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Als im Oktober 1995 die erste Folge von "Neon Genesis Evangelion" über die japanischen Fernseher flimmerte, war ein neuer Kultanime geboren. Der japanische Regisseur und Drehbuchautor Hideaki Anno bediente sich des in Japan äußerst beliebten Motivs riesiger Kampfroboter, in denen ein Pilot gegen allerlei Gefahren und Katastrophen antreten muss, vermengte die Science Fiction mit christlicher Symbolik sowie Namen und Gestalten aus der Heiligen Schrift und gab eine Prise philosophisches Aroma epischen Umfangs hinzu. Die Mischung schlug im Land der aufgehenden Sonne ein wie der aus der Serie bekannte
Second Impact und auch hierzulande kann die Serie auf eine große Fangemeinde zurückblicken. Doch der Ausgang von "Neon Genesis Evangelion" ließ die Fans mit vielen offenen Fragen zurück und die nachfolgenden Kinofilme konnten ebenfalls kein befriedigendes Ergebnis liefern.
Befriedigung schaffen könnte nun möglicherweise ein viel versprechendes Projekt Annos mit dem verheißungsvollen Titel "Rebuild of Evangelion". Die vierteilige Saga stellt hierbei weniger eine Fortsetzung als vielmehr ein Remake der meisterlichen Fernsehserie in Spielfilmformat dar. Im September 2007 kam der erste Film mit dem Untertitel "Evangelion: 1.0 - You are (not) alone" in die japanischen Kinos, eine überarbeitete Version folgte bald auf DVD. Ufa ist es zu verdanken, dass nun auch hierzulande Annos Anhänger in den Genuss dieses Neuzugangs zum EVA-Universum kommen.
"Evangelion: 1.01 - You are (not) alone" greift die ersten sechs Episoden der Fernsehserie auf: Im Jahr 2015 findet sich die Menschheit in einer Zeit des Unmutes wieder. Durch eine globale Katastrophe in Form einer unvorstellbaren Detonation, die als
Second Impact in die Geschichtsbücher einging, fand die Hälfte der Erdbevölkerung den Tod, doch war dieser schwere Schicksalsschlag für die Menschheit nur der Auftakt zu einer weitaus schlimmeren Tragödie: Seit dem
Second Impact tauchen von Zeit zu Zeit riesige Kreaturen unbekannter Herkunft auf. Auf den Namen
Engel getauft, kennt diese Rasse nur ein Ziel, nämlich die endgültige Vernichtung der Menschheit. Zur Rettung eben dieser hat die UNO die Evangelions geschaffen, turmhohe, von Menschen gesteuerte Kampfroboter, deren Ausstattung es dem Piloten erlauben soll, die Gefahr zu bannen. Doch nur einige wenige auserwählte Kinder wie der introvertierte 14-jährige Shinji Ikari oder die verschlossene Rei Ayanami sind in der Lage, die Evangelions zu bedienen und somit die Welt zu retten. Was die Sache nicht einfacher macht: Der Leiter der zuständigen Geheimabteilung NERV ist Shinjis Vater, dessen Verhältnis zu seinem Sohn seit dem Tod von Shinjis Mutter von Kälte und Ablehnung geprägt ist. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als mit dem Sechsten Engel Neo Tokyo-3 von der bisher mächtigsten Bedrohung heimgesucht wird ?
Kenner von "Neon Genesis Evangelion" werden nun zu Recht die Frage aufwerfen: Wozu das alles? Der Inhalt des Films spiegelt nahezu exakt die Ereignisse der ersten sechs Folgen der Animeserie wider, womit kann der Kauf der DVD also gerechtfertigt werden? Die Antwort liegt im "nahezu".
