autor und Literaturwissenschaftler Jan Arnald weltberühmt. Seine Kriminalromane rund um die "A-Gruppe", einer Sonderermittlungsgruppe für Verbrechen von internationaler Tragweite unter der Leitung von Paul Hjelm, sind absolute Bestseller. Mittlerweile schreibt Dahl am elften Buch der Serie und ein Ende ist nicht abzusehen. Stilistisch herausragend, tiefgründig bis morbide, völlig unkonventionell und überraschend, gelingt es Dahl immer wieder, seine Leser in seinen Bann zu ziehen.
In "Das dritte Auge", einer seiner wenigen Kurzgeschichten, versucht er ein Schlaglicht auf einen Ermittler zu werfen, der seinen Intuitionen folgt und hinter einem scheinbar sehr einfachen, alltäglichen Fall das Monströse, das Schreckliche, das Unfassbare entdeckt. Die sehr kurze, bruchstückhafte Erzählung wird in dem Hörbuch ungekürzt von Markus H. Eberhard vorgetragen.
Dieser versucht, entsprechend den kryptischen, abgehackten, wie einem assoziativen Gedankenspiel angeordneten Sätzen einen Sinnzusammenhang zu geben. So wirkt er fast gedankenverloren, träumend, nachsinnend und immer wieder abschweifend - ganz so, wie Kommissar Reyes seine Ermittlungen führt. Dem kann der Hörer teilweise nur schwer folgen, versucht er doch in jedem Satz einen Sinn zu finden. Und zum Ende hin, wenn sich Sinn und Logik endgültig zu verabschieden scheinen und aus der scheinbar simplen Ermittlung fast ein Horror-Roman wird, verliert man völlig den Faden und fragt sich, was der Autor hier kreieren wollte - Mystery? Horror? Oder doch einen Krimi?
Nein, "Das dritte Auge" ist kein glänzender Beleg für die Fähigkeiten des Autors. Allenfalls eine interessante Fingerübung, die unbestimmt zwischen verschiedenen Genres pendelt, sich nicht entschließen kann, Stellung zu beziehen und im eigentlichen Wortsinn eine Kurzgeschichte ist. Sie ist kurz, knapp, wenig erhellend und am Ende arg überspannt. Dennoch sollte man, zumal wenn man die Romane und Hörbücher dieses Autors kennt, einmal hinein hören. Wie Dahl mit so wenigen Worten eine ganze Welt vor dem inneren Auge des Hörers entstehen lässt, ist schon meisterhaft - auch wenn das Ende nicht begeistern kann.