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Wie oft gehen wir durch die Natur, ohne deren Schönheit noch wahrzunehmen geschweige denn zu würdigen. Oder aber wir betrachten einen Baum, einen hübschen Stein, eine Felsformation oder ein Tier und finden zwar durchaus Gefallen daran, sehen aber jeweils nur den Gesamteindruck, der uns ja so gewohnt ist, dass wir kaum noch staunen oder Einzelheiten wahrnehmen.
Mit dieser Konvention des Sehens bricht der Fotograf Volkhard Hofer in dem opulenten Bildband "Wunder Welt. Natur im Detail", erschienen im Christian Brandstätter Verlag. Die außergewöhnlichen Fotografien, die hier auf 238 Seiten versammelt sind, werfen einen Blick auf kleine und kleinste Details von Holz, von Steinen, von Wasser und Eis, von Flechten und Gewächsen, von Tierfell und Federkleidern. Es ist ein Blick ins Herz der Strukturen und Texturen, die all diese Dinge zusammenhalten und ausmachen, die aber dem flüchtigen menschlichen Blick weitestgehend verborgen bleiben. Bemerkenswert ist, dass die Fotografien nicht bearbeitet wurden, um so einen noch größeren Effekt zu erzielen - die Ergebnisse verblüffen, überraschen und verzaubern, der Blick auf feine und feinste Oberflächen, umgesetzt in ausgesprochen großformatigen Farbfotografien, wird zum Erlebnis.
Eingeteilt ist der Band in acht Kapitel, die sich unterschiedlichen Objekten und "Materialien" widmen. Den Beginn machen "Holztexturen", die, aus nächster Nähe betrachtet, dem Auge wie eigenwillige Landschaften erscheinen. Die Textur einer Eukalyptusbaum-Rinde wirkt wie zarter Pelz, Fächer einer im Auflösungsprozess befindlichen Palme wirken wie fremdartige Sporen aus einer anderen Welt. Die vertretenen Farben sind erstaunlich reich - normalerweise assoziiert man mit Bäumen, Holztexturen und Rinden eher Braun- und Grautöne und natürlich Holztöne aller Facetten, doch hier findet sich wie unter einem Mikroskop jede Farbe von dunkelblau und smaragdgrün über tiefes Orange bis hin zu silbrigem Weiß.
An die Holztexturen schließen sich in Kapitel 2 "Metamorphosen" an. Gemeint ist versteinertes Holz; hier gingen im Lauf von Millionen von Jahren Holz und Mineralien eine Metamorphose ein, die gleichfalls verblüfft und Strukturen und Muster von großer Schönheit hervorgebracht hat.
Kapitel 3 - "Archaisches Element" - wirft einen eingehenden Blick auf die kinetische Energie des Wassers. Fotomotive sind hier zum Beispiel von Eisenmineralien gefärbte Flüsse, von Linien zerfurchte Gletscherspalten, in die das Wasser seinen Weg gegraben hat, oder die Wellenlinien, die das Wasser im Ostfriesischen Wattenmeer hinterlässt. Dieses Kapitel wirkt im Vergleich zu den farbenprächtigen Holz- und Mineralstrukturen eher kühl und ausgefeilt, wenngleich die Flussläufe wie Lebensadern erscheinen, die Strukturen im Fels aber wie Schraffuren eines Grafikers.
In Kapitel 4 hat Volkhard Hofer einen sehr nahen Blick auf "Steinbilder" geworfen, also auf Strukturen von Fels und Gestein. Die Eindrücke sind mannigfaltig: Basalt, Marmor oder Kalkstein, Gneis, Tuff oder Bimsstein kennt man zwar vage - aber ihre Schönheit erschließt sich erst in den großformatigen, detaillierten Aufnahmen. Obwohl Stein und Mineralien ja per se "tot" sind, wirken ihre Strukturen auf den abgebildeten Fotografien harmonisch und organisch. Auch hier beeindruckt wieder die Farbenpracht, die vor allem färbenden Mineralien im Gestein zu verdanken ist.
Kapitel 5 wendet sich "Flechtwerken" zu, also Flechten, die eine Symbiose aus Pilz- und Algenarten darstellen und zum Beispiel Steine überziehen. Normalerweise würde man nicht auf die Idee kommen, Flechten als ästhetisch zu bezeichnen, aber sie sind es, wie die hier dokumentierten Bilder beweisen. Aus der Nähe betrachtet wirken sie wie farbenprächtige Fraktale.
Kapitel 6 handelt von "Wasserzeichen"; hier hat der Fotograf Lichtzeichen auf Wasseroberflächen sprichwörtlich unter die Lupe genommen. Dass Reflexionen auf Wasserflächen sehr hübsch aussehen können, weiß vermutlich jeder, doch so prächtig in Szene gesetzt rufen die Bilder wieder Verblüffung hervor, obgleich dieses Kapitel als das eintönigste im Buch bezeichnet werden kann.
Begeistern kann man sich dann wieder für Kapitel 7, denn hier geht es um "Lebende Farben". Hofer hat hier Tiere aus nächster Nähe betrachtet und ihre Felle und Federkleider herrlich in Szene gesetzt. Die extremen Nahaufnahmen machen erst deutlich, wie die Strukturen beispielsweise eines Papageiengefieders, eines Schmetterlingsflügels oder eine Hundefells aussehen. Hier, am "lebenden Objekt", wird die Vielfalt der Natur mit ihren Fellen, Gefiedern, Chitinpanzern, Häuten und Schuppen wohl am deutlichsten. Ein großartiges, farbenfrohes Kapitel.
Kapitel 8 schließlich präsentiert als Schlusspunkt "Kalte Transparenz" und die Fotografien zeigen dementsprechend Eisiges, also Strukturen von gefrorenem Wasser in jeder Form, beispielsweise als Eisplastik, als Gletschereis, als gefrorener Wasserfall oder als transparenter Eisberg.
Den Kapiteln vorangestellt ist ein Essay von Norbert Hilbig, der sicherlich nicht jedermanns Sache sein dürfte, da er nicht nur poetisch ist, um den Bildern gerecht zu werden, sondern auch einen starken Bezug zu Gott herstellt; wem dies nicht gefällt, der kann den Essay getrost überspringen und sofort die Fotografien betrachten. Diese sind meist sehr großformatig und nehmen eine ganze Seite oder sogar eine Doppelseite ein, wodurch sie besonders gut zur Geltung kommen. Die Bilder sind sehr knapp, aber treffend kommentiert.
Aufmachung und Qualität des Bildbandes rechtfertigen den stolzen Preis von knapp 60 Euro durchaus. Das Papier und alle Fotografien sind von hervorragender Qualität, die Farben sind strahlend und prächtig, die Bilder sämtlich gestochen scharf. Der Bildband ist zudem mit einem hochwertigen Hochglanz-Umschlag versehen.
"Wunder Welt" ist ein eigenwilliges Werk, das sehr spezielle Blicke auf Strukturen wirft, die dem menschlichen Auge normalerweise allzu leicht entgehen. Ein verblüffender, teils anrührender und vor allem sehr ästhetischer Ausflug in den Mikrokosmos von organischen und anorganischen Materialien, die in unserer Natur zu finden sind. Er macht klar, dass unsere Welt tatsächlich wunderbar beschaffen ist.