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In seltsamen Zeiten leben wir. Auf der einen Seite ist emotionale Echtheit ein stark eingeforderter Wert, auf der anderen Seite soll man überall seine Selbstpräsentation managen und da heißt es meist: Vorsicht vor offenen Gefühlen und Nabelschau. Was aber sind Gefühle? Wie entstehen sie situativ und wie verorten sie sich in der Evolution? Lassen sie sich verändern und wenn ja, wie? Kann man sie kontrollieren oder sogar - bei den unangenehmen - sie loswerden?
Mit all diesen Fragen beschäftigt sich auch die Emotionspsychologie. Diese Einführung gibt einen historischen Überblick. Deren erster Band liegt hier in einer überarbeiteten zweiten Auflage vor; er gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel gibt eine generelle Zusammenfassung des Forschungsgebiets. Das zweite Kapitel stellt die klassisch-behavioristische Theorie der Emotionen vor. Im dritten Kapitel erhalten William James und seine Nachfolger das Wort. Mit den kognitiv-physiologischen Theorien schließt dieser Band mit dem vierten Kapitel ab.
Wer sich mit Emotionen wissenschaftlich beschäftigt, kommt nicht umhin, diese zuallererst zu definieren. Dies wird im ersten Kapitel geleistet. Zwar betonen die Autoren, dass es sich um eine Arbeitsdefinition handelt, die nicht mehr sein will als eben eine Arbeitsdefinition. Aber wer sich ein wenig in der populärwissenschaftlichen Literatur umgesehen hat, wird hier einen wohltuenden Unterschied feststellen. Trotz aller Vorsicht bei der Definition gehen die Erklärungen in die Tiefe und nicht in eine diffuse Breite.
Emotionen sind demnach: 1. aktuelle psychische Zustände von Personen, 2. von Qualität, Intensität und Dauer, 3. objektgerichtet, wobei ein Objekt eine reale oder fiktive Repräsentation ist.
Anhand der historischen Strömungen der Emotionspsychologie arbeiten die Autoren zentrale Fragestellungen dieser Disziplin heraus und stellen in einer Übersicht ihre Hauptströmungen vor.
Die Emotionspsychologie ist genau betrachtet ein sehr altes Fachgebiet. Schon die antike Rhetorik vereinnahmte ihre Gesetzlichkeiten; die Höflingsliteratur verarbeitete ihre Aspekte unsystematisch zu Maximen; wenn man Nietzsche liest, liest man einen Philosophen, der sich mit den menschlichen Zuständen differenziert auseinandergesetzt hat. Eine der ersten großen Revolutionen ganz aus dem Fachgebiet der Psychologie heraus war der Behaviorismus. Dieser wurde maßgeblich durch John Watson initiiert. Ihm und seinen Nachfolgern ist das zweite Kapitel gewidmet. Bei Watson wie bei allen behavioristischen Experimenten dreht sich alles um die Frage der Beobachtbarkeit und ob sich durch bestimmte Verknüpfungen von Reizen bestimmte Verhaltensänderungen erzielen lassen - man denke an den Pawlowschen Hund, an Huxleys Schöne neue Welt oder an Ratten im Labyrinth. Trotz zahlreicher berechtigter Kritiken hat der Behaviorismus einige wesentliche Neuerungen für die Emotionspsychologie gebracht, die sich bis heute nicht gut widerlegen lassen. Der Mensch ist zum Beispiel disponiert dafür, bestimmte Reize mit Angst zu belegen, andere dagegen nicht. So lässt sich die Angst vor Schlangen fast natürlich erzeugen, während sich Menschen selbst unter harschen Testbedingungen weigern, Phobien gegen Blumen oder kaputte Computerplatinen zu entwickeln. So führt der Behaviorismus in die moderne Ausprägung der Emotionspsychologie, zum Teil dadurch, dass man ihn bestätigt gefunden hat, zum Teil dadurch, dass man ihn scharf und begründet widerlegen musste.