Spricht man im Falle von "Evangelion: 1.01" von einem Remake, erhält dieses Wort gleich eine neue Bedeutung: Nicht wenige Szenen und Dialoge wurden 1:1 aus der Serie übernommen und mit neuem Material kombiniert, andere wiederum fanden ihr Ende bei der Schere, um dem Werk einen möglichst kontinuierlichen Handlungsverlauf ohne unnötigen Ballast zu geben. Wer nun entsetzt an Resteverwertung denken muss, sei an dieser Stelle beruhigt: Das alte Material wurde im Rechner komplett überarbeitet und erhielt ein zeitgemäßes Lifting. So sehen etwa Explosionen und Lichteffekte einfach eindrucksvoll aus, Hologramme und Spiegelungen erstrahlen in neuem Licht. Besonders dem Sechsten Engel hat die digitale Botox-Behandlung gut getan, er und die anderen Engel wurden nun noch effektvoller in Szene gesetzt. Das Wichtigste jedoch sind die Möglichkeiten, die sich durch diese Art der Neugestaltung eröffnen und von Anno und seinem Team auch gekonnt genutzt wurden: Durch die Kombination von Vorlagen durch die Originalserie und neuem Material konnte Einfluss auf auftauchende Fragestellungen genommen werden, welche schon "Neon Genesis Evangelion" berühmt gemacht haben. Mit "Evangelion: 1.01" werden neue Perspektiven auf den enigmatischen Hintergrund der Story eröffnet, neue Interpretationsansätze ermöglicht und in der Folge die Hoffnung auf eine Klärung jener Fragen geschürt, welche die Originalserie unbeantwortet ließ. Gleichzeitig bleiben Motive der Animeserie gewahrt, neben Action in Gestalt gelungener Kämpfe zwischen den EVAs und den Engeln ist natürlich auch der philosophische Aspekt der Selbstfindung und Entwicklung wie auch das Plädoyer zu einem bewussteren Umgang mit unserer Umwelt in gewohnt epischem Umfang garantiert. Man darf also die weitere Entwicklung von "Rebuild of Evangelion" mit höchster Spannung verfolgen ?
Doch nicht nur Szenen und Teile des Drehbuches wurden für das Remake aus der Originalserie übernommen, auch das Synchronisationsensemble sorgt für ein Déjà-vu-Erlebnis. Selbiges trifft größtenteils auch auf die deutsche Synchronisation zu, leider wurden der Part von Rei Ayanami und jener von Misato Katsuragi neu besetzt; Samia Little Elk und Gundi Eberhardt geben sich zwar Mühe, an ihre Vorgängerinnen anzuknüpfen, so ganz will es aber nicht gelingen. Das restliche Ensemble ist dem Fan von Annos Animeserie hierzulande bekannt, was aber nicht nur positive Seiten hat: Manche Sprecher greifen zu wenig auf einen emotionalen Ton zurück, so etwa Hannes Maurer als Shinji Ikari, der zeitweise Introvertiertheit mit emotionaler Monotonie verwechselt. Wesentlich angenehmer für das Ohr ist hingegen der Soundtrack von Shiro Sagisu, der auch auf Stücke der Animeserie zurückgreift und diese neu arrangiert präsentiert; wem die Musik von "Neon Genesis Evangelion" gefallen hat, der wird den Score von "Evangelion: 1.01" lieben. Rundum gelungene Stücke wie "Beautiful World" komplettieren den positiven Gesamteindruck.
Um nun zu einer essentiellen Frage zurückzukommen: Lohnt sich der Kauf von "Evangelion: 1.01 - You are (not) alone" oder kann dieser Film als bloße Geldmacherei abgetan werden und in den Verkaufsregalen das staubige Dasein eines Ladenhüters fristen? Die Frage muss andersherum gestellt werden, um dem Film gerecht zu werden: Ist die Faszination für "Neon Genesis Evangelion" noch vorhanden? Giert man noch immer nach jenen Antworten, welche Serie wie auch Kinofilme zu geben nicht bereit waren, und hofft, dass EVA-Vater Hideaki Anno sich der Fans erbarme und das große Mysterium um die Engel auflöse? Letzteres kann der vorliegende Film nicht hundertprozentig versprechen, doch die Chance ist da! Vor allem, da sich durch die neu erschlossenen Perspektiven neue Fragen und Deutungsmöglichkeiten aufgetan haben, darf der "echte" Anhänger von Annos Kultanime zugreifen - vorausgesetzt, er erklärt sich bereit, mal eben auf die Schnelle 27,95 Euro für rund 98 Minuten Neugestaltung locker zu machen. Der Preis bedarf einer möglichst baldigen Senkung, zumal eine Bonus-Disc angesichts von Preis und Gestaltung hätte spendiert werden können. Da kann selbst das enorm schmucke Steelbook, das ein echter Blickfang im DVD-Regal ist, nur wenig ändern.
Neueinsteigern in das EVA-Universum sei jedoch die Serie empfohlen, denn erst mit einem gewissen Maß an Vorwissen kann man den Film in vollem Umfang genießen. Und was die Kenner anbelangt - wie schon gesagt: "Echte" Fans der Evangelions zücken in diesem Augenblick bestimmt schon das Portemonnaie ?
Bild- und Tonqualität sowie Extras können nicht beurteilt werden, da es sich um eine Presse-DVD handelt, die von der Kaufversion abweichen kann.