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Fast zwanzig Jahre sind vergangen, seit Prinz Erius nach der Macht im Königreich Skala gegriffen hat. Seine Mutter, Königin Agnalain, ist mit den Jahren immer wahnsinniger geworden und so nahm das Volk es hin, dass entgegen der weiblichen Erbfolge Prinz Erius den Thron bestieg. Mit Charme und Siegen in Schlachten konnte Erius das Volk überzeugen, dass bisher die Worte des Orakels falsch ausgelegt wurden, die besagen, dass, solange eine Tochter der Linie Thelátimos herrscht und das Reich verteidigt, Skala niemals unterjocht wird. Doch inzwischen herrschen Seuchen und Dürre im Land, mehr als jemals zuvor, und den Worten des Orakels, das nach einer weiblichen Erbfolge verlangt, wird heimlich wieder Gehör geschenkt. König Erius tat und tut alles, um seinen Machtanspruch zu sichern, so ließ er seit seiner Thronbesteigung fast alle im Land befindlichen Gedenksteine an den Orakelspruch zerstören und weibliche Mitglieder der Königsfamilie sterben mysteriöse Tode. Verschiedene Zauberer im ganzen Land träumen davon, dass ein Mädchen geboren wird, das Skala erlöst und wieder unter den göttlichen Schutz stellt. Iya, eine alte mächtige Magierin, macht sich zusammen mit ihrem Lehrling Arkoniel auf den Weg zum Orakel, um einen Rat für diese verwirrenden Träume zu bekommen. Dort wird ihr aufgetragen, die wahre Königin zu schützen, die bald geboren werden wird. Und so finden sich eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen im Haus der schwangeren Halbschwester von König Erius ein, um etwas Unvorstellbares zu wagen. Um das neugeborene Mädchen zu schützen, soll es mit Blutmagie die Gestalt ihres Zwillingsbruders annehmen, der dafür getötet wird. Doch die Seele des Bruders findet keinen Frieden und begleitet Tobin, die in Jungengestalt aufwächst, und ihre Familie als wütender Dämon.
"Der verwunschene Zwilling" schildert die Kinderjahre von Tobin, die isoliert von anderen Menschen, fernab vom Hof aufwächst, ohne zu ahnen, dass sie die Erbin der rechtmäßigen Königin von Skala und eigentlich ein Mädchen ist. Von ihrer Mutter, die die Ereignisse bei der Geburt und der Verlust des anderen Kindes verrückt gemacht haben, kaum wahrgenommen, lernt Tobin mit dem wütenden und rastlosen Dämon so gut zu leben, wie es geht. Ihr Vater und enge Dienstboten der Familie beschützen sie, ohne ihr verraten zu können, welche Aufgabe ihr bevorsteht und dass sie in Wirklichkeit kein Junge ist.
Bereits vor fünf Jahren ist "Der verwunschene Zwilling" als "Das Orakel von Skala" in einem anderen Verlag erschienen, ohne dass die zwei nachfolgenden Bände aufgelegt wurden. Nun ist das Buch in neuer Übersetzung im Otherworld Verlag erschienen. Positiv anzumerken ist, dass neben zwei Karten der Welt und einer Übersicht über das Skalanische Jahr auch ein Personenregister beigefügt wurde, um sich in der Welt von Tobin, Erius und Iya besser zurecht zu finden.
Ungewöhnlich ist, dass "Der verwunschene Zwilling" nicht auf ein dunkles Geheimnis zusteuert, das dem Leser zum Ende des Buches hin offenbart wird, sondern direkt damit einsteigt. Die Faszination ergibt sich somit daraus, dass die Schwierigkeiten, Abgründe und Geheimnisse bekannt sind und man die Personen des Buches dabei begleitet, wie sie versuchen damit umzugehen. Tobin mit ihrer einsamen, durch seltsame Ereignisse unterbrochenen Kindheit wächst einem ans Herz, während ihr Aufwachsen langsam und behutsam geschildert wird. Interessante Charaktere schaffen eine dichte Atmosphäre, durchaus gruselig beschreibt Lynn Flewelling den Dämon und das tägliche Leben der Familie mit einem Auge für Details.
Spannend und packend geschrieben, ist "Der verwunschene Zwilling" der Einstieg in eine vielversprechende Trilogie mit differenzierten Charakteren und einer düsteren Geschichte. Intelligente Fantasy, die zum Nachdenken anregt und gut unterhält.