Gesamt |
|
Aufmachung | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Von Madame Tussaud beziehungsweise dem gleichnamigen Wachsfigurenkabinett in London hat wahrscheinlich jeder schon einmal gehört. Dass Madame Tussaud aber als Marie Grosholtz geboren wurde, als uneheliche Tochter eines Dienstmädchens in Bern aufwuchs und die Anfertigung von Wachsfiguren von ihrem Ziehvater erlernte, der gar die französische Königsfamilie in Wachs goss, werden die wenigsten wissen.
Neben dem Weg der Marie Grosholtz spürt der gebürtige Franzose und Wahlschweizer Alex Capus elf weiteren Lebenswegen, die alle in der Schweiz ihren Anfang nahmen, in seinem neuen Buch "Himmelsstürmer" nach. So trifft der Leser auf Jean-Paul Marat, einen der radikalsten Jakobiner während der französischen Revolution, der nach seiner Ermordung in der heimischen Badewanne von Marie Grosholtz als Wachsfigur verewigt wurde. Er liest von Frauen, die die Welt bereisten und sich nicht an Konventionen hielten. So bereiste Isabelle Eberhardt als Mann verkleidet die arabische Welt, während Regula Engel ein Jahrhundert früher nicht nur achtzehn Kinder gebar, sondern auch ihrem Mann in unzählige Schlachten Napoleons folgte. Es wird von Männern erzählt, die hoch hinaus wollten: Während Samuel Johann Pauli 1815 begann seinen
Flying Dolphin, das erste frei lenkbare Luftschiff, zu bauen, überquerte Eduard Spelterini 1898 mit einem Fesselballon zum ersten Mal die Alpen. 1957 schließlich schoss der Physiker Fritz Zwicky als erster ein Objekt so weit, dass es das Gravitationsfeld der Erde verließ.
Liebe- und humorvoll erzählt Capus von Menschen, die auszogen, Geld und Ruhm zu erlangen und Abenteuer zu erleben, die sich nicht an geltende Konventionen hielten, ihre Träume - nicht immer erfolgreich - verfolgten und sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen ließen. Im Vorwort schreibt Capus, dass er glaubt, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind und alles mit allem zusammenhängt. Dieser Idee folgend, versucht er die zwölf Geschichten miteinander zu verknüpfen. Auch wenn diese Verknüpfung naturgemäß nicht immer gelingt, streut Capus doch sehr zum Vergnügen des Lesers einige kleinere Koinzidenzen ein. So fährt Pierre Gillard beispielsweise an genau dem Tag nach Russland, wo er schließlich Hauslehrer am Hof des letzten russischen Zaren werden wird, an dem Isabelle Erhardt in der Sahara ertrinkt.
Das Buch ist jedoch nicht nur aufgrund der hier beschriebenen ungewöhnlichen Biografien lesenswert, sondern auch, weil Capus es auf das Vortrefflichste versteht, Unterhaltung und Information so zu verknüpfen, dass eine leichte, aber nicht seichte, lesenswerte und gut recherchierte Lektüre entsteht. Alle Leser, die mehr über die hier beschrieben Personen wissen wollen, finden am Ende des Buches außerdem weiterführende Lesehinweise.