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Trevor versorgt seinen Bruder Will, seit er danken kann. Weder sein Vater noch seine Mutter kommen je in den Schuppen, um sich ihren zweiten Sohn anzuschauen. Sie waren zu feige, ihn zu töten, als klar war, dass er ein Monster, ein Freak ist. Und auch heute noch können sie nicht mit ansehen, wie er frisst, keucht und wimmert. Nur Trevor liebt seinen Bruder. Er hat kein Problem damit, dass der Jüngere ein Riese ist. Dass er verwachsen und dumm ist, kaum sprechen kann und wie ein Tier auf allen Vieren kriecht. Nur warum die Erwachsenen ihn hassen, Angst vor ihm haben und ihn im Schuppen angekettet halten, kann Trevor nicht verstehen.
Manchmal, tief in der Nacht, wenn seine Eltern schlafen, löst er die Kette von Wills Hals und geht mit ihm nach draußen. Niemals hat er Angst vor Will oder muss befürchten, dass der Bruder nicht wieder in den Schuppen folgt.
Nur an dem Tag, als der Vater sich doch entschließt, den verhassten Sohn zu töten, kann Trevor nicht mehr still halten. Er klaut das Gewehr des Vaters und schießt auf ihn. Doch er trifft den Farmer nur an der Schulter. Der aber ist nun vollends überzeugt, den Verrückten umbringen zu müssen. Wenn schon sein normales Kind auf ihn schießt, um diesen Freak zu retten. Doch Will reißt sich los und tötet seinen Vater. Nun müssen Trevor und Will fliehen. Es wird nicht lange dauern und die Männer der Nachbarhöfe werden kommen und den Toten finden. Und dann, das weiß Trevor genau, werden sie nicht zögern und Will ermorden. Doch auf der Flucht zögert Will. Er wittert mehr Wesen seiner Art. Und plötzlich versteht Trevor. Viele Väter haben einen Freak weggesperrt, unfähig, die Kreaturen, die ihre Frauen doch geboren haben, zu töten. Doch wie soll Trevor mit seinem Bruder Will diese Kreaturen befreien und wo sollen sie hin?
"Freaks of the Heartland" ist eine Urgewalt. Der Comic greift die Urängste der Menschen vor einer Missgeburt auf und stellt die Frage, wie der Mensch reagiert, wenn er eine Kreatur gebiert, die anders ist. Was tut ein gottesfürchtiger Farmer in Mittelamerika, wenn er jenseits von Recht und Gesetz vor die Frage gestellt wird, sein eigenes Kind zu töten oder es wegzusperren, wenn es sich als Teufelsbrut, als Abscheulichkeit erweist?
Wie reagieren die Mitmenschen, die Geschwister, die Frauen, wie reagieren die Menschen, wenn sich diese Kreaturen weiterentwickeln und zu einer vermeintlichen Gefahr werden? Was tut der Mensch, wenn er die verborgene Schande offenbaren muss und nicht mehr unter Verschluss halten kann? Vermischt mit diesen existenziellen Fragen haben Autor Steve Niles und Illustrator Greg Ruth eine Geschichte bebildert, die wie ein Orkan im Gewissen und im Verstand des Betrachters wütet. Abscheu vor solch einem Kind mischt sich mit Mitleid, moralische Fragen mit grundlegenden Ängsten. Dies unterlegen sie mit der unterschwelligen Frage, wie diese Kinder entstehen konnten und welche Fähigkeiten diese "Freaks" haben könnten, wenn sie doch offensichtlich nicht der Norm entsprechen.
Wunderschöne, schreckliche Bilder, grandiose Landschaftsszenarien, furchtbare Kreaturen, düstere Farben, spärliche Informationen und kurze Sätze generieren ein tiefgreifend verstörendes Album, das nachhaltig begeistert. Tief verstört und beinahe atemlos liest man Seite um Seite, hastig den wenigen Text lesend, fasziniert die Bilder betrachtend, und fragt sich immer wieder, wie es diesen Kreaturen und ihren Geschwistern ergehen wird. Kann es eine Zukunft geben oder endet das Ganze in trostloser Gewalt?
Niles und Ruth haben mit "Freaks of the Heartland" einen Comic vorgelegt, der wie seinerzeit Frankenstein prägend für ein Genre werden kann. Sie stellen viele Fragen, beantworten keine und lassen den Leser verstört und doch begeistert zurück.
Drucktechnisch brillant, kann dieses in Sepia-Tönen gehaltene Album überzeugen. Das Tableau an Figuren und das unverbrauchte Szenario lassen auf weitere Alben von Niles und Ruth hoffen, die abseits der ausgetretenen Pfade der Fantasy- und Horror-Alben Neuland betreten und den Weg für viele Nachahmer bereitet haben.