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Der 42-jährige Kurde Sinan ist mit seiner Frau und den Kindern Irem und Ismail vom Land in die Nähe Istanbuls gezogen. Dort gehört Sinan zusammen mit seinem Bruder ein kleiner Lebensmittelladen und er kann mit seiner Familie ein in dieser Gegend durchschnittliches, wenn auch sehr bescheidenes Leben führen. Traditionell verwurzelt darf Sinans Tochter Irem keine Männer anschauen, muss ihr Haar mit einem Schleier verdecken und sich zusammen mit ihrer Mutter um Heim und Familie kümmern.
Doch dann erschüttert ein fürchterliches Erdbeben die Stadt und macht sie dem Erdboden gleich. Die Menschen müssen fliehen und die wenigen Häuser, die stehen geblieben sind, drohen nachträglich einzustürzen. Sinans Sohn, der am Vorabend des Erdbebens seine Beschneidung erlebt hat, ist unter den Trümmern verschüttet und so lässt Sinan seine Frau und seine Tochter zurück, um seinen Sohn zu suchen. Wie durch ein Wunder hat er überlebt und die Familie kann nach vier Tagen wieder vereint sein. Doch nun haben sie kein Geld zum Leben, die Regierung und das Militär bleiben fern und Sinan versucht, seine Familie in einem behelfsmäßigen Zelt vor den Augen der anderen zu schützen.
Einige Amerikaner, darunter auch ein früherer Nachbar Sinans, kommen, um den nun obdachlosen Menschen zu helfen. Doch Sinan weigert sich, diese Hilfe anzunehmen. Zu lebendig sind seine Erinnerungen an den Tod seines Vaters, der von den türkischen Paramilitärs umgebracht wurde, die wiederum mit Waffen und Fahrzeugen aus Amerika ausgerüstet waren. Erst als Marcus, der frühere Nachbar Sinans, dessen Frau gestorben ist, um Sinans Sohn zu retten, mehrmals nach ihnen schaut und sie regelrecht anfleht, die Hilfe anzunehmen, wird Sinan von seiner Familie dazu bewegt, in das Camp zu gehen. Dort fühlt er sich überflüssig. Die Familie wird ernährt und es gibt nichts, worum er sich kümmern könnte oder müsste. So klammert er sich an seine Traditionen, während sich seine Tochter in einen jungen Amerikaner verliebt. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Der vorliegende Roman ist das erste Werk des Autors Alan Drew. Er beschreibt dabei nicht nur die erschütternden Auswirkungen des Erdbebens, das sich 1999 in der Nähe Istanbuls ereignete, sondern geht dazu noch auf die Vertreibung der Kurden ein. Dabei stellt er die kurdische Familie, die traditionell stark verwurzelt ist, in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der Leser kann während des Buches den inneren Konflikt des Familienvaters Sinan, der zwischen der Liebe zu seiner Familie und der Tradition hin- und hergerissen wird, erleben und nachvollziehen. Auch das Gefühlsleben der Tochter Irem wird sehr gründlich beleuchtet und auch bei ihr gibt es kein Schwarz oder Weiß, sondern ein meist verzweifeltes Grau. Irems Mutter und Bruder sind zwar ebenso präsent in dem Buch, spielen jedoch insofern nur Statistenrollen, dass der Leser nicht in die Gedanken der beiden hineinschauen kann.
Alan Drew besticht in diesem Buch durch einen schönen Schreibstil und jede Menge Gefühl. Dabei rutscht er nicht ab in irgendwelche Klischees, sondern legt die Gedanken der handelnden Personen offen und gibt dem Leser so die Möglichkeit, eine ihm fremde Kultur besser zu verstehen. Gleichzeitig zeigt er aber auch auf, dass diese Kultur sich im Umbruch befindet.
Fazit:
Ein wunderbares Buch, das zum Nachdenken anregt.