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Eine Demokratie lebt von mündigen Bürgern. Mündige Bürger wiederum müssen in der Lage sein, sich selbstständig und unabhängig eine Meinung zu bilden, und das erweist sich in unserer Zeit als ausgesprochen schwierig: nicht nur aufgrund der Flut an Informationen, der wir tagtäglich ausgesetzt sind, sondern auch, weil über die Medien häufig gezielt Fehlinformationen lanciert werden.
Der Kanadier Normand Baillargeon, Professor für Pädagogik, hat es sich zum Ziel gesetzt, über die Methoden jener zu informieren, die den Bürger bewusst oder - das kann ebenfalls vorkommen - versehentlich mit falschen Informationen versehen.
Der erste Teil seines Buchs dient dazu, einen "Werkzeugkasten des kritischen Denkers" zur Verfügung zu stellen. So geht es darin um die Macht des Wortes, denn schwammige Formulierungen, gezielt eingesetzte Doppeldeutigkeiten und Euphemismen, etwa im militärischen Bereich die Bezeichnung "Kollateralschäden" für "zivile Todesopfer", ja, selbst minimale Unterschiede in der Betonung eines Wortes oder Satzteils können manipulativ eingesetzt werden. Worthülsen lassen jede Interpretation zu. Manche Formulierungen ermöglichen auf den ersten Blick nicht erkennbare Diskriminierungen. Und selbst Fachleute lassen sich von selbstbewusst vorgetragenem Fachchinesisch überzeugen, obwohl sie, und erst recht der Bürger, der sich über wissenschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen informieren möchte, wie vom Sprecher beabsichtigt "Bahnhof" verstehen.
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Statistik und Mathematik. Denn durch Zahlen und Zahlenverhältnisse untermauerte Aussagen lassen sich nur mit etwas fachlichem Rüstzeug kritisch betrachten. Hierzu führt der Autor einige frappierende Beispiele an.
In diesem Kapitel werden auch die manipulativen Möglichkeiten von Grafiken betrachtet.
Im zweiten Teil, "Begründung von Überzeugungen", lernt der Leser, seine eigene Wahrnehmung und Erinnerung kritisch zu betrachten, die Präsentation von wissenschaftlichen und scheinwissenschaftlichen Daten zu überprüfen und die propagandistischen Methoden der Medien zu verstehen.
Baillargeons Buch ist gut verständlich, auch wenn mancher Leser zunächst vor den Ausflügen in die Logik, Mathematik und Statistik zurückschrecken wird. Alle Grundlagen zu einer kritischen Betrachtung der vom Bürger konsumierten Informationen werden anhand zahlreicher Beispiele anschaulich erklärt, auch Grafiken fehlen nicht. Ein bisschen Engagement und Zeit muss der mathematisch-statistisch unbedarfte Leser allerdings mitbringen.
Das Buch ist logisch aufgebaut und klar gegliedert wie ein Lehrgang, den es ja auch darstellen soll - mit Anregungen zu praktischen Ãœbungen des Erlernten.
Viele rhetorische Tricks wird der Leser im täglichen Leben rasch wieder erkennen, und auch die mathematischen und statistischen Tricks, manipulierte Grafiken eingeschlossen, findet man im Alltag recht häufig, etwa sinnlose Zahlenverhältnisse à la "fünfzig Prozent weniger Fett!" (im Vergleich wozu?) oder raffinierte Spreizungen der Y-Achse in Grafiken, die nicht vorhandene Trends aufzeigen sollen.
Dass der Autor manches Beispiel als Vehikel für seine persönlichen politischen Überzeugungen verwendet, kann der aufmerksame Leser leicht erkennen, ein Zeichen dafür, dass der "Crash-Kurs" Erfolg zeitigt. Über die fast ständige Präsenz von Knüppeln der Polizei von Québec in den Beispielen darf man sich seine eigene Meinung bilden, und ob man nach der Lektüre des entsprechenden Kapitels noch einen politisch völlig korrekten Satz hinbekommt - sofern man das als mündiger, kritischer Bürger überhaupt möchte -, scheint zweifelhaft.
Sei’s drum, der "Crash-Kurs intellektuelle Selbstverteidigung" ist insgesamt ein sehr gutes Buch für den bezüglich seiner Entscheidungen von Medieninformationen abhängigen Menschen: Das Wesentliche wird auf den Punkt gebracht, Fakten werden korrekt und anschaulich vermittelt, und Vorkenntnisse über die normale Schulbildung hinaus sind für die Lektüre nicht vonnöten.