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Im Jahr 1985 fotografierte der amerikanische Fotojournalist Steve McCurry in einem Flüchtlingslager in Pakistan ein afghanisches Mädchen. Das Bild dieses namenlosen Mädchens mit seinem zerschlissenen roten Schal und den erstaunlichen grünen Augen, die den Betrachter nicht mehr loslassen, dürfte heute eines der bekanntesten Portraits sein, an die man in Verbindung mit dem National Geographic denkt. Aber natürlich ist dieses berühmte Portrait nur eine von zahllosen außergewöhnlichen Fotografien, die Journalisten des National Geographic in aller Welt gemacht haben.
Die schönsten und besten Portraits des Magazins sind versammelt in "Die faszinierendsten Gesichter der Welt, erschienen in der Reihe "Best of National Geographic, und ein Best of ist es in der Tat, was in diesem Fotoband versammelt ist. Die Bilder sind größtenteils chronologisch geordnet und in sechs Kapitel aufgeteilt:
- National Geographic - Portraits
- Vor 1930 - Das Fremde und das Exotische
- Die 1930er und 1940er: Ausgeblendet: Wirtschaftskrise und Krieg
- Die 1950er und 1960er: Unbeschwerte Tage in Kodachrom
- Die 1970er und 1980er: Zurück zum Realismus
- Die 1990er Jahre bis zur Gegenwart: Fotografie und Mehrdeutigkeit
Die Fotografien umfassen damit einen Zeitraum von nahezu einhundert Jahren und sind ein Zeitzeugnis, das einen Streifzug durch die vergangenen Jahrzehnte - und natürlich durch fremde und teils exotische Kulturen - ermöglicht. Doch nicht nur die fotografierten Motive an sich erzählen dem Betrachter etwas über die jeweilige Zeit, sie sagen auch eine Menge aus über die Fotografie an sich und wie sie sich im Lauf der Jahre veränderte. Ernsthafte, ja feierlich inszenierte Portraits wechseln sich ab mit unbeschwerten Schnappschüssen - die aus technischen Gründen ja erst relativ spät möglich waren -, künstlich-gestellte Arrangements machen deutlich, welchen Stellenwert die Fotografie eine Zeitlang hatte, bis sie wieder von natürlicheren Aufnahmen abgelöst wurde.
Bei der Auswahl der Bilder zeigt sich eindrucksvoll, dass Fotografien von Landschaften, von Tieren, von Architektur und dergleichen reizvoll sind, dass aber nichts so faszinierend und vielseitig ist wie der Mensch. Hunderte von grandiosen Fotos in diesem Band beweisen, dass er das interessanteste Motiv ist, das Fotografen mit ihrer Kamera bannen und für die Nachwelt festhalten können. Nichts ist so anrührend, so vielsagend, so rätselhaft wie das menschliche Gesicht. Ob es also ein kleines Mädchen aus Murmansk ist, das etwas schüchtern in die Kamera winkt, ein Stammeshäuptling, der stolz seine Tracht trägt, oder ein junger Mann auf einer Ranch in Nevada, der mit großer Ernsthaftigkeit ein Honigbrot isst - sie alle fesseln uns gleichermaßen, gerade durch die große Bandbreite an verschiedenen Lebensstilen und -welten, die hier dokumentiert ist.
Der Begriff "Portrait ist in diesem Bildband bewusst weit ausgelegt worden und umfasst nicht nur Fotografien von Gesichtern oder frontale Aufnahmen von Menschen, die man klassischerweise dem Begriff Portrait zuordnen würde. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch, doch in vielseitiger Form. Die Arrangements sagen dabei schon eine Menge über das Fotografierte aus und zeigt uns neben klassischen Portraits und Gruppenaufnahmen auch Menschen, die dem Fotografen den Rücken zukehren, Menschen, die Masken tragen und damit den Sinn der Aufnahme ins Gegenteil verkehren - hier enthüllt die Fotografie nichts, sondern gibt Rätsel auf -, Menschen, die wie beiläufig Teil der Fotografie sind, die sich gar nicht bewusst sind, dass sie fotografiert wurden.
Der Best-of-Band erschien bereits im Jahr 2004 als Hardcoverausgabe zu einem Preis von knapp 40 Euro. Der hier rezensierte Band ist die Softcover-Ausgabe, die ein deutlich kleineres Format hat, die aber auch nur die Hälfte kostet und so auf 504 Seiten für kleines Geld einen unvergleichlich vielseitigen Eindruck in die Welt von National Geographic gibt. Es fällt schwer, die besten Bilder zu benennen und für sich selbst zu bestimmen, und so lädt der kleine Band mit seinen hochwertigen Farbdrucken immer wieder zum Blättern ein. Die Bilder sind recht spärlich kommentiert - meist gibt es nur eine Jahreszahl, eine kurze Information zum Motiv und den Namen des Fotografen - doch hin und wieder finden sich auch ausführlichere Kommentare, die die Arbeit und die Motive des Fotojournalismus für den National Geographic erläutern.
"Die faszinierendsten Gesichter der Welt ist ein wahrer Schatz an hochwertigen Portraits aus aller Welt und ein interessanter Streifzug sowohl durch die Welt als auch durch die Geschichte der Fotografie. Zwar ist der Softcover-Band nicht besonders großformatig, für knapp 20 Euro erhält man aber auch eine grandiose Sammlung von Portraits, die einen immer wieder in ihren Bann schlagen und - sofern man selbst gerne zur Kamera greift - auch inspirieren wird.