Während John Watson vor allem um die Beobachtbarkeit und damit um die Wissenschaftlichkeit besorgt ist, zeichnet sich William James’ Theorie durch eine starke Introspektion aus. Seine Theorie ist Thema des dritten Kapitels. James’ Neuerung ist dabei aber nicht die Introspektion selbst, sondern die Umkehr von physiologischen Reizen und Gefühlen. Geht man landläufig davon aus, dass Gefühle zu bestimmten inneren Zuständen, zu Mimik und Gestik führen, so behauptet James, dass es genau umgekehrt sei. Erst der entsprechende physiologische Zustand verursacht bestimmte Gefühle. Zwar gab es starke Kritiken an dieser Theorie; doch erstens war nicht James es, der diese Umkehr aufgestellt hat. Tatsächlich geistert sie seit Aristoteles durch die abendländische Philosophie. Und zweitens können neuere Untersuchungen belegen, dass zum Beispiel ein willkürliches Verändern der Gesichtsmuskeln zwar nicht notwendig zu anderen Gefühlen führt, aber die Chance auf eine Gefühlsänderung in Richtung des Gesichtsausdrucks vergrößert. Mit anderen Worten: Wer viel lächelt, ist eher ein fröhlicher Mensch.
Die aktuellste Theorie der Emotionen, zumindest diejenige, die sich derzeit auch massiv in populärwissenschaftlichen Werken niederschlägt, ist die kognitiv-physiologische Theorie. Hier werden Emotionen als Begleiterscheinungen von kognitiven und körperlichen Prozessen betrachtet. Diese vom amerikanischen Psychologen Stanley Schachter maßgeblich beeinflusste Theorie wird im vierten Kapitel vorgestellt. Schachter geht im Prinzip von einer falschen Bewertung der Situation aus: Wer körperliche Veränderungen falsch bewertet, indem er sie zum Beispiel vollkommen in die Umwelt verlagert, kommt nicht mehr zu einem rational handhabbaren Ergebnis. In manchen Fällen ist das angenehm, wie zum Beispiel bei der Verliebtheit, in anderen Fällen aber unangenehm bis unerträglich, wie zum Beispiel bei Panikstörungen. Einflussreich ist diese Theorie auch deshalb, weil sie teilweise sehr erfolgreiche Behandlungen von emotionalen Störungen initiiert hat. Trotzdem sind ihre Ergebnisse nur bedingt wissenschaftlich belegt. Nach Schachters einflussreichen Experimenten konnten Wiederholungen nicht die Ergebnisse reproduzieren.
Man ist ja allerlei gewöhnt aus der populärwissenschaftlichen Literatur, von kruden Behauptungen bis zu hervorragenden Darstellungen. Populärwissenschaftlich heißt ja auch, dass sich hier jemand um eine allgemeinverständliche Darstellung bemüht hat. Ob sie dann noch wissenschaftlich ist, sei dahingestellt. Natürlich ist diese Einführung nicht populärwissenschaftlich. Hervorragend geschrieben ist sie trotzdem. Deshalb dürfte ihr Problem für den interessierten Laien eher darin liegen, dass sie die Ansätze der Emotionspsychologie problematisiert und keine alltagstauglichen Anwendungen bereit stellt.
Den Leser erwartet hier eine sehr fundierte historische Übersicht, eine gute Abgrenzung der einzelnen Strömungen innerhalb der Emotionspsychologie und eine knappe, sachliche Darstellung der Kernthesen. Sehr positiv ist hier das erste Kapitel, das neben der Einführung auch sehr deutlich auf die Möglichkeiten wissenschaftlicher Darstellung eingeht. Die Autoren versprechen eben nicht, wie dies leider im heutigen Wissenschaftsbetrieb durchaus üblich ist, das Neueste vom Neuesten und das Bunteste vom Buntesten. Dafür findet der Leser eine sachliche Auseinandersetzung, die kritisch nach den Grenzen der Theorie, des Experiments und der Beschreibbarkeit fragt.
Wissenschaftlichkeit, Lesbarkeit - das sind eindeutig die Vorzüge dieses Buches. Es wendet sich vor allem an Studierende dieses Fachgebietes und interessierte Laien. Aber auch Quereinsteiger sind mit diesem Buch gut beraten.