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 Einführung in die Emotionspsychologie, Band III

Kognitive Emotionstheorien


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Der dritte und abschließende Band der Einführung in die Emotionspsychologie befasst sich mit den sogenannten kognitiven Emotionstheorien. Hatte der erste Band einflussreiche Begründer verschiedener Strömungen dieser Disziplin und der zweite Band die evolutiven Emotionstheorien vorgestellt, geht es hier explizit um die Verbindung zwischen aktuellen Kognitionen und der Funktion, die Emotionen dabei spielen können. In vier Kapiteln wird dieser Sachverhalt beleuchtet.

Schon das erste Kapitel kann in seinem Thema nicht glücklicher gewählt sein. Es beschäftigt sich mit den Theorien Meinongs. Meinong war Schüler von Franz Brentano. Aus Brentanos Lehre ist auch eine andere Strömung hervorgegangen, die wesentlich bekannter ist, die der Phänomenologie. Husserl arbeitete mit Brentano zusammen. Meinong selbst wurde vielfach zitiert, unter anderem von Lewis Carroll und von Ludwig Wittgenstein. Zu Unrecht ist er vergessen, wie die Autoren hier sehr ausdrücklich vor Augen führen.
Meinong folgt seinem Lehrer Brentano, wenn er die Bewusstseinszustände als intentional bezeichnet. Intentional heißt in diesem Fall, dass sie objektgerichtet sind. Daraus ergibt sich, dass sich auch die Emotionen auf ein Objekt richten. Meinong folgert daraus, dass man die kognitiven Grundlagen der Emotionen klären müsse. Er unterscheidet demnach zunächst nicht die einzelnen Gefühlstypen, sondern die Art ihrer Objektgerichtetheit. Dies ist zum einen, ob die Gefühle sich auf ein reales oder als real angenommenes Objekt richten, oder ob dieses Objekt als fiktives gesetzt wird. Zum anderen gilt die Objektgerichtetheit einem Gegenstand oder Einzelding (etwa einer Spinne), oder einem Sachverhalt, beziehungsweise Ereignis (zum Beispiel ein Kinobesuch).

Letztlich ist Meinongs Theorie eine Theorie der Werturteile. Werturteile basierten seiner Ansicht nach immer auf emotionalen und motivationalen Faktoren. Da Werturteile informieren, das heißt Unterschiede machen, tragen Emotionen bereits diese Informationsfunktion in sich. Gefühle seien "primäre Werterlebnisse".
Meinongs Theorie erlebte in den 70ern des letzten Jahrhunderts eine Renaissance. Abschließend stellt das erste Kapitel einige Diskussionen und empirische Forschungen dazu vor.
Im zweiten Kapitel stellen die Autoren die Emotionstheorien von Arnold und Lazarus vor. Arnolds Theorie nimmt zunächst den gleichen Ausgangsort ein wie Meinong. Ihrer Meinung nach sind Emotionen das Erleben von Handlungstendenzen, also der bewusste Ausdruck von noch nicht bewussten Handlungsabfolgen. Handlungstendenzen selbst werden durch die Einschätzung einer Situation ausgelöst. Diese Einschätzungen sind in ihrer Disposition durch die Evolution herauskristallisiert worden. Das heißt, dass es durch die Entwicklung der menschlichen Gattung bestimmte häufige und bestimmte eher unwahrscheinliche Emotionen gibt. Grundsätzlich sollen, nach Arnold, diese Emotionen dann den Übergang von einer Einschätzung der Situation zu einer Handlung bilden. Allerdings seien die Gefühle heute nicht mehr adaptiv, das heißt, sie hätten ihre Anpassungsleistung weitestgehend verloren.

Im Weiteren untersucht Arnold bestimmte Dimensionen dieser Einschätzungen und wie diese Dimensionen an der Entstehung bestimmter Emotionen beteiligt sind. So gibt es oft eine ganz grundsätzliche Bewertung, ob ein Sachverhalt positiv oder negativ ist. Dann spielt zum Beispiel eine Rolle, wie wahrscheinlich ein Sachverhalt eintritt und wie sicher man ihn erreichen oder vermeiden kann.
Lazarus, der ebenfalls hier im zweiten Kapitel vorgestellt wird, argumentiert ähnlich wie Arnold. Er postuliert allerdings zwei Phasen der Einschätzung, einmal die Bewertung eines gleichsam statischen Ereignisses und einmal die Einschätzung der Bewältigungsmöglichkeit dieses Ereignisses. Lazarus betrachtet ferner die Emotion nicht als Reaktion auf eine Situation, sondern postuliert eine engere Verknüpfung zwischen diesen: Kognitive Einschätzungen der Situation, emotionales Erleben, Handlungstendenzen und körperliche Reaktionen bilden zusammen ein Reaktionssyndrom, das heißt ein organisiertes Muster von psychischen und physischen Reaktionen. Emotionale Syndrome seien Strategien zur Bewältigung von motivrelevanten Situationen.

Das dritte Kapitel ist der Theorie Weiners gewidmet. Weiner stützt sich in vielen Aspekten auf Fritz Heider, der die Grundlagen für die moderne Attributionstheorie gelegt hat. Wie Arnold und Lazarus sieht Weiner die Emotion als ein Syndrom an, das sich auf kognitive Prozesse stützt. Dies sind vor allem Prozesse der Zuschreibung (englisch: attribution). Zuschreibungen sind wiederum vor allem Kausalzuschreibungen, also Ursache-Wirkungsfolgen; die Emotionen dazu entstehen durch subjektive Einschätzungen, ob die kausalen Abfolgen vorhersehbar, kontrollierbar sind, ob sie rückgängig gemacht werden können, ob sie angenehm oder unangenehm sind, ob sie wiederholbar sind. Weiner geht übrigens davon aus, dass die Entstehung von Emotionen zunächst bewusst verläuft. Erst Reaktivierungen erfolgen dann zunehmend unbewusst. Die Autoren beschreiben weiter Weiners Klassifikation von Gefühlen und die empirische Überprüfung von Weiners Theorie.

Abschließend bildet die Theorie von Ortony, Clore und Collins das Thema des vierten Kapitels. Diese Theorie teilt die Emotionen in drei Gruppen ein, in ereignisfundierte, handlungsfundierte und objektfundierte. Dabei stehen jeweils unterschiedliche kognitive Fähigkeiten als Basis für den entsprechenden Typ der Emotion. Besonders wichtig ist dabei, dass eine Emotion aus einer Wahrnehmung/ersten kognitiven Verarbeitung ein personales Verhältnis macht, oder - wie es in der Philosophie heißt - aus einem Objekt-an-sich wird ein Objekt-für-mich. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist, dass ein solches personales Verhältnis handlungsrelevant ist, also der Verhaltenssteuerung dient. Die Spinne-an-sich ist für mich nicht bedeutsam; aber die Spinne-für-mich wird mit bestimmten Emotionen belegt, aufgrund deren ich mich entscheide, ob ich mit einem Buch nach ihr schlage oder sie mittels eines Papiers nach draußen befördere.

Zum Abschluss des vierten Kapitels werden die kognitiven Emotionstheorien noch einmal einer kritischen Würdigung und einem Vergleich untereinander unterzogen. Dabei ist eine der wichtigsten Vorteile, dass diese Theorien sehr flexibel sind und ein breites Spektrum emotionaler Reaktionen wissenschaftlich abbilden können.

Wie die beiden ersten Bände ist auch dieser Band aus einer breiten und tiefen Kenntnis der Materie hervorgegangen. Sehr souverän schildern die Autoren Aspekte, Abzweigungen, Experimente, Kritiken und Weiterentwicklungen der verschiedenen Theorien. Dabei bleibt der Schreibstil klar, fast schlicht. Begriffe werden deutlich und allgemeinverständlich eingeführt. Um einen Sachverhalt zu illustrieren, scheuen sich die Autoren nicht, diesen dann ganz in der Alltagssprache zu schildern. Einführung in die Emotionspsychologie, das steht auf den Büchern, verständliche Wissenschaft, das bekommt der Leser außerdem, und zwar abseits populärwissenschaftlichen Aufblähungen. Den Unterschied merkt man vor allem daran, dass die Ergebnisse der Forschung nicht Sensations heischend präsentiert werden, und dass die praktische Relevanz kritisch betrachtet wird. Der Leser muss sich letzten Endes doch selbst ein Urteil bilden.
Ein vorzügliches Buch also, und ein würdiger Abschluss eines hervorragenden Lehrwerks.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2003 | ISBN: 9783456836454 | Preis: 19,95 Euro | 189 Seiten | Sprache: Deutsch

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