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 Dungeons & Dragons Spielerhandbuch

Arkane, göttliche und kriegerische Helden / Rollenspiel-Grundegeln


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
Nun gibt es die vierte Edition von Dungeons & Dragons, dem bekanntesten Rollenspiel der Welt, dem Urvater des Rollenspiels. Traditionell der Taktik und dem Kampf gewidmet, bekommt D&D nun ein neues Gewand, das durchaus einige Anklänge an die Computerwelt und die populären MMOs à la "World of Warcraft" zeigt.

Nach einer kleinen Einführung ins Rollenspiel an sich gibt das Spielerhandbuch die Regeln für das vor, bei dem man am dringendsten eben dieses Buch braucht: Charaktererstellung. Wie geht das, was muss man bei Stufenaufstiegen machen, wo finde ich was?
Hier gibt es auch schon eine Erklärung zu den Gesinnungen, bei denen es die verschiedenen Richtungen nur noch abgeschwächt gibt, überhaupt wirkt die neue Einteilung ein bisschen halbherzig. Man hätte Gesinnungen durchaus ganz abschaffen können, aber das vorher eindeutige System hier und da zu beschneiden - es gibt keine chaotisch-gute oder rechtschaffen-böse Gesinnung mehr, die neutralen werden nicht mehr unterschieden - wirkt unklar und unausgereift.

Bei den "Rassen", dem nächsten Kapitel, gibt es den ersten deutlichen Unterschied zum bisherigen System - einen ganz inhaltlichen, denn es gibt neue Völker und andere fehlen. Die Gnome und Halb-Orks sind verschwunden, dafür gibt es Drachengeborene, quasi Halbdrachen, die ein bisschen wie aufrecht laufende Krokodile wirken, die Eladrin, so was wie Hochelfen, und Tieflinge - ein Volk, dessen Vorfahren einen Pakt mit der Hölle geschlossen haben. Und diese Änderungen sind noch nicht wirklich zu beurteilen, denn jetzt kommt ja die Frage, wie sie in die Kampagnenwelten zu integrieren sind: Es gibt bisher einfach weder Drachengeborene noch Tieflinge in größerer Zahl auf Eberron - und in Faerûn sind die Krokos auch noch nicht gesichtet worden. Eladrin sind da einfacher einzubauen, weil man einfach die Hochelfen zu Eladrin macht, während Wildelfen die neuen Elfen sind.

Das "Klassen"-Kapitel wirkt auf den ersten Blick sehr aufgebläht - allerdings ist das wenig verwunderlich, denn vieles aus den Talenten, aber vor allem so ziemlich alles aus dem Magie-Kapitel des 3.0/3.5-Systems ist hier eingeflossen.
Jede Klasse hat nun spezielle Fähigkeiten, die im Kampf eingesetzt werden. Und die sind alle direkt hier vor Ort. Offenbar teilen sich die Klassen keine Zauber mehr, weshalb ein eigener Teil mit den Zaubern der verschiedenen Klassen keinen Sinn mehr gemacht hätte. Die Veränderungen, die das System nun mitgemacht hat, sind hier am deutlichsten. Statt elf gibt es nur noch acht Charakterklassen - Mönche, Druiden, Barbaren und Barden sind raus, dafür ist der Kriegsherr hinzugekommen. Es gibt Rollen, die die Charaktere im Kampf übernehmen sollen. Kämpfer und Paladine sind zum Beispiel Verteidiger, und wer jetzt auf die Idee kommt, "Tank" zu sagen - ein Wort aus dem Bereich des Computerspiels -, der liegt nicht wirklich falsch. Der Taktiker - momentan eine Rolle, die nur der Magier einnehmen kann - sorgt für Flächenzauber und unterstützt von hinten. Dazu kommen noch Anführer, das sind Kriegsherren und Kleriker, die auch gleichzeitig heilen können, und die Stürmer, die den hauptsächlichen Schaden verursachen sollen. Das sind Waldläufer, Hexenmeister und Schurken - quasi die "Damagedealer".
Dabei erinnern Magier durchaus an die klassischen Magier, sind Schurken plötzlich viel wichtiger im Kampf und Waldläufer plötzlich auch mehr als die Naturklasse, und nebenbei können sie auch fast so viel Schaden verursachen wie Kämpfer und Barbaren. Die größte Änderung macht der Hexenmeister durch, der nun viel mehr dem Hexer entspricht, der bei D&D 3.5 eine zusätzliche Grundklasse war. Die neue Klasse, der Kriegsherr, hat interessante Fähigkeiten im Kampf, es fehlt allerdings der rollenspielerische Hintergrund. Jede Rolle, die ein solcher Charakter außerhalb des Kampfes füllen könnte, könnte ein Kämpfer ebenfalls spielen. Noch eine Änderung ist so umfassend wie problematisch: Die Rollen sind stärker eingeengt. Bisher musste ein Kämpfer nicht schwer gerüstet sein, sondern konnte durch cleveren Einsatz der Talente auch ein hervorragender Fernkämpfer sein, ein Pirat ohne Rüstung mit Einhandwaffe, aber natürlich auch die schwer gerüstete Dampframme. Auch Schurken, Kleriker und Magier hatten bisher eine große Menge sehr verschiedener rollenspielerischer Ausprägungen. Das neue System weist den Charakteren nun zwei bis drei vorgefertigte Rollen zu, viel mehr ist nicht - bisher war das System deutlich freier.

"Fertigkeiten" und "Talente" sind deutlich kürzer geraten, als sie das im alten System waren. Die Fertigkeiten sind dabei sehr nützlich vereinfacht worden. Da sind einige Sachen zusammengelegt worden, das ist hilfreich und sinnvoll - allerdings kann man Fertigkeiten nicht mehr steigern, entweder man hat sie oder nicht.
Die Talente sind nun die eigentlich einzige Möglichkeit für einen Charakter, ein wirklich eigenes Bild zu entwickeln. Die gibt es dafür aber auf jeder zweiten Stufe, viele davon sind rassen- oder klassenspezifisch, es gibt aber auch andere, die für eigentlich jede Charakterklasse einen gewissen Sinn machen.

In der Ausrüstung gibt es wiederum neue Zuordnungen verschiedener Waffen in Untergruppen. Die sinnvolle Änderung, dass kleine Charaktere Waffen trugen, die zu ihrer Größe passten, wurde wieder zurückgenommen, und die Unterscheidung in Hieb-, Stich- und Wuchtschaden gibt es auch nicht mehr - eine etwas grobe Vereinfachung. Ansonsten sind die Waffen recht ähnlich geblieben, auch die Schadenswerte sind nur minimal korrigiert. Dafür haben die Waffen nun Vorteile beim Angriffswurf, wenn sie besonders leicht zu führen sind, wie Säbel oder Rapiere. Bei den Rüstungen sind die Mali stark verringert worden, auch die Einschränkungen bei der Bewegungsrate sind minimalisiert - hier sind schwere Rüstungen auf einmal deutlich bevorzugt worden.

Im großen Kapitel "Kampf" gibt es gar nicht so viele Neuerungen zu entdecken, wer das D20-System in irgendeiner seiner Ausprägungen kennt, wird sich hier schnell auf vertrautem Boden wiederfinden. Es gibt ein paar Veränderungen - hier und da ist etwas verschlankt worden, zum Beispiel der Ringkampf, der bisher jeden Spielleiter das Fürchten lehrte und der dazu einlud, Monster mit Ringkampffertigkeiten einfach mal wegzulassen.
Und dann gibt es Rituale - eine völlige Neuerung. Rituale gibt es für jede Charakterklasse, und sie alle erfordern längere Zeit, meistens auch Hilfe durch Gruppenmitglieder, und gewähren außergewöhnliche Kunststücke. Einige der Rituale erinnern an frühere hochstufige Zauber von Magiern oder Klerikern, andere haben Wirkungen, die speziell zu einer Charakterklasse gehören. Kleriker und Magier sind automatisch Ritualanwender, andere Klassen müssen ein Talent wählen - dann müssen Rituale nur noch gemeistert werden. Und leider machen sie das Erwecken von Toten relativ einfach und preiswert.

Im Vergleich mit ihrem eigenen Vorgänger offenbart die vierte Edition von Dungeons & Dragons einige Nachteile, die sicher für viele langjährige Spieler gravierend sind. Für Neueinsteiger, die vielleicht auch noch ein bisschen MMO-Erfahrung haben und an taktisch kniffligen Kämpfen interessiert sind, wird es vielleicht sogar eine Offenbarung sein. Viele kleine Sonderregeln haben den Vorgänger sperrig gemacht, da macht das neue System vieles einfacher, sicherlich je nach Geschmack auch einiges zu einfach. Andererseits sind das viel knalligere Layout und die comichaften Illustrationen ja eh eine Abkehr von dem vielleicht ernsthafteren System der dritten Edition. Dieses neue System hat eine andere Zielgruppe, hier geht es um ein jüngeres Publikum, um ein bisschen mehr Action, ein anderes Image.

Bei jedem Rollenspielsystem geht es entweder in eine freie Richtung, die dann viele Sonderregeln braucht, oder in eine vereinfachte, die dann aber nicht so viele Freiheiten ermöglicht. Das Pendel ist bei D&D 4E in die letztere Richtung geschwungen. Allerdings kann man durchaus erwarten, dass diverse Ergänzungsbände mit der Zeit vieles wieder ermöglichen werden. Schon das Spielerhandbuch kündigt weitere Bücher seiner Art an, die dann auch verschwundene Klassen wie Druiden und Barbaren zurück ins Geschehen bringen werden.
Was momentan noch völlig fehlt, ist irgendeine Grundlage, aufgrund derer man jetzt losspielen könnte. Bis zumindest das Monsterbuch erscheint, ist das Spielerhandbuch nur theoretisch interessant, aber noch nicht in der Praxis anwendbar. Vielleicht gibt es ja zukünftig zumindest mal einen Download auf der Verlagsseite von Feder & Schwert, wo man sich ein paar Monster und Begegnungen für ein erstes Abenteuerchen abholen kann.

Ein Fazit ziehen ist da schwer. D&D ist anders geworden, hat eine neue Ausrichtung, die sich nun in der Praxis bewähren muss. Das Buch ist gut gemacht, ist sehr viel übersichtlicher geworden, wenn auch nicht unbedingt immer einfach zu verstehen. Insgesamt wirkt die Aufmachung weniger hochwertig als im Vorgänger, aber das ist hauptsächlich ein Stilunterschied, weniger eine Qualitätsfrage.

Holger Hennig



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