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 WASP


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


M. Night Shyamalan lässt grüßen: Über Nacht ist auf einer Insel vor der deutschen Küste wie aus dem Nichts ein Kornkreis auf dem Feld des Bauern Ehrlicher aufgetaucht. Der jugendliche Journalist Wayne Müller soll diesem angeblichen Streich von Jugendlichen auf den Grund gehen und chartert zu diesem Zweck einen Hubschrauber. Doch direkt über dem Kornkreis angelangt, kann der Pilot nur knapp eine Katastrophe verhindern, als die gesamte Elektronik ausfällt und der Helikopter abzustürzen droht. Zusammen mit Patrizia, der Tochter des Piloten und einer glühenden Umweltschützerin, macht sich Wayne daran, das Rätsel hinter dem Kornkreis zu entschlüsseln, und sticht im Zuge seiner Nachforschungen im wahrsten Sinne des Wortes in ein gigantisches Wespennest, scheint es doch eine Verbindung zwischen dem Kornkreis und den scheinbar verrückt spielenden Bienen und Wespen, die vermehrt auf der Insel auftauchen, zu geben. Schnell wird klar, dass nicht nur die Insel von diesen unheimlichen Vorgängen bedroht wird. Doch des Rätsels Lösung scheint untrennbar mit dem Hof des undurchsichtigen Ehrlicher und einer Bohrinsel wenige Kilometer von der Insel entfernt verknüpft zu sein. Und welche Rolle spielt der dubiose Gründer des World Animal Safety Project - kurz: WASP - in diesem apokalyptischen Spiel?

Mit "WASP" greift Wolfgang Hohlbein auf Materie zurück, welche in den letzten Jahren schon mehrmals von der Unterhaltungsindustrie missbraucht worden ist: die Rache von Mutter Natur an der Menschheit. Doch von abgekupferten Konzepten und Ideen nach dem Copy-and-Paste-Prinzip fehlt beim neuesten Streich des deutschen King of Fantasy jede Spur, denn dafür waren seine Recherchen wohl einfach zu fruchtbar. Ins Zentrum seines Romans stellt Hohlbein das brandaktuelle Phänomen des Bienensterbens und verknüpft einzelne Versatzstücke zu einem mysteriösen Mosaik, hinter dem nichts Geringeres als der Untergang der Menschheit lauert. Er macht hierbei den Leser mit allerlei Thesen zu beunruhigenden Gegenständen wie etwa dem schon erwähnten Bienensterben bekannt und verflechtet das Ganze mit einem Schuss Mysteriösen, etwa in Form von Kornkreisen oder rätselhaften Träumen, denen der Protagonist auf schmerzliche Weise einen gewissen Realitätsfaktor zusprechen muss. Das Ergebnis ist eine Mischung aus spannendem Mystery-Roman, beklemmendem Öko-Thriller und - dank einem Umfang von 960 Seiten - einer unnötig hohen Mitverantwortung am Verschwinden des Urwaldes.

Wolfgang Hohlbein ist Deutschlands unbestrittener Auflagenmillionär in den Bereichen Fantasy und Horror, doch fasste die Kritik - zuweilen nicht zu Unrecht - seine jüngsten Werke nicht immer mit Glacéhandschuhen an. Als dann das Urteil der Testleser von "WASP" dergestalt ausfiel, dass es sich um Hohlbeins bisher bestes Werk im Programm des Ueberreuter-Verlags handelt, waren die Erwartungen entsprechend hoch angesetzt. Über besagtes Urteil lässt sich nun natürlich bis zum Jüngsten Tag streiten, doch Tatsache ist: "WASP" muss sich auf keinen Fall hinter den letzten Publikationen des deutschen Bestsellerautors verstecken, denn dafür überragt es das eine oder andere jüngste Werk aus seiner Feder einfach.

Fans des deutschen Schriftstellers bekommen mit "WASP" einen echten Hohlbein vorgesetzt, der nach allen den Liebhabern bekannten Regeln der Kunst (?) verfasst worden ist: Die ersten gut 200 Seiten nutzt der Autor zur Einführung in das WASP-Universum, er macht den Leser mit den wichtigsten Charakteren bekannt und nimmt schon zu Beginn den einen oder anderen suspekten Ort unter die Lupe, der im weiteren Verlauf der Handlung als Stätte des Spannungsaufbaus fungieren soll. Anders als angesichts der brisanten Thematik, welche Hohlbein in "WASP" behandelt, vielleicht erwartet, pflegt er auch in seinem Öko-Thriller den allseits bekannten jugendlichen Stil, womit sich sein neuer Roman nahtlos in das Programm des Ueberreuter-Verlags einfügt. Dementsprechend dürfen auch spöttisch-beißende Bemerkungen und Vergleiche voller Sarkasmus ebenso wenig fehlen wie Galgenhumor und der von Zeit zu Zeit hervorbrechende Trotz des jugendlichen Helden gegenüber den Erwachsenen. Besagte Vergleiche und Bemerkungen würzen den Roman zweifelsohne, wirken zeitweilen aber etwas aufgesetzt und als Mittel zum Zweck der Seitenfüllung. Vor allem erwachsene Leser werden mehr als nur einmal die Augen verdrehen, doch Jugendliche - die Hauptzielgruppe des Romans - werden sich damit mehr identifizieren können.

Apropos Seitenfüllung: Der Hauptkritikpunkt an "WASP" ist - wie könnte es angesichts eines Werkes aus Hohlbein’scher Feder denn anders sein? - das Seitenvolumen, das die Bewältigung des Romans nicht gerade zu einem Spaziergang macht. Wie aus dem Opus Hohlbeins hinreichend bekannt, lässt sich der Autor sehr viel Zeit (und Seiten), um seine Protagonisten und ihre Gedankenwelt zu beschreiben, während mehrere unscheinbare Ereignisse die Befürchtung eines apokalyptischen Übels immer mehr und mehr aufbauen - wovon der Spannungsaufbau aber nicht immer profitiert. Zeitweilen bedarf es einiger Überwindung, nach einem gänzlich unspektakulären Kapitel von dreißig Seiten, von denen zwei Drittel der Beschreibung von Waynes Trotz gegen seinen Chefredakteur gewidmet sind, weiterzulesen. Ebenso fast typisch für einen Hohlbein’schen Roman: Nicht alle Fäden werden im Finale hinreichend aufgelöst, der eine oder andere bleibt unaufgelöst irgendwann auf den 960 Seiten links liegen, und auch die Entwicklung der Beziehung zwischen Wayne und Patrizia ist vorhersehbarer als die Konfession des nächsten Papstes. Und doch hat Hohlbein etwas geschafft, was seinen anderen Mammutwerken vorbehalten blieb: Anders als etwa im Falle von "Die Tochter der Himmelsscheibe" oder "Feuer" können selbst die umfassenden Seitenkontingente in "WASP" die Spannung nicht vollkommen unterdrücken, man möchte allen Steinen, welche der Autor auf den Pfad der Spannung wirft, zum Trotz weiterlesen, möchte wissen, wie sich die Handlung weiterentwickelt und welche Überraschungen der Autor noch bereit hält - was in erster Linie wohl dem Mix aus brandaktueller Thematik und phantastischen Versatzstücken zu verdanken ist. Damit ist "WASP" zwar kein Vorbild an Spannungsaufbau, aber doch ein spannender Roman, dessen Bewältigung nicht unbelohnt bleibt. Nur hätte einmal Seitenabsaugen nicht geschadet: Eine Radikaldiät von gut 400 Seiten hätte dem Gesamtbild gewiss keinen Abbruch getan ...

Anders als der Schriftsteller macht der Verlag ALLES richtig: Das schlichte, in Schwarz gehaltene Cover mit dem Wespenmotiv und dem Schriftzug ist, kurz gesagt, einfach schmuck und ein echter Blickfang im Bücherregal. An Lektorat und Layout gibt es nichts auszusetzen, auch Druck und Buchbindung haben ihre Arbeit gut gemacht.

Mit "WASP" legt Wolfgang Hohlbein gewiss nicht sein Meisterwerk und auch keinen ultimativen Bestseller, um dessen Verfilmungsrechte die Hollywood-Studios bis aufs Blut kämpfen werden - auch wenn eine Verfilmung interessant wäre -, aber doch eines seiner besten Werke der letzten Jahre hin. Für Hohlbein-Fans angesichts des Seitenumfangs mehr eine Orgie denn ein Festessen und ein Muss ohnehin; für den durchschnittlichen Leser wohl eine und den Hohlbein-Neuling zwei Nummern zu groß.

Michael Höfel



Hardcover | Erschienen: 01. Juli 2008 | ISBN: 9783800054367 | Preis: 24,95 Euro | 960 Seiten | Sprache: Deutsch

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