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Der Name Andreas Gruber wird nicht erst seit seinem mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichneten Romandebüt "Der Judas-Schrein" als wertvoller Tipp im Bereich der deutschsprachigen phantastischen Unterhaltungsliteratur gehandelt, doch mit seiner gelungenen Mischung aus reißerischem Krimi und lovecrafteskem Grauen hat der österreichische Schriftsteller unter Beweis gestellt, dass er auch für Romane ein mehr als nur glückliches Händchen besitzt. Mit "Schwarze Dame" macht er nun unmissverständlich klar, dass er die bisherigen Preise und Nominierungen zu Recht verdient und mit "Der Judas-Schrein" keine Eintagsfliege auf den Buchmarkt geworfen hat.
Privatermittler Peter Hogart soll im Auftrag der Wiener Zweigstelle eines Versicherungskonzerns nach Prag reisen, um das Verschwinden einer Kollegin zu untersuchen. Diese war in der Stadt an der Moldau einem möglichen Versicherungsbetrug auf der Spur, nachdem in der Prager Nationalgalerie wertvolle Gemälde einem mysteriösen Brand zum Opfer fielen, doch seit Tagen gibt es keine Nachricht mehr von ihr. Für das Verschwinden der Frau muss das Schlimmste angenommen werden, wie Hogart schon bald erkennt, denn seit Monaten geht ein wahnsinniger Serienmörder in der
Goldenen Stadt umher, der offenbar wahllos Männer und Frauen verstümmelt und ihre Körper an öffentlichen Plätzen zurücklässt. Zusammen mit der nicht unattraktiven Privatdetektivin Ivona Markovic, die sich im Auftrag eines gefährlichen Unterweltbosses der Morde annimmt, muss Hogart schon bald um sein Leben fürchten, denn das Verschwinden der österreichischen Versicherungsagentin scheint in Verbindung mit der grauenvollen Prager Mordreihe zu stehen. Noch können die beiden aber das Ausmaß des Wespennestes, in welches sie stechen, nicht erahnen
Anders als im Falle von "Der Judas-Schrein", wo Gruber dem Leser anfangs einen "normalen" Kriminalfall vorgaukelt, um ihn nach und nach in ein lovecrafteskes Universum des Grauens zu entführen, präsentiert der Autor mit "Schwarze Dame" einen lupenreinen Thriller ohne phantastische Auswüchse, der sich mit einem gänzlich anderen Gräuel befasst, nämlich den düsteren Abgründen der menschlichen Psyche. Mit diversen Kurzgeschichten - etwa aus seiner beneidenswert gelungenen Sammlung "Der fünfte Erzengel" - hat der österreichische Schriftsteller schon mehrmals sein Talent, realen Horror in Reinkultur an den Leser heranzutragen, unter Beweis gestellt. An diese Erfolge knüpft "Schwarze Dame" nun nicht einfach an, vielmehr wird hier die Messlatte erneut um ein weiteres Stück höher angeschlagen, denn eine der ganz großen Stärken des vorliegenden Romans ist die Fähigkeit Grubers, seine Charaktere überzeugend eindringlich wie auch eindringlich überzeugend zu zeichnen. Man liest die Sorgfalt, die Liebe zum Detail und die Zeit, welche der Autor sich genommen hat, geradezu heraus. Weiter belässt er es - gottlob! - nicht bei einer simplen, stupiden Schwarzweiß-Zeichnung, in denen der psychopathische Killer als das personifizierte Böse auf den Plan tritt, während die Protagonisten im jungfräulichen Blütenweiß agieren. Vielmehr löst er die Grenze zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht gern öfters in einer einzigen, unheimlichen Grauzone auf.
Stilistisch geht Andreas Gruber den mit "Der Judas-Schrein" eingeschlagenen Pfad weiter: Er versteht es, wie Sätze formuliert, Situationen beschrieben und bei Dialogen Regie geführt werden muss, um die Fesseln der Spannung effektvoll um den Leser legen. Egal ob Hogart und Markovic eine verstümmelte Leiche betrachten oder nicht gerade rühmliche Details aus der Vergangenheit des Wiener Ermittlers erzählt werden - Gruber weiß, was er detailliert zu beschreiben hat und wo sorgfältig formulierte Andeutungen ihren Beitrag für einen Spannungsbogen fast bis zum Anschlag leisten. Zu diesem trägt auch die Plotkonstruktion bei: Komplex und doch konsequent, verschlungen, aber nie ausschweifend kommt die Handlung daher, clever gesetzte Wendungen bringen den Leser immer mehr ins Grübeln und führen ihn dahin, wo Gruber ihn letztendlich haben will: zu einem spannenden Showdown auf der einen Seite, gleichzeitig aber auch ins Grübeln ob der nicht unproblematischen Thematik, die sich dem Leser nach und nach offenbart.
Mit Prag hat Gruber ein stimmungsvolles Bühnenbild ausgewählt, vor dem seine lebensnahen Charaktere sich durch ein Dickicht aus Rätseln und Ungereimtheiten durchkämpfen müssen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Roman vermittelt dem Leser ein atmosphärisch dichtes Bild von der
Goldenen Stadt, ohne in einen erzählenden Touristenführer umzuschlagen, und verbindet dieses mit dem mythisch-sagenreichen Hautgout Prags. Zu letzterem sei nur soviel verraten: Auch wenn Gruber Komponenten vorrangig einer bestimmten und allseits bekannten Prager Legende in "Schwarze Dame" einwebt, diese reißen den Roman nie aus seinem empirischen Umfeld heraus oder ziehen ihn gar in die Gosse der Lächerlichkeit.
Dass sich mit dem Haus Festa "nur" ein Mittelverlag für diesen grandiosen Psychothriller gefunden hat, kann sich eigentlich nur auf die engstirnige, nach Mainstream geifernde Scheuklappentaktik der großen Verlagshäuser zurückführen lassen; dass ihnen damit ein echter Pageturner innerhalb der jüngsten deutschsprachigen Thrillerliteratur entgangen ist, kann an dieser Stelle nahezu uneingeschränkt bestätigt werden. Man darf schon auf Hogarts nächsten Fall gespannt sein, wenn es ihn in "Die Engelsmühle" wieder nach Wien verschlägt