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Als die Mutter des zwölfjährigen David stirbt, bricht für den Jungen eine Welt zusammen. Er ist furchtbar traurig und bekommt plötzlich Anfälle, bei denen er das Bewusstsein verliert. Außerdem hört er Bücher reden, sieht seltsame Dinge. Sein Vater bringt ihn zu einem Psychiater, doch dieser versteht David nicht und stellt nur dumme Fragen. Die Anfälle werden zwar bald seltener, aber das Leben des Jungen wird immer unerträglicher. Sein Vater heiratet wieder, eine grässliche Frau, die auch noch schwanger ist und David einen nervenden Halbbruder beschert. Der Krieg gegen die Deutschen wird auch stetig schlimmer, London wird bombadiert und Davids Vater, der beim englischen Geheimdienst arbeitet, steht unter immensem Druck und schimpft nur noch mit ihm.
Eines Tages folgt David der Stimme seiner toten Mutter. Durch einen Baum gerät er in eine fremde Welt, eine Welt voller Gefahren. Er begegnet mörderischen Wolfsmenschen, Trollen, Harpyien und anderen Wesen. Um wieder in seine eigene Welt gelangen zu können, muss er das Buch der verlorenen Dinge finden ...
John Connolly ist vor allem für seine Thriller bekannt und viele seiner Leser werden sich angesichts dieses Buches wundern. Ein Kinderbuch? Und dann auch noch Fantasy? Beide Genres jedoch treffen nur auf den ersten Blick zu. "Das Buch der verlorenen Dinge" ist kein Kinderbuch, sondern ein Buch, das den erwachsenen Leser daran erinnert, wie es war, ein Kind zu sein. Welche irrationalen Ängste und Träume man hatte, wie die Phantasie einem Streiche spielte, wie stur man sein konnte, wie naiv. Durch die Augen des Protagonisten sieht man die Welt, gemeinsam mit ihm besteht man schreckliche und spannende Abenteuer. Da kommt eine Menge Nostalgie auf, man erkennt sich in vielen Eigenheiten des Jungen wieder, gleichzeitig aber empfindet man Mitleid mit David, dessen Kindheit von dem Zweiten Weltkrieg und dem Tod der Mutter überschattet wird.
Trotz der vielen phantastischen Elemente, trotz der Märchen, Sagen und Legenden, die Connolly in seine Geschichte einfließen lässt und die er völlig neu interpretiert, kann man das Buch auch nur schwerlich als Fantasy kategorisieren, denn eigentlich geht es eher darum, wie fließend die Grenzen zwischen Realität und Fantasie für ein Kind sein können. David verschlägt es nicht zufällig nach all den Schrecken und dem Leid seines realen Lebens in eine Traumwelt, das ist dem Leser bewusst, doch trotzdem verfolgt man gespannt die Reise des Jungen und hofft bangend, dass er wieder in seine eigene Welt zurückfinden kann.
Ein sehr gelungener Aspekt von Connollys Werk ist die Schilderung von Büchern, von ihrem Reiz, ihrer Macht, ihrer Lebendigkeit. Jeder Büchernarr wird schmunzeln und zustimmend nicken können, wenn er diese wortgewaltigen, teilweise witzigen Passagen liest. Doch nicht nur Beschreibungen des Bücherzaubers gelingen dem Autor, "Das Buch der verlorenen Dinge" zeichnet sich durch eine verträumte, märchenhafte Sprache aus, die sich angenehm kurzweilig liest und die den Leser schnell in seinen Bann zieht.
"Das Buch der verlorenen Dinge" lässt den erwachsenen Leser für einige Stunden wieder Kind sein. Ein herrlich poetisches, originelles Buch zum Träumen, zum Angst haben, zum Lachen und Weinen.