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 Die Insel des Magiers


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Der Streit zwischen Mutter und Tochter dreht sich um die drohende Verheiratung des jungen Mädchens mit einem ihr unbekannten Mann; ein im mittelalterlichen Neapel völlig normaler Vorgang. Die Mutter ist müde und beendet schließlich den Disput mit ihrem Rückzug in die Schlafgemächer. Sie ist die "Königin von Neapel" und nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes noch geschwächt.
Währenddessen treibt sich ein monströses Wesen durch die Gassen der Stadt. Gelbe, glühende Augen und eine ungeheure Kraft zeichnen ihn aus. Dämonengleich schleicht er durch Neapel. Er ist auf der Suche nach Miranda und deren Vater Prosperus, den er töten will. Eben jene Miranda, die heute die Königin von Neapel ist.
Er klettert ohne Mühe an der Fassade des Palastes empor, überwältigt eine Wache und dringt ins Schlafgemach von Miranda ein. Sie ist allein und blickt voller Entsetzen in die Fratze des Monsters.
"Kaliban" flüstert sie. Sie hat ihn erkannt, den damals kleinen, menschenähnlichen Sklaven ihres Vaters, den sie vor zwanzig Jahren auf einer einsamen und menschenleeren Insel, auf die sie und ihr Vater verbannt wurden, zurückgelassen haben. Er will Rache, doch ihr Vater, eigentliches Ziel seiner zwanzigjährigen Suche, ist tot.
Tief enttäuscht und rasend vor Wut ist sein neues Opfer Miranda. Sie muss in dieser Nacht sterben. Doch vorher soll sie erfahren, was Prospero ihm angetan hat. Vorher will er seine Geschichte erzählen, sein Schicksal in seiner ganzen Grausamkeit und Verzweiflung Miranda darlegen. Dann soll sie sterben!
Kaliban wuchs in völliger Einsamkeit auf. Seine Mutter, der Hexerei angeklagt und ihrer Zunge beraubt, war der einzige Mensch, den es für ihn gab. Ohne Sprache und mit ihr, die ihn liebte und schlug, wuchs er auf. Die Insel bot ihnen genug zum Überleben. Gottgleich wachte und befahl sie über ihn, er kannte es nicht anders. Erst bei ihrem plötzlichen Tod, er war gerade etwa zehn Jahre alt, spürte er ihren wahren Wert: Sie war alles, was er hatte - nichts blieb übrig. Doch er war eins mit sich und der Natur, hatte keine Sprache, keine Wörter, keine Gedanken. Fels war gleich Wasser, gleich Vogel und Sonne - nichts war benannt, nichts hatte Bedeutung.
Bis Prospero und Miranda auf der Insel eintrafen. Ohne es je verstanden zu haben, auch deshalb war er in dieser Nacht nach Neapel gekommen, hatte Prospero ihn angelockt und ihn an sich gefesselt. Nicht durch Seile, sondern viel fester und sicherer durch sein Wissen, seine Magie, seine Anwesenheit. Doch warum hatte Prospero ihn um sein Leben betrogen und ihm ein ungleich schlimmeres, ein bewusstes Leben gegeben? In dieser einen Nacht musste er es wissen, bevor er Miranda töten würde!

Dieses Buch ist in seiner Art einmalig. Tad Williams hat ein Kleinod geschrieben, das so gar nicht zu seinen Büchern und Epen passt. Es ist eine kleine, philosophische Geschichte über "den ersten Menschen" - über Bewusstsein und Schuld, Rache und Liebe.

Die Geschichte beginnt wie ein kleines Fantasy-Märchen und ist doch mehr. Sie gibt Einblick in eine verletzte Seele, Einblick in die Unschuld des Unwissenden, wenn man ihm die Bedeutungen der Dinge und der Welt gibt und ihn damit allein lässt.

Die Geschichte ist eine wundervoll gefühlvolle Parabel über das Ende der Kindheit, das Ende der Unschuld. Mit sicherem Gespür für die Metaebene dieser Geschichte (und ihre Überhöhung) dramatisiert Tad Williams die Gefühle der Beteiligten durch Fantasy-Elemente. Der Mensch wird zum Dämon, der seine Ausgestoßenheit viel deutlicher zu spüren bekommt, als es ein normaler Mensch könnte, und er beraubt dieses Wesen seines Fokusses: der Rache Täter! Auch dies ist eine perfekte Inszenierung, denn die Bewusstwerdung des Menschen verläuft ohne einen Schuldigen und lässt sich nicht auf eine Ursache oder Person zurückführen.

Dieses Buch beeindruckt zutiefst. Ein kleines Fantasybuch entpuppt sich als geniale Parabel über die Menschwerdung, über den Segen und den Fluch der Bewusstwerdung.
Auch wer Fantasy nicht unbedingt mag: Dieses Buch ist wunderbar und verdient eine breite Öffentlichkeit!

Stefan Erlemann



Taschenbuch | Erschienen: 1. August 2005 | ISBN: 9783423208284 | Originaltitel: Caliban's Hour | Preis: 6,90 Euro | 237 Seiten | Sprache: Deutsch

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