Nicht nur im beruflichen Bereich wird seit einiger Zeit wieder mehr Wert auf stilvolles Auftreten, sprich, "Benimm", gelegt. Auch in der Öffentlichkeit, im privaten Rahmen und sogar im Internet kommt ein Verhalten meistens gut an, das von Kenntnis der üblichen Umgangsformen zeugt.
Viele Menschen fühlen sich in dieser Hinsicht etwas verunsichert. Sie wissen zwar, in welcher Reihenfolge bei einem mehrgängigen Menü das Besteck benutzt wird, doch haben sich früher als "korrekt" empfundene Verhaltensweisen zum Teil überlebt, beispielsweise im Umgang mit Personen des anderen Geschlechts, da im Zuge der Gleichberechtigung vor allem auf beruflichem Parkett Frauen nicht mehr automatisch als höherrangig eingestuft werden.

Gerade die Neuerungen der letzten Jahre und Jahrzehnte sind es, denen Karin Myria Pickl in ihrem "modernen Knigge" besondere Aufmerksamkeit schenkt. Zunächst erläutert sie den Sinn der "Etikette" und beschreibt, wie sich das so genannte gute Benehmen im Lauf der Zeiten wandelte. In diesem Zusammenhang stellt sie auch Adolph Freiherr Knigge, den ersten Benimmbuchverfasser, vor.
Die darauf folgenden Kapitel befassen sich mit einzelnen Aspekten guten Auftretens: Standardsituationen im Privaten und in der Öffentlichkeit, Kommunikation, angemessene und typgerechte Kleidung, souveränes Auftreten bei Einladungen zum Essen, auch ins Restaurant, "Veranstaltungen und Übernachtungen", richtiges Verhalten am Arbeitsplatz - ein komplexes Kapitel -, "Stilvoll unterwegs", ein eigenes Kapitel für Frauen und Männer und den Umgang miteinander; und abschließend gibt es ein eigenes Kapitel für Kinder und Jugendliche.

Gutes Benehmen, so der Tenor des Buchs, hat nichts mit verkrampft-antiquierten Verhaltensweisen zu tun, sondern sollte eine Folge der Wertschätzung unseres jeweiligen Gegenübers sein. Und für manche Situationen, sei es das Decken eines Tisches für ein Vier-Gänge-Menü oder die Frage, welche von zwei Personen zuerst die Treppe hinauf- oder hinuntersteigt, benötigt man ganz einfach Konventionen. Das leuchtet ein. Immer wieder betont die Autorin jedoch, dass man sich nicht unweigerlich an die Regeln klammern sollte, sondern in manchen Situationen am besten "aus dem Bauch heraus" handelt. Kennen muss man die Regeln freilich, wenn man sie bewusst brechen möchte.
Die Kapiteleinteilung wurde sinnvoll und logisch vorgenommen, und die Kapitel decken den größten Teil der erdenklichen Situationen ab, in denen Stil gefragt ist. Mancher Leser würde sich vermutlich, je nach Lebens- und beruflicher Situation in speziellen Bereichen mehr Ausführlichkeit wünschen, vielleicht in Bezug auf das erste "Date", bezüglich der Benennung spezieller Besteckteile und so weiter; manchmal wäre sicher die eine oder andere zusätzliche Illustration gefragt. Illustrationen gibt es praktisch nur zu Benimmfragen rund um mehrgängige Menüs, und hier erweisen sie sich als sehr nützlich zum Verständnis des Textes. Andererseits zeichnen sich etliche Kapitel durch Berücksichtigung aller erdenklichen Details aus, vor allem hinsichtlich vieler beruflicher Aspekte und auch des Reisens: Der Leser lernt sogar die wichtigsten Benimmregeln in einigen beliebten oder aus Berufsgründen viel bereisten Ländern kennen.
Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern wird, wie erwähnt, betont, ohne dass der Kavalier ganz an den Rand gedrängt würde. Er darf der Dame beispielsweise noch in den Mantel helfen, wenn sie das nicht ablehnt - und in manchen Situationen, so zeigt die Autorin auf, sollte er durchaus wissen, welcher Dame er diese Hilfe zuerst angedeihen lässt und welcher anschließend, denn nicht immer ist dies eine Frage des Alters.
Gutes Benehmen lässt sich mit diesem Buch einfach lernen und verinnerlichen, auch von Kindern und Jugendlichen, die altersgemäß angesprochen werden, und das übersichtliche Inhaltsverzeichnis wie auch das Register ermöglichen ein rasches Nachschlagen, wenn man sich auf eine bestimmte Situation gezielt vorbereiten möchte. Der Preis ist angesichts des Umfangs und der inhaltlichen Dichte sehr moderat.