Unter dem durchaus doppeldeutig gemeinten Serientitel "Elfenzeit" eröffnet "Der Hauch der Anderswelt" einen mehrteiligen, zusammenhängenden Romanzyklus, in dem mehrere Autoren exklusiv für den Bertelsmann Club die Geschichte eines Elfenclans erzählen, der sein geschütztes Territorium verlassen muss, um in der Menschenwelt nach einer Möglichkeit zu suchen, die inneren und äußeren Feinde zu besiegen, die plötzlich auftauchen. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Buchs ist im Eins A Medien Verlag für jeden frei erhältlich der Auftaktband als ungekürztes Hörbuch erschienen.

Federführend für die Reihe ist die deutsche Fantasy-Autorin Uschi Zietsch, die den ersten Band der Serie unter ihrem Pseudonym Susan Schwartz verfasst hat. Im Mittelpunkt der Handlung stehen einerseits die Bewohner des Elfenreichs, die verzweifelt nach einem Heilmittel gegen die Zeit selbst suchen, die wie eine schreckliche Seuche in ihre Welt eingedrungen ist und die unsterblichen Kreaturen der Anderswelt erstmals in ihrer Jahrtausende alten Geschichte altern und vergehen lässt. Zum anderen sind da die Journalistin Nadja und ihr bester Freund Robert, Menschen wie du und ich, deren Weltbild gehörig ins Wanken gerät, als sie im Paris der Gegenwart auf anderweltliche Kreaturen treffen, die nach einem Heilmittel gegen das Vergehen suchen.

Geschickt teilt Uschi Zietsch die Handlung in zwei Erzählstränge, die zwar parallel, aber auf unterschiedlichen Zeitebenen verlaufen, sich aber gegen Ende des Romans vereinen. Abwechselnd verfolgt der Hörer die Beobachtungen Nadjas und Roberts, die auf immer mehr Anzeichen stoßen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sie bisher geglaubt haben, und die Abenteuer der Elfenzwillinge Rhiannon und Davydd, die die sichere Umgebung ihres Clans erstmals verlassen, um in der Welt der Menschen im wahrsten Sinne des Wortes ein Wettrennen gegen die Zeit zu führen, von der auch unsere Realität betroffen ist. Denn das Vergehen der Elfen hat dazu geführt, dass auch die dunkle Königin Bandorchu ihre Fesseln, in die sie vor vielen Jahren vom Oberhaupt der Elfen gelegt wurde, abzuschütteln beginnt. Ihre Spione wildern in der Menschenwelt und entziehen den Sterblichen ihre Lebensenergie, mit der sie die Macht Bandorchus mehren und sich selbst vor dem Altern retten wollen. Ausgerechnet in der glitzernden Haute Couture von Paris treffen Nadia und Robert und die Elfen aufeinander und nachdem der erste Schreck überwunden ist, beschließen die beiden Parteien zusammenzuarbeiten, um ihrer beiden Welten zu retten.

Mit ungekürzten Hörbüchern ist das so eine Sache: Einerseits müssen sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, um so viel Szenen beschnitten zu sein, dass ein logischer Handlungsverlauf praktisch nicht mehr existent ist. Andererseits birgt eine vollständige Lesung auch die Gefahr, dass sich selbst ein geduldiger Zuhörer mit Passagen herumschlagen muss, die in die Länge gezogen wirken. Mit fast zehneinhalb Stunden, verteilt auf zehn CDs, bewegt sich "Der Hauch der Anderswelt" gerade noch im tolerierbaren Maß. Da die Geschichte abwechselnd an verschiedenen Schauplätzen spielt und mit viel - wenn auch oft alltäglicher - Action angereichert ist, kommt Langeweile nicht auf. Katharina Brenners Lesung wirkt angenehm: In der typischen Manier eines Kindermädchens, das seinen Zöglingen eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest, spricht sie den Text ein. Die Kombination von Stimme und Text jedenfalls wirkt sehr harmonisch. Die Beschreibung der Elfenrassen, ihrer Feindschaft untereinander und der Welt, in der sie leben, wirken stimmungsvoll und haben ihre Wurzeln in der keltischen Mythologie. Seinen Reiz zieht "Der Hauch der Anderswelt" vor allem aber aus dem Aufeinanderprallen dieser Kreaturen mit der Realität der Menschen, mondänen und modernen Lebensmodellen, der Scheinwelt der Models und aufstrebenden Pop-Sternchen. Das erinnert inhaltlich - wenn auch nicht stilistisch - ein bisschen an die bekannten "Phantastischen Geschichten", die Wolfgang und Heike Hohlbein berühmt gemacht haben - allerdings für ein erwachsenes Zielpublikum. Urban Fantasy für die Twenty-Something-Generation sozusagen.

Wer das mag, wird mit "Der Hauch der Anderswelt" sicher gut bedient und darf sich noch auf zahlreiche weitere Teile der Reihe freuen. Wer sich unschlüssig ist, sollte vielleicht erst einmal einen Blick auf die Website zur Reihe werfen - www.elfenzeit.com -, auf der zum Zeitpunkt der Rezension allerdings leider noch nicht viele Informationen zu finden sind.