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 Schärfe deinen Blick

Außergewöhnliche Portraitfotografie

Autoren: Roswell Angier
Übersetzer: Eva Ruhland
Verlag: Addison-Wesley

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Bei der Portraitfotografie handelt es sich um eine sehr sensible Angelegenheit, denn kein anderes Genre ruft eine derart intensive Interaktion von Fotograf und Motiv hervor. Dies ist die zentrale Aussage in Roswell Angiers Werk "Schärfe deinen Blick". Der Künstler und Professor möchte dem Leser seines Buchs ermöglichen, künftig nicht nur starke Motive zu erkennen, sondern sie auch möglichst ideal als Foto festzuhalten - gegebenenfalls unter alles andere als idealen Bedingungen.
Zunächst erläutert der Autor, wie man das Buch optimal nutzt; im kurzen Vorwort beschreibt er die Chancen und Probleme der Portraitfotografie. Es schließen sich zwölf Kapitel an, die relativ unabhängig voneinander einzelne Aspekte und Herausforderungen zum Inhalt haben.
So ist der Blick Gegenstand des ersten Kapitels. Er wird dem Leser freilich noch öfter begegnen. Ein relativ kurzes Kapitel widmet sich dem Selbstportrait, das nächste dem Bildrahmen, das heißt, der Wahl der Begrenzung des Bildes und gegebenenfalls dem (bewussten) Ausschluss weiterer, für den Betrachter hinzuzudenkender Elemente.
Der Abschnitt "Spähen" thematisiert Voyeurismus und Überwachung und ist vielleicht der provokativste Teil des Buchs, weil hier willkürlich Tabus gebrochen werden. In "Portrait, Spiegel, Maskerade" geht es um die bewusste Inszenierung einer Person oder einer Personengruppe. Die logische Fortsetzung davon findet man im nächsten Kapitel "Konfrontation", das sich mit der Schwierigkeit befasst, das "wahre" Wesen einer Person schonungslos abzubilden.
Für den Fortgeschrittenen dürfte das achte Kapitel eines der interessantesten sein, in dem die portraitierte Person bewusst unscharf in einer scharf gezeichneten Umgebung abgebildet wird, als ob sie verschwände oder ein Phantom sei. Dunkelheit und der gekonnte Einsatz des Blitzes, der bekanntlich mehr sein kann als nur ein Ersatz natürlichen Lichts, sind die Themen zweier weiterer Kapitel.
Komplex wie das zugehörige Genre ist das Kapitel über Tableaux, das heißt, Menschen, die in eine oft surreale Umgebung eingebettet werden. Zum Abschluss betrachtet der Autor die "digitale Person", das heißt, Verfremdungen von Portraits durch digitale Bearbeitung. Anhänge vermitteln technische Grundlagen zu den Bedienelementen von Kameras und den Unterschieden zwischen Analog- und Digitalkameras, zu Belichtung und Belichtungsmessung sowie zum Blitzlicht.

Bereits die Fülle an aufgegriffenen Aspekten wirkt beim ersten Durchblättern des Buchs faszinierend. Dass die Portraitfotografie ihre Tücken hat, weiß jeder Laie, denn die Präsenz des Fotografen macht sich dem Modell gegenüber stets bemerkbar, vor allem auch die Art der Beziehung zwischen beiden. Der Autor vermittelt, oft anhand von drastischen Beispielen, Möglichkeiten, diese Beziehung zu nutzen. Das andere Extrem sind voyeuristische Aufnahmen. Zwischen der ganz konkreten Interaktion von Fotograf und Motiv und dem heimlichen und sehr bewussten Eindringen in die fremde Intimsphäre spannt sich der Themenbogen des Buchs.
Alle Kapitel enthalten reichlich Beispielfotos berühmter Fotografen, teilweise viele Jahrzehnte alt. Einfühlsam, dabei immer sachlich und detailliert erläutert der Autor, welche Schwerpunkte der jeweilige Fotograf setzt, wie und möglicherweise in welchem künstlerischen Kontext das jeweilige Bild entstand - häufig werden auch technische Hintergründe erwähnt -, welche Besonderheiten und Raffinessen das Buch aufweist, und wie es zu interpretieren ist. Auch die zahlreichen Zitate, die an den Kapitelanfängen zu finden sind, erweisen sich als nützliche Denkanstöße.
In jedem Kapitel stellen eine oder mehrere Aufgaben zum Thema den Leser vor praktische Herausforderungen. Zeit sollte man mitbringen und tendenziell eher eine analoge als eine digitale Kamera, auch wenn sich die meisten Aufgaben mit einer digitalen Kamera ebenso bearbeiten lassen.
Rechtliche Probleme werden mehr oder weniger umgangen. Dass ein Portrait einer Person, die auf das Fotografieren ärgerlich reagiert oder in einer sehr intimen Situation "erwischt" wird, reizvoll sein kann, ist klar. Der Umstand, dass man dafür, je nach porträtiertem Charakter, Prügel beziehen kann, wohl ebenfalls. Man bringt sich jedoch auch in rechtliche Schwierigkeiten, und wie die Gesetzeslage und deren Umsetzung in dieser Hinsicht aussehen, wird bedauerlicherweise nicht erwähnt.
Das Buch eignet sich für jeden, der sich für das Gebiet der Portraitfotografie interessiert und wissen möchte, wie man als Fotograf dem Modell am besten begegnet, ein Portrait inszeniert, spontane Szenen und Situationen ausnützt, heimlich "ungeschönte" Portraits Fremder erstellt und mit einem Portrait das ausdrückt, was man dem Modell gegenüber empfindet oder was es als Medium transportieren soll. Auch Hobbyfotografen finden darin sehr viele wertvolle und für sie umsetzbare Anregungen, insbesondere dank der abgebildeten vielsagenden und großartig interpretierten Meisterfotos. Als sehr nützlich erweisen sich auch die fototechnischen Erläuterungen in den Anhängen. Eine sinnvolle Investition!

Regina Károlyi



Softcover | Erschienen: 01. September 2008 | ISBN: 9783827326942 | Originaltitel: Train Your Gaze | Preis: 39,95 Euro | 216 Seiten | Sprache: Deutsch

